abctax schrieb am 04.11.2021:
Hallo liebe Community,
ich wende mich mit folgenden Anliegen an euch und hoffe, dass ihr mir hier vielleicht helfen könnt. Ich habe dieses Semester meinen Bachelor in Betriebswirtschaftslehre beendet. Der Schwerpunkt meines Studiums lag im Bereich Steuerlehre/Rechnungslegung. Ich strebe auch einen Master an derselben Uni mit gleichem Schwerpunkt an. Es besteht jedoch das Problem, dass der BWL Master nur 3 – 4 Fächer im Steuerrecht anbietet sowie ein Seminar.
Während meiner praktischen Erfahrungen bei den Big 4 sowie bei FGS und anderen Großkanzleien, habe ich schnell realisiert wie groß meine Lücken im Steuerrecht sind. Nun zweifle ich daran, meinen Master an meiner Bachelor-Uni zu beginnen. Vergleicht man diesen Studiengang mit anderen, wie zB Mannheim, Köln oder Münster, bietet dieser nur ein begrenztes Angebot an steuerlichen Modulen. Ich habe nun die Befürchtung, nicht die nötigen Kenntnisse zu erlangen, um bei Kanzleien wie FGS oder bei den Big 4 in den anspruchsvolleren Bereichen einzusteigen. Vielleicht könnte ich diese Kenntnisse mit einer Promotion ausgleichen, diese dürfte jedoch nur sehr speziell auf ein Themenbereich begrenzt sein und könnte mE nicht die steuerliche Ausbildung der Uni Köln oÄ ersetzen.
Was ist eure Meinung dazu? Mache ich mir einen zu großen Kopf? Erwirbt man das meiste Wissen sowieso on the job?
Herzliche Grüße
Um vielleicht mal noch eine zweite Sichtweise zur Meinung von CC einzubringen, ich bin promovierte StB'in und habe seinerzeit in Köln studiert. Für die Promotion habe ich mich in erster Linie entschieden, weil ich die Jahre der Associate-Knechtschaft bei den Big4 vermeiden und die bestmögliche fachliche Vorbereitung auf das Examen haben wollte. Die Steuerberatungsgesellschaften, bei denen ich zu Studienzeiten als Werkstudent gearbeitet habe, haben mir nicht den Eindruck vermittelt, dass ich mich dort fachlich weiterentwickele. Viel mehr waren die meisten Leute den überwiegenden Teil des Tages mit Excel beschäftigt.
Nun ja, der Job am Lehrstuhl ist super und vor allem durch die Lehre und deine Dissertation (wenn sie denn steuerrechtlich ist) lernt man extrem viel und extrem systematisch. Für das Examen hat er mir letztlich aber nicht das gebracht, was ich mir damals erhofft hatte. Das Examen besteht jedes Jahr zum nicht unerheblichen Teil aus Praxisfragen, die du als Theoretiker aus der Wissenschaft einfach nicht lernst. Was mich deshalb am Ende gerettet hat, war meine Ausbildung an der Uni Köln. Ich hatte im Bachelor die Grundlagen und im ganzen Masterstudium dann fast nur Steuerkurse. Die Vorbereitung aufs StB-Examen ist ein Marathon und wenn du von allem schon einmal etwas gehört und ein gewisses Grundverständnis hast, dann macht das einfach so vieles leichter. Das entspricht im Übrigen auch der einhelligen Meinung meiner Kolleginnen und Kollegen.
Ich kann dir also - sofern du heute weißt, dass du StB werden willst (und das solltest du, falls du im Steuerbereich tätig bleiben willst) - nur empfehlen, einen Master mit soviel Steuern wie möglich zu wählen. Egal, ob du hinterher promovieren gehst oder in die Stbg., das wird dich in jedem Fall weiterbringen. Wenn du in der Beratung arbeitest, wirst du nicht mehr die Zeit für tiefgreifende Recherche und Steuersystematik haben. Wo du dann weiße Flecken hast, wird es eben umso schwerer, sie aufzufüllen. Darüber hinaus beeinflusst dein steuerliches Vorwissen, ob du interessante und anspruchsvolle Projekte oder eher den Abfall auf der Arbeit bekommst. Wenn du nur Compliance machen darfst, weil in der Abteilung zwei, drei Leute sind, die dir alle guten Projekte wegschnappen, dann lernst du on-the-job genau garnichts.
Ich hoffe, dass ich jetzt kein Chaos in deinem Kopf angerichtet habe :) eine Sache ist mir noch wichtig zu betonen: dein Entscheidungsproblem ist letztlich eine Optimierungsfrage. Egal, wie du dich entscheidest, das StB-Examen wird so oder so machbar sein. Setzt dich deshalb nicht allzusehr unter Druck und schau auch, wobei du ein besseres Gefühl hast. Auf jeden Fall wünsche ich dir alles Gute.
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