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RWI-Konjunkturprognose 2006: Belebung setzt sich fort

Das RWI Essen erhöht seine Prognose für das Wachstum des realen Bruttoinlandsprodukts (BIP) in 2006 um 0,2 Prozentpunkte auf 1,6 Prozent. Gründe hierfür sind eine weiterhin wachsende Weltwirtschaft, die verbesserte preisliche Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands sowie ein anhaltender Investitionsaufschwung.

Aufnahmen unter Wasser.

RWI-Konjunkturprognose 2006: Belebung setzt sich fort
Essen, 13.12.2005 (rwi) - Die Konjunktur in Deutschland hat sich in der zweiten Hälfte von 2005 trotz der beträchtlichen Verteuerung von Energie spürbar belebt. Diesmal war jedoch nur etwa die Hälfte des Zuwachses des BIP auf den dank der guten Weltkonjunktur steigenden Außenbeitrag zurückzuführen. Erstmals seit langem leistete die Inlandsnachfrage einen nennenswerten Beitrag, insbesondere die kräftig gestiegenen Ausrüstungsinvestitionen. Andererseits sind die privaten Konsumausgaben nun schon im dritten Quartal in Folge zurückgegangen. Per Saldo dürfte das reale BIP 2005 um 0,9 % zugenommen haben. Vor einem Jahr hatten wir an dieser Stelle einen Zuwachs von 1,3 % prognostiziert. Insbesondere hatten wir die Konsumnachfrage deutlich stärker eingeschätzt, vor allem weil der anhaltende Anstieg der Rohölpreise nicht vorherzusehen war.

Für 2006 gehen wir von einer Fortsetzung der Belebung aus. Zwar dürften sich die höheren Energiepreise zunächst noch dämpfend auswirken, jedoch stehen die Zeichen günstig, dass sich die Konjunktur im Jahresverlauf kräftigt. Zum einen wird die Weltwirtschaft unserer Einschätzung nach weiterhin mit relativ hohem Tempo wachsen. Zudem dürfte sich die preisliche Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands weiter verbessern, so dass die Exporte erneut spürbar zulegen dürften. Zum anderen spricht Vieles für einen anhaltenden Investitionsaufschwung: Finanzierungsbedingungen und Gewinnsituation sind günstig; und die neue Bundesregierung plant, die Abschreibungsmöglichkeiten zu verbessern. Ein höheres Auftragsvolumen spricht zudem dafür, dass die Bauinvestitionen erstmals seit langem wieder leicht zulegen werden. Schwachpunkt der Konjunktur bleiben die privaten Konsumausgaben. Sie dürften erst in der zweiten Hälfte des Jahres 2006 spürbar steigen, wenn nach unserer Einschätzung die Zahl der Erwerbstätigen wieder stärker zunimmt. Vorübergehend vergrößern dürfte sich die Konsumnachfrage dann auch deshalb, weil wegen der für 2007 angekündigten Mehrwertsteuererhöhung zu erwarten ist, dass größere Anschaffungen vorgezogen werden. Vor diesem Hintergrund halten wir eine Zunahme des realen BIP um 1,6 % für wahrscheinlich, das ist immerhin mehr als die durchschnittliche Zuwachsrate seit der Wiedervereinigung.

Der Preisauftrieb dürfte sich dabei wieder abschwächen. Wegen der höheren Energiepreise beträgt die Teuerungsrate derzeit knapp 2,5 %. Wenn, wie hier unterstellt, die Rohölnotierungen im kommenden Jahr nicht weiter steigen, wird die Inflation im Verlauf von 2006 sinken. Gefährdet wäre die Preisniveaustabilität aber, wenn es mit Blick auf die derzeit höhere Teuerung und die erwarteten Inflationseffekte einer steigenden Mehrwertsteuer zu höheren Lohnabschlüssen käme, zumal die im Euro-Raum reichlich vorhandene Liquidität die Überwälzung höherer Kosten erleichtert.
 

Situation auf dem Arbeitsmarkt wird sich kaum verbessern
Die Lage auf dem Arbeitsmarkt dürfte sich im kommenden Jahr trotz der anziehenden Konjunktur nur wenig verbessern. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten sinkt derzeit noch, und der Anstieg der Erwerbstätigkeit kommt vor allem dadurch zustande, dass vermehrt Langzeitarbeitslose in so genannten Ein-Euro-Jobs eine vorübergehende Beschäftigung finden. Im Verlauf von 2006 dürfte aber auch die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten wieder zunehmen. Das gilt wohl auch für die Minijobs. Zugleich gehen wohl von der Arbeitsmarktpolitik geringere Wirkungen aus, da die Zahl der Ein-Euro-Jobs dann nur noch wenig ausgeweitet werden dürfte und die Förderung der Ich-AGs zur Jahresmitte voraussichtlich ausläuft. Wir erwarten einen Anstieg der Erwerbstätigkeit um 0,6 % im Jahresdurchschnitt, die Arbeitslosenquote dürfte damit nur leicht von 11,2 % in diesem Jahr auf 10,7 % im kommenden sinken.

Die Lage der öffentlichen Haushalte verbessert sich 2006 voraussichtlich zwar aus konjunkturellen Gründen, jedoch wird das strukturelle Defizit nur wenig verringert. Zwar wurden bereits Einschnitte bei Personalausgaben, Subventionen und Steuervergünstigungen beschlossen. Letztere werden aber 2006 nur in geringem Maße kassenwirksam, und zugleich wurden die staatlichen Ausgaben, insbesondere investive, erhöht. Die Defizitquote sinkt so voraussichtlich nur von 3,6 % auf 3,2 %. Damit würde die Defizitgrenze des Maastricht-Vertrages erneut überschritten.


Deutschland bleibt abhängig von der Weltwirtschaft
Die höhere Wachstumsrate des BIP im kommenden Jahr ist im Wesentlichen zyklisch be-dingt; allein 0,6 Prozentpunkte des Wachstums sind nach unserer Schätzung durch den Überhang aus diesem Jahr angelegt. Maßnahmen der neuen Bundesregierung hatten nur geringen Anteil daran, dass wir unsere Prognose seit September 2005 angehoben haben. Verbesserte Abschreibungsbedingungen für Unternehmen dürften die Investitionen anschieben; die Wachstumsbedingungen nachhaltig verbessern würde aber erst eine umfassende Reform der Unternehmensbesteuerung, die es vor 2008 wohl nicht geben wird. Teuer erkauft ist jener Teil der kräftigeren Expansion, der aus Vorzieheffekten beim privaten Konsum durch die geplante Mehrwertsteuererhöhung resultiert. Ihm steht 2007 ein Ausfall an Nachfrage gegenüber - und dies, wenn die Realeinkommen ohnehin durch die höhere Mehrwertsteuer belastet werden.

Dadurch erhält die Hoffnung einen Dämpfer, dass die Konjunktur künftig wieder stärker von der Konsumnachfrage getragen wird. Deshalb bleibt die deutsche Wirtschaft wohl auch 2007 darauf angewiesen, dass die Weltwirtschaft floriert. Gerade im internationalen Umfeld bestehen aber beträchtliche Risiken: Bleibt die Weltkonjunktur kräftig, so besteht auch eine hohe Nachfrage nach Energieträgern und Rohstoffen. Weiter steigende Notierungen auf den Rohstoffmärkten sind dann nicht auszuschließen. Auch vergrößern sich die Leistungsbilanzungleichgewichte wohl weiter und damit wächst die Gefahr abrupter Änderungen der Wechselkurse.