WiWi Gast schrieb am 06.05.2021:
WiWi Gast schrieb am 05.05.2021:
Die Sache ist doch relativ einfach. Als man den Bachelor/Master eingeführt hat, war es immer klar, dass das neue System die klassische Berufsausbildung ersetzen sollte. Hatte was mit europäischer Harmonisierung zu tun, aber das ist jetzt egal.
Schaut man sich die Zahlen an, sieht man, dass es 2012 zum ersten mal in einem Jahrgang mehr Studenten als Azubis gab. Inzwischen studiert eine deutliche Mehrheit und die Zahl an Ausbildungen ist deutlich in der Minderheit. Bei Industriekaufleuten ist das extrem. Inzwischen sind es laut Statista noch ca. 45.000 und davon sind 85% Duale. Am Ende bleiben weniger als 7000 frische "nur" Industriekaufleute ohne Studium pro Jahr. Dagegen stehen ca. 230.000 BWL-Absolventen.
Daher braucht man die beiden Gruppen nicht mehr zu vergleichen, denn die eine ist ein Auslaufmodell und hat nur noch als duales Studium eine Daseinsberechtigung. Der BWL-Bachelor ist ein Substitut zum klassschen Industriekaufmann. Er ist für genau diese Stellen gedacht und daher verstehe ich diesse Diskussion hier überhaupt nicht. Das ist doch des Kaisers nackt Kleider. Sagen wir doch wie es ist: 80% der BWL-Bachelor landen auf Stellen, die vorher mit Industriekaufleuten besetzt worden wären. Warum? Weil es letztere fast nicht mehr gibt. und weil es auch so sein soll.
Die Anforderungen sind nicht höher als früher, aber der die Kandidaten sind jetzt anders ausgebildet. Also änder man auch die Stellenbeschreibung. Es gibt in dem Sinn keine Akademikerstellen, sondern nur eine Anpassung, weil es den klassischen Industriekaufmann kaum mehr gibt. Wenn nun in einer Stellenbeschreibung ein Hochschulabschluss steht, dann oft nicht, weil es eine Akademikerstelle ist, sondern, weil auf dem kaufmännischen Markt fast nur noch solche Leute rumturnen. Der Arbeitgeber ist gezwungen sie zu nehmen, oder er deckt seinen Bedarf nicht.
Es ist eine Anpassung. Die ganze Diskussion führt daher ins Leere.
Ich will keine Diskussion zwischen Studium früher vs heute aufmachen bzw. dem heutigen Stellenwert eines Studiums aufmachen und werde daher auf diese Punkte bewusst nicht eingehen.
Ich kann der Argumentation nicht zustimmen, das Arbeitgeber nur Studenten nehmen, weil der Markt nichts hergibt und sollte es wirklich wie von dir beschrieben sein, wäre das Verhalten der AG's sehr irrational.
Besonders Industriekaufleute werden eher von größeren Tariflich gebunden Unternehmen ausgebildet. Einen Dualen Studenten auszubilden ist mit erheblichen Mehrkosten verbunden und die spätere Einstellung erfolgt in einer höheren entgeltgruppe als bei einem Industriekaufmann.
Der einzige Grund, der mir gerade einfällt, das aus Unternehmenssicht zu tun, wäre es weil ich keine Bewerber für Ausbildungsberufes bekomme. Das würde bedeuten das es zumindest für die beliebten AG's z.b. Siemens, Bayer usw. sinnvoll wäre deutlich mehr Auszubilden, in der Praxis ist es so, das diese Unternehmen mehrere Bwerbungsrunden haben um für ihre Ausbildungsplätze die wirklich besten aus einer Vielzahl von geeigneten Kandidaten rauszusuchen. Große Tarifgebundenen Konzerne können sich auch nicht über die Anzahl an Bewerbungen beschweren. Aber gerade bei diesen Unternehmen geht der Trend klar zum Dualen Studium.
Die Zahlen sprechen doch für sich, oder? 230.000 BWLer pro Jahr gegen 7000 reine Industriekaufleute (ohne Duale!). Letztere mit sinkender Tendenz. Das Irrationale ist nicht auf Seiten der Arbeitgeber zu finden, sondern bei den jungen Leuten, die wie wild in das Studium strömen, weil sie es aufgrund gesunkener Anforderungen plötzlich können. Heute studieren 60% eines Jahrganges und der Rest verteilt sich auf alle Ausbildungsberufe. Von denen, die gar nicht ausbildungsfähig sind, rede ich gar nicht erst. Das sollen auch 10% sein.
Die Unterehmen haben übrigens völllig anders gerechnet: Es waren doch gerade sie, die sich von den Ausbildungskosten befreien wollten und den EU-Kurs (Lissabon, Bologna, Amsterdam), der die europäische Harmonisierung anstrebte, unterstützt haben, oder? Da haben an die Versprechen der Politik geglaubt, dass der Bachelor ein praxis-orientiertes Kurz-Studium wird.
Im Übrigen stimmt es auch nicht, dass ein Dualer unbedingt besser eingestuft wird, als ein Industriekaufmann ohne zusätzliches Studium. Wie man eingstuft wird, hängt doch von der Stelle ab, die besetzt wird. Ich kenne das von der Sparkasse. Die können im Moment gar nichts mit ihren Dualen anfangen und setzten die an den Schalter oder schieben sie irgendwo ab. Da kommt kaum einer über 2,5 brutto im Monat, manche halt doch, wenn sie die entsprechenden Stellen besetzen.
Im Endeffekt sehen wir heute das Ergebnis: In einigen Ausbildungsberufen wie Pflege oder Handwerk, also die, die man nicht akademisiert hat, herrscht Mangel, Ausbildungsberufe, die akademsiert wurden, verschwinden und die reine Anzahl an Studenten ist innerhalb weniger Jahre absolut von 1,9 auf 2,9 Millionen gestiegen, obwohl die Geburtenraten sinken.
Lange Rede kurzer Sinn, am Ende ist es schon richtig, dass der BWL-Bachelor das Substitut für den Industriekaufmann ist. Er macht die gleichen Aufgaben und verdient ähnlich. Im IGM-Metal-Konzern sicher mehr, als in einer kleinen Firma. Nur, weil die Unternehmen jetzt in die Beschreibung "Voraussetzung Studium" schreiben müssen, weil es die frischen IK nicht mehr gibt, ändert das an der Aufgabe, Bezahlung und Stelle nichts, fühlt sich aber vielleicht besser an. Keine Ahnung.
Wenn man also die Frage stellt, wo die ganzen BWL-Absolventen unterkommen, dann ist die Antwort: Überwiegend dort, wo früher andere kaufmännischen Berufe untergekommen sind, denen es heute an Ausbildungsnachwuchs fehlt. Das war auch das Ziel der Reformen.
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