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Nobelpreisträger für Wirtschaft 1996

Der Nobelpreis für Wirtschaft ging 1996 an James A. Mirrlees und William Vickrey für ihre Arbeiten zur Theorie der Anreize bei asymmetrischer Verteilung von Informationen.

Nobelpreisträger Wirtschaft 1996
Nobelpreisträger für Wirtschaft 1996
Die Königlich Schwedische Akademie der Wissenschaften hat den von der Schwedischen Reichsbank in Erinnerung an Alfred Nobel gestifteten Nobelpreis für Wirtschaft des Jahres 1996 verliehen an
Informationen und Anreize
Die Informationsökonomie befasst sich mit Situationen, in denen Entscheidungsträger über ungleiche Informationen verfügen und einige Entscheidungsträger somit einen Informationsvorsprung besitzen. Solche Informationsasymmetrien kommen in zahlreichen Kontexten vor: Banken mangelt es beispielsweise an vollständigen Informationen über das zukünftige Einkommen ihrer Kreditnehmer; Firmeninhaber sind schlechter über Kosten und Wettbewerbsbedingungen informiert als ihre Geschäftsführer; Auktionären fehlt es an vollständigen Informationen über die Kaufbereitschaft potentieller Käufer und Regierungen müssen Einkommenssteuersysteme gestalten, ohne ausreichende Informationen über die Produktivität ihrer Bürger zu besitzen. Nimmt man den Abschluss einer Versicherung, so ist unbekannt, inwiefern Versicherte ihrer Verantwortung für das versicherte Eigentum gerecht werden. Ist eine Versicherung abgeschlossen, können Versicherte die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Versicherungsfalles erheblich steigern, ohne selbst die Konsequenzen tragen zu müssen. Dieses Problem der moralischen Versuchung wird als »moral hazard« bezeichnet.

Die unvollständige und asymmetrische Verteilung von Informationen hat entscheidende Konsequenzen, da sich Informationsvorsprünge häufig strategisch nutzen lassen, dies jedoch meist zu Lasten der Allgemeinheit geht. Die Informationsökonomie beschäftigt sich daher vor allem mit der Frage, wie Verträge und Institutionen gestaltet werden können, um verschiedene Anreiz- und Kontrollprobleme zu bewältigen. Das hat zu einem besseren Verständnis von Versicherungs- und Kreditmärkten, Auktionen, den internen Organisationsstrukturen von Unternehmen, Lohnformen, Steuersystemen, Sozialversicherungen, Wettbewerbsbedingungen und politischen Institutionen geführt.

Mit ihren Arbeiten zur Informationsasymmetrie haben die Preisträger des Jahres 1996 die Grundlagen zur Analyse dieser nur scheinbar sehr unterschiedlichen Probleme gelegt. Ein wichtiger Teil von William Vickreys Forschung betrifft die Eigenschaften verschiedener Auktionsformen sowie deren Ausgestaltung zur Steigerung ihrer ökonomischen Effizienz. Die Versteigerung von Schatzanleihen und Mobilfunk-Lizenzen sind zwei Bereiche, in denen seine Forschung praktische Anwendung gefunden hat. In den späten 40er Jahren stellte Vickrey ferner ein Modell zur Gestaltung der Einkommensbesteuerung auf, welches eine Balance zwischen Effizienz und Gerechtigkeit ermöglichen sollte. Ein Vierteljahrhundert später stieß dieses Modell auf neues Interesse, als James Mirrlees eine noch umfassendere Lösung für die mit der optimalen Einkommensbesteuerung zusammenhängenden Probleme fand. Mirrlees erkannte schnell, dass seine Methode vielfältige Anwendungsmöglichkeiten bot. Sein Ansatz wurde zum grundlegenden Bestandteil der modernen Analyse komplexer Informations- und Anreizprobleme in Situationen, in denen die Handlungen anderer Akteure nicht beobachtet werden können.Einkommensbesteuerung
Philosophen, Wirtschafts- und Politikwissenschaftler beschäftigen sich seit langem mit den Prinzipien der Einkommensbesteuerung - auch und vor allem mit dem der Gerechtigkeit. Zum Klassiker wurde ein 1897 von Francis Y. Edgeworth veröffentlichter Essay, in dem der Autor (Professor an der Universität von Oxford) eine utilitaristische, wohlfahrtsstaatliche Perspektive vertrat und zu dem Schluss kam, dass sämtliche Einkommensungleichheiten neutralisiert werden sollten, was eine starke Progressivität der Besteuerung erfordert. Mitte der 40er Jahre stellte dann Vickrey die Auswirkungen einer progressiven Einkommensbesteuerung auf die Leistungsbereitschaft von Individuen heraus und erweiterte die Fragestellung, indem er Probleme der asymmetrischen Verteilung von Informationen in seine Analyse mit einbezog. Ihm gelang zwar eine prinzipielle Lösung der Frage, wie Regierungen, denen es an Wissen über die Produktivität ihrer Bürger fehlt, bei der Einkommensbesteuerung Leistungsanreize schaffen können; er scheiterte jedoch an deren Übertragung in ein mathematisches Modell.

Erst beinahe 25 Jahre später wurde das Problem von James Mirrlees erneut aufgegriffen. Dieser stellte ein Paradigma zur Analyse ökonomischer Problemstellungen auf, denen die asymmetrische Verteilung von Informationen zugrunde liegt. Mirrlees identifizierte eine kritische Prämisse (bekannt als »single crossing«), die das Problem stark vereinfacht. Ferner beinhaltete seine Analyse bereits den Kern des sogenannten Auskunfts- oder Offenbarungsprinzips (»revelation principle«). Demnach ist die Schaffung von Anreizen bei unvollständiger Informationslage möglich. Hierzu muss die relativ begrenzte Zahl von Allokationsmechanismen berücksichtigt werden, welche Individuen veranlassen, wahrheitsgemäß zu informieren, ohne ihre eigenen Interessen zu gefährden. Aufgrund der vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten des Revelationsprinzips, z.B. bei der optimalen Vertragsgestaltung, hat es großen Einfluss auf die Behandlung diverser wirtschaftstheoretischer Fragestellungen gehabt.

Moral Hazard - Moralische Versuchung
Versicherungsunternehmen sehen sich mit dem Problem konfrontiert, das Schadensfälle nicht nur durch externe Faktoren wie beispielsweise Wetter oder Diebstahl bedingt sind, sondern auch durch mangelnde Sorgfalt der Versicherten. Deren Überwachung ist jedoch sehr kostspielig. Ähnliche Probleme treten auch in den sozialen Sicherungssystemen auf, etwa bei der Kranken- und Unfallversicherung. So fördert die großzügige Gestaltung von Versicherungspolicen unter Umständen ein riskantes Verhalten und eine Vernachlässigung der Sorgfaltspflichten. In ähnlicher Weise bleibt in Vertragsbeziehungen das Verhalten des Auftragnehmers (agent) für den Auftraggeber (principal) verborgen. Erkennbar ist lediglich das Ergebnis des Handelns, welches jedoch zusätzlich von Zufallsgrößen abhängt. In der Beziehung zwischen Firmeninhaber und Management besteht das Handeln beispielweise in den Anstrengungen des Managements, der Unternehmensgewinn ist das Ergebnis des Handelns und die Zufallsgrößen sind die Markt- und Produktionsbedingungen. Wie ist es unter diesen Umständen möglich, Kompensationen bei Versicherungs- oder Arbeitsverträgen so auszugestalten, dass Anreize für ein Handeln geschaffen werden, welches im Einklang mit den Interessen der Auftraggeber steht und ihre Gewinne maximiert?

Die technischen Schwierigkeiten bei der Analyse des Moral Hazard Phänomens ähneln denen bei der optimalen Gestaltung von Einkommenssteuersystemen. Mitte der 70er stellte Mirrlees fest, dass das Handeln eines Auftragnehmers auf den erwarteten Eintrittswahrscheinlichkeiten für bestimmte Ergebnisse basiert. Die Voraussetzungen für eine optimale Kompensation sind daher Bei der Aufstellung eines Anreizschemas muss ein Unternehmen dessen Kosten berücksichtigen. Je größer die Wirkung von Strafen und je größer der Einfluss des Auftragnehmers auf das Ergebnis ist, desto geringer sind die Kosten. Der Auftragnehmer kann entweder die Kosten ungünstiger Ergebnisse mittragen oder an den erzielten Gewinnen beteiligt werden. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass der Inhaber eines versicherten Objektes dieses so pflegt, als ob es nicht versichert wäre, oder dass ein Geschäftsführer ein Unternehmen so leitet, als ob es sein eigenes wäre.Auktionen und Zweitpreisauktion
Auktionen sind ebenfalls durch eine asymmetrische Verteilung von Informationen gekennzeichnet, da potenzielle Käufer nur über begrenzte Informationen hinsichtlich des Wertes der zum Verkauf stehenden Vermögenswerte oder Rechte verfügen. Vickrey analysierte die Eigenschaften verschiedener Arten von Auktionen in zwei Arbeitspapieren 1961 und 1962. Er beschäftigte sich vor allem mit der sogenannten »Zweitpreisauktion«, die inzwischen auch als Vickrey-Auktion bekannt ist. Bei diesem Typus wird jeweils ein Gebot geheim abgegeben. Das Höchstgebot erhält den Zuschlag, jedoch zu dem Preis des zweithöchsten Gebotes. Durch diesen Mechanismus zeigt sich die wahre Zahlungsbereitschaft eines Individuums.

Da bei einer üblichen Aktion niemand die Gebote der anderen kennt, besteht stets das Risiko, deutlich über dem zweithöchsten Gebot zu liegen und so wesentlich mehr zu bezahlen, als erforderlich ist, um den Zuschlag zu erhalten. Dies führt dazu, dass die Gebote meist deutlich unter dem Preis liegen, den der Einzelne zu zahlen bereit wäre und der Anbieter nicht das eigentlich mögliche Höchstgebot erzielt. Bei einer Vickrey-Auktion dagegen ist das Verhalten der anderen Bieter für die eigene Entscheidung nicht relevant und alle Teilnehmer können ohne Risiko soviel bieten, wie sie zu zahlen bereit sind.

Spätere Forschungen haben analoge Prinzipien beispielsweise mit Mindestgeboten für die Ausschreibung öffentlicher Bauprojekte entwickelt. Vickreys Arbeit hat daher nicht nur die Auktionstheorie entscheidend beeinflusst. In ihr sind fundamentale Einsichten über Mechanismen der Ressourcenallokation enthalten, die der Schaffung gesellschaftlich erstrebenswerter Anreize dienen.

Weitere Beiträge zur Forschung
James Mirrlees und William Vickrey haben darüber hinaus beachtliche Beitrage in anderen Bereichen der Wirtschaftswissenschaften geleistet. In Zusammenarbeit mit dem Amerikaner Peter Diamand hat Mirrlees die Struktur von Verbrauchssteuern in einer Welt analysiert, in der zunehmende Lohnzusatzkosten zu sozialer Ineffizienz führen. Das Ergebnis ihrer Forschung zeigt, dass es im allgemeinen lohnt, eine volle Produktionseffizienz zu wahren. Konkret heisst das, dass kleine, offene Wirtschaftsräume keine Zölle auf den Außenhandel erheben sollten und dass die Besteuerung von Produktionsfaktoren wie Arbeit und Kapital nicht auf der Produktionsseite, sondern auf der des Verbrauchs erfolgen sollte. Die letztere Erkenntnis hat sich gravierend auf die Entwicklungshilfe ausgewirkt. In Zusammenarbeit mit Peter Diamond und dem britischen Wirtschaftswissenschaftler Ian Little hat Mirrlees Kriterien zur Bewertung von Entwicklungshilfeprojekten aufgestellt.

In der wissenschaftlichen Arbeit Vickreys nimmt die effiziente Preisgestaltung im Bereich des öffentlichen Dienstes eine bedeutende Rolle ein. Im Gegensatz zu anderen exzellenten Theoretikern hat er sich stets um praktische Anwendungsmöglichkeiten seiner Erkenntnisse bemüht. Ein Beispiel ist seine berühmte Studie über das Preissystem der New Yorker U-Bahn. Sein Vorschlag war ein früher Versuch, Preise im öffentlichen Dienst effizient zu gestalten. Diese Studie stellte nicht nur einen Fortschritt gegenüber dem sogennaten »Ramsey-Preissystem« dar, sondern vermochte auch in ihrer Detailfülle zu faszinieren.
Über die Preisträger Literaturquellen Links James A. Mirrlees William Vickrey