Fenster schließen

Druckansicht http://www.wiwi-treff.de/Wirtschaftsnobelpreise/Nobelpreistraeger-fuer-Wirtschaft-1994/Artikel-2373/drucken

WirtschaftsnobelpreiseNobelpreisträger

Nobelpreisträger für Wirtschaft 1994

Der Nobelpreis für Wirtschaft ging 1994 an John C. Harsanyi, John F. Nash und Reinhard Selten für ihre grundlegenden Analysen von Gleichgewichten in der nicht-kooperativen Spieltheorie.

Nobelpreisträger Wirtschaft 1994
Nobelpreisträger für Wirtschaft 1994
Die Königlich Schwedische Akademie der Wissenschaften hat den von der Schwedischen Reichsbank in Erinnerung an Alfred Nobel gestifteten Nobelpreis für Wirtschaft des Jahres 1994 »für ihre grundlegenden Analysen von Gleichgewichten in der nicht-kooperativen Spieltheorie« gemeinsam verliehen an:
Spiele zum Verständnisses komplexer ökonomischer Zusammenhänge
Die Spieltheorie hat sich aus der Analyse von Spielen wie Schach oder Poker entwickelt. Es ist bekannt, dass es bei solchen Spielen notwendig ist, vorauszudenken und Strategien auf der Basis erwarteter Gegenzüge zu entwickeln. Da diese Art von strategischer Interaktion auch in der Wirtschaft stattfindet, hat sich die Spieltheorie in den Wirtschaftswissenschaften als sehr nützlich erwiesen.

Die Grundlagen zur Anwendung der Spieltheorie in den Wirtschaftswissenschaften wurden in einer Studie John von Neumanns und Oskar Morgensterns gelegt, die den Titel »Theory of Games and Economic Behavior« (1944) trägt. 50 Jahre später ist die Spieltheorie zum beherrschenden Instrument in der Analyse ökonomischer Probleme geworden. So hat insbesondere die nicht-kooperative Spieltheorie - d.h. derjenige Zweig der Theorie, der sich mit Spielen ohne verbindliche Vereinbarungen befasst - die Wirtschaftswissenschaft entscheidend beeinflusst. Der wichtigste Aspekt dieser Theorie ist das Konzept des Gleichgewichts, welches zur Vorhersage der Ergebnisse strategischer Interaktion dient. John F. Nash, Reinhard Selten und John C. Harsanyi haben äußerst bedeutsame Beiträge zu dieser Art von Gleichgewichtstheorie geleistet.

Strategische Interaktion
Bei der Spieltheorie handelt es sich um eine mathematische Methode zur Analyse strategischer Interaktion. Viele klassische Ansätze der Wirtschaftswissenschaften setzen eine so große Anzahl von Akteuren voraus, dass niemand die Reaktionen der anderen auf seine eigenen Entscheidungen berücksichtigen muss. Oft beschreibt diese Annahme die Realität auch in zutreffender Weise. In anderen Fällen jedoch führt sie in die Irre. Wenn nur wenige Unternehmen einen Markt dominieren; wenn Länder sich über handels- oder umweltpolitische Verträge einigen wollen; wenn Arbeitnehmer und Arbeitgeber über Löhne verhandeln; wenn Regierungen Märkte deregulieren, Unternehmen privatisieren oder wirtschaftspolitische Maßnahmen vornehmen wollen - in all diesen Fällen muss jeder Akteur die Erwartungen und die möglichen Reaktionen anderer Akteure auf seine Entscheidungen berücksichtigen. Dies wird als strategische Interaktion bezeichnet.

Schon im 19. Jahrhundert, beginnend mit Auguste Cournet (1838), haben Wirtschaftswissenschaftler Methoden zur Analyse strategischer Interaktion entwickelt. Diese konzentrierten sich jedoch auf spezifische Situationen. So gab es lange Zeit keine allgemein gültige Methode. Heute bietet der spieltheoretischer Ansatz ein allgemein anwendbares Rüstzeug zur Analyse strategischer Interaktion.Spieltheorie
Während die Wahrscheinlichkeitstheorie aus dem Studium von Glücksspielen entstand, in denen keine strategische Interaktion stattfindet, wurden Schach und verschiedene Kartenspiele zur Grundlage der Spieltheorie. Letztere sind in dem Sinne durch strategische Interaktion charakterisiert, als es sich bei den Teilnehmern um rational denkende Individuen handelt. Bereits im frühen 20. Jahrhundert begannen Mathematiker wie Zermelo, Borel und von Neumann mit der mathematischen Formulierung von Spielmechanismen. Aber erst beim Treffen des Ökonomen Oskar Morgenstern mit dem Mathematiker John von Neumann im Jahre 1939 entstand der Plan zur Entwicklung einer Spieltheorie, die sich in der ökonomischen Analyse anwenden lassen würde.

Die wichtigsten Ideen von Neumanns und Morgensterns finden sich in ihrer Analyse von Nullsummen-Spielen mit zwei Teilnehmern. In einem Nullsummen-Spiel entspricht der Gewinn des einen Teilnehmers dem Verlust des anderen. Schon 1928 führte von Neumann die Minimax-Lösung für ein Nullsummen-Spiel mit zwei Teilnehmern ein. Hier versucht jeder Spieler seinen Gewinn bei demjenigen Ergebnis zu maximieren, das für ihn selbst am unvorteilhaftesten ist. Das negativste Ergebnis ist dabei durch die Strategie des Gegners bestimmt ist. Diese Strategie ermöglicht jedem Spieler einen minimalen Gewinn. Natürlich steht es keineswegs fest, dass die von den Spielern gewählten Strategien miteinander übereinstimmen. Von Neumann konnte jedoch zeigen, dass es stets eine Minimax-Lösung - d.h. eine übereinstimmende Lösung - gibt, wenn sogenannte »gemischte Strategien« eingeführt werden. Bei einer gemischten Strategie handelt es sich um die Wahrscheinlichkeitsverteilung der einem Spieler zur Verfügung stehenden Strategie. Es wird angenommen, dass ein Spieler eine bestimmte, »reine« Strategie mit einiger Wahrscheinlichkeit verfolgen wird.

John Forbes Nash, jr.
John F. Nash kam 1948 als Doktorand der Mathematik nach Princeton. Die Ergebnisse seiner Studien finden sich in seiner Dissertation, die den Titel Non-Cooperative Games (1950) trägt. Hier führte Nash die Unterscheidung zwischen kooperativen und nicht-kooperativen Spielen ein. Sein wichtigster Beitrag zur Theorie nicht-kooperativer Spiele besteht in der Formulierung eines universell gültigen Lösungsansatzes für Spiele mit einer unbestimmten Anzahl von Teilnehmern mit unbestimmten Präferenzen - d.h., seine Ergebnisse betrafen nicht mehr lediglich Nullsummenspiele mit zwei Teilnehmern. Diese Lösung wurde später als »Nash-Gleichgewicht« bekannt. Im Nash-Gleichgewicht erfüllen sich die Erwartungen sämtlicher Mitspieler, und die von ihnen gewählten Strategien sind optimal. Nash stellte zwei Interpretationen des Gleichgewichtskonzeptes vor: das eine beruhte auf Rationalität, das andere auf statistischen Populationen. In der rationalistischen Interpretation werden die Spieler als rational betrachtet und verfügen über vollständige Informationen hinsichtlich der Struktur des Spiels, einschließlich der von ihren Mitspielern präferierten Ergebnisse. Da allen Spielern die strategischen Alternativen und Präferenzen ihrer Mitspieler bekannt sind, können sie deren jeweils beste Strategie genau berechnen. Sofern alle Mitspieler dasselbe Nash-Gleichgewicht erwarten, ist keinem daran gelegen, seine Strategie zu ändern. Nashs zweite Interpretation der statistischen Populationen ist bei sogenannten evolutionären Spielen nützlich. Dieser Typus findet auch in der Biologie Anwendung, wenn es um die Frage geht, wie sich die Prinzipien der natürlichen Auslese auf die strategische Interaktion in und zwischen verschiedenen Spezies auswirken. Nash zeigte ferner, dass es für jedes Spiel mit einer begrenzten Anzahl von Teilnehmern ein Gleichgewicht der gemischten Strategien gibt.

Viele interessante ökonomische Themenfelder, wie z.B. die Analyse der Oligopole, entstammen der Theorie nicht-kooperativer Spiele. Im allgemeinen können Unternehmen restriktive Handelspraktiken nicht vertraglich regeln, da solche Vereinbarungen der Handelsgesetzgebung widersprechen. In ähnlicher Weise wird die Interaktion zwischen einer Regierung, Interessenvertretern und der Öffentlichkeit als nicht-kooperatives Spiel betrachtet, wenn es etwa um die Steuerpolitik geht. Das Nash-Gleichgewicht gehört inzwischen zum Standardrüstzeug fast aller Bereiche der Wirtschaftstheorie. Der offensichtlichste Anwendungsbereich ist vielleicht die Analyse des Wettbewerbs zwischen Unternehmen in der Theorie der industriellen Organisation. Doch hat das Konzept ebenfalls Eingang in die makroökonomische Theorie der Wirtschaftspolitik gefunden, sowie in die Umwelt- und Ressourcenökonomie, die Außenhandelstheorie und die Informationsökonomie. Die nicht-kooperative Spieltheorie hat ferner neue Forschungsfelder eröffnet. In Kombination mit der Theorie wiederholter Spiele haben Gleichgewichtskonzepte sich als nützlich bei der Untersuchung der Entwicklung von Institutionen und sozialen Normen entwickelt. Trotz seines Nutzens ist das Nash-Gleichgewicht jedoch mit bestimmten Problemen verbunden. Wenn ein Spiel mehrere Gleichgewichte aufweist, kann das Gleichgewichtskriterium nicht unmittelbar zur Vorhersage seines Ausgangs genutzt werden. Sofern es sich auf den Begriff der Rationalität stützt, setzt dass Gleichgewichtskonzept ferner voraus, dass jeder Spieler vollständig über die Situation seiner Mitspieler informiert ist. Dies waren die beiden Probleme, an deren Lösung sich Selten und Harsanyi versuchten.Reinhard Selten
Das Problem des Auftretens mehrerer Gleichgewichte bei nicht-kooperativen Spielen hat zu einem Forschungsprogramm geführt, in dem es um den Ausschluss »uninteressanter« Nash-Gleichgewichte ging. Grundlegende Idee ist die Aufstellung härterer Kriterien, nicht nur, um so die Zahl möglicher Gleichgewichte zu reduzieren, sondern auch, um im wirtschaftlichen Sinne unvernünftige Gleichgewichte zu vermeiden. Mit dem Konzept der »Teilspielperfektheit« (subgame perfection) legte Selten die Grundlagen für systematische Bemühungen in diesem Bereich.

Als Beispiel zur Erklärung des Konzepts kann ein monopolistischer Markt dienen, in dem ein potenzieller Wettbewerber durch die Drohung eines Preiskrieges abgeschreckt werden soll. Dabei kann es sich sehr wohl um ein Nash-Gleichgewicht handeln. Sofern der Wettbewerber die Drohung ernst nimmt, mag es in seinem Interesse liegen, sich von diesem Markt fernzuhalten. In diesem Fall enstehen für den Monopolisten keine Kosten, da die Drohung nicht zum Tragen kommt. Sieht der Monopolist sich jedoch bei einem Preiskrieg mit hohen Kosten konfrontiert, so ist die Drohung nicht glaubwürdig. Ein Wettbewerber, der dies erkennt, wird sich auf dem Markt etablieren, und der vor vollendeten Tatsachen stehende Monopolist wird keinen Preiskrieg beginnen. Hierbei handelt es sich ebenfalls um ein Nash-Gleichgewicht. Darüber hinaus erfüllt dieser Ausgang Seltens Bedingung der Teilspielperfektheit. Diese beinhaltet eine Formalisierung der Forderung, dass nur glaubhafte Drohungen berücksichtigt werden sollten.

Seltens Teilspielperfektheit hatte unmittelbare Bedeutung für die Diskussion des Problems der Glaubwürdigkeit in der ökonomischen Analyse, für die Analyse von Oligopolen und die Informationsökonomie. Sein Konzept kann als grundlegendste Verbesserung des Nash-Gleichgewichts betrachtet werden. Dennoch gibt es Situationen, in denen auch die Bedingung der Teilspielperfektheit nicht genügt. Dies veranlasste Selten, eine weitere Verbesserung einzuführen, die gewöhnlich als »Gleichgewicht der zitternden Hand« bezeichnet wird. Hier wird angenommen, dass jeder Spieler eine geringe Wahrscheinlichkeit voraussetzt, dass Fehler geschehen - dass die Hand eines Mitspielers zittern wird. Ein Nash-Gleichgewicht ist dann »trembling-hand perfect«, wenn es sich als robust gegenüber der geringen Wahrscheinlichkeit solcher Fehler erweist. Dieses und eng verwandte Konzepte, wie etwa das sequentielle Gleichgewicht von Kreps und Wilson, haben sich in diversen Forschungsbereichen als nützlich erwiesen, z.B. in der Theorie der industriellen Organisation und der makroökonomischen Theorie der Wirtschaftspolitik.

John C. Harsanyi
Die rationalistische Interpretation des Nash-Gleichgewichts setzt eine vollständige Information aller Beteiligten, auch hinsichtlich der Präferenzen der Mitspieler, voraus. Da diese Voraussetzung jedoch bei realen strategischen Interaktionen längst nicht immer gegeben ist, gab es lange Zeit keine Methode zur Analyse eines breiten Spektrums von Spielen. Das änderte sich jedoch entscheidend, als John Harsanyi in den Jahren 1967/68 in drei Artikeln einen neuen Ansatz für Spiele mit unvollständiger Information vorstellte und damit die Grundlagen für fast die gesamte ökonomische Analyse im Bereich der Informationen legte - unabhängig davon, ob es sich dabei um asymmetrische, private oder öffentliche Informationen handelt.

Harsanyi postulierte, dass jeder Spieler einem bestimmten »Typus« angehört, wobei jeder Typus mit einer Anzahl möglicher Präferenzen und einer subjektiven Wahrscheinlichkeitsverteilung korrespondiert. In einem Spiel mit unvollständiger Information wählt jeder Spieler für jeden seiner Typen eine Strategie. Ist die Vorsaussetzung einer Übereinstimmung der Wahrscheinlichkeitsverteilung erfüllt, so zeigte Harsanyi, dann existiert für jedes Spiel mit unvollständiger Information eines mit vollständiger Information. Im Jargon der Spieltheorie verwandelte er Spiele mit unvollständiger Information in Spiele mit unvollkommenen Informationen, denn diese lassen sich mit Standardmethoden handhaben.

Ein Beispiel für eine Situation unvollständiger Information kann die Zinspolitik der Zentralbank sein. Sind Unternehmen und Finanzmärkte nicht genau über die Präferenzen einer Zentralbank hinsichtlich der Balance von Inflation und Arbeitslosigkeit informiert, ist die Zinspolitik ungewiss. Mit den von Harsanyi eingeführten Methoden können die Interaktionen zwischen der Entstehung von Erwartungen und der Politik der Zentralbank untersucht werden. Im einfachsten Fall kann die Zentralbank einem von zwei Typen, mit den dazu gehörigen Wahrscheinlichkeiten, angehören. Entweder strebt sie eine geringe Inflation an und ist zu einer restriktiven Politik mit höheren Zinsen bereit, oder sie versucht, die Arbeitslosigkeit mit niedrigeren Zinsen zu bekämpfen. Ähnliche Methoden können auch bei der Regulierung von Monopolisten angewandt werden. Hier stellt sich die Frage: Welche Regeln oder Verträge ein angestrebtes Ergebnis bewirken, wenn der regulierenden Instanz keine vollständigen Informationen über die Kosten des Unternehmens vorliegen?

Weitere Beiträge der Nobelpreisträger
Abgesehen von seinen Beiträgen zur nicht-kooperativen Spieltheorie hat John Nash eine grundsätzliche Lösung für kooperative Spiele entwickelt, die gewöhnlich als Nash-Verhandlungslösung bezeichnet wird und in verschiedenen Zweigen der Wirtschaftstheorie angewandt wurde. Ferner initiierte er das sogennante Nash-Programm, ein Forschungsprogramm, das darauf abzielte, die kooperative Spieltheorie auf die Ergebnisse der nicht-kooperativen Spieltheorie zu gründen. Reinhard Selten hat desweiteren zentrale neue Erkenntnisse über evolutionäre Spiele und die experimentelle Spieltheorie vorgestellt. John Harsanyi hat zudem bedeutende Beiträge zu den Grundlagen der Wohlfahrtsökonomie und dem Zusammenhang von Ökonomie und Moralphilosophie geleistet. Harsanyi und Selten arbeiten seit mehr als zwanzig Jahren eng zusammen.

Aufgrund ihrer Beiträge zur Gleichgewichtsanalyse in der nicht-kooperativen Spieltheorie stellen die drei Nobelpreisträger eine natürliche Kombination dar: Nash legte die Grundlagen der Analyse; Selten entwickelte sie im Problemfeld der Dynamik weiter, und Harsanyi in dem unvollständiger Information.
Über die Preisträger Literaturquellen Links

John C. Harsanyi John F. Nash, Jr. Reinhard Selten - Prize Lecture