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Konstruktion - Der Wirtschafts-Thriller: Teil 16

Auch die Gegenseite schien nicht zu schlafen.

Delaney setzte Philipp nicht direkt vor dessen Wohnung ab, sondern zwei Straßen weiter. Man musste auf Nummer sicher gehen. Die Gegenseite durfte nichts von all dem wissen. Kurze Zeit später saß Philipp in einem bequemen Ledersessel in seiner Wohnung. Er hatte sich einen White Russian zubereitet und hielt die Augen geschlossen. Er war geschafft, fühlte sich überrannt von den Ereignissen und ihrer Sogwirkung. Er suchte sich zu entspannen, wusste er doch, dass er auch am folgenden Tag wieder all seine Kräfte brauchen würde. Im Fernsehen zeigten sie noch immer die Bilder vom tragischen Bombenattentat. Damit wollte Philipp in dieser Nacht aber nicht mehr konfrontiert werden. Doch er musste feststellen, dass er die Bilder nicht einfach so aus seinem Gedächtnis verbannen konnte. Immer wieder tauchten sie vor seinem inneren Auge auf.

Dann hörte er plötzlich eine Stimme aus dem Halbdunkel seiner Wohnung. Eine nicht laute, aber trotzdem resolut wirkende Stimme. Sie schien ihm direkt gegenüber zu sein. Er wandte seinen Blick, der bislang auf den Teppich gerichtet war, in die Richtung, aus der die Stimme kam. Im selben Augenblick, gerade als er die Umrisse der Person, die zu ihm sprach, ausgemacht hatte, richtete sich das Licht einer Lampe brutal auf ihn, so dass er geblendet wurde. „Sie werden sich wahrscheinlich fragen wie ich in ihre Wohnung gekommen bin!“ sagte sein Gegenüber in gebieterischem Tonfall. „Die Tür stand offen. Es war gewissermaßen wie eine Einladung. Ich konnte das unmöglich ausschlagen, das werden sie doch verstehen, oder?“ Der Mann lachte, schien ihn auf gewisse Weise zu verspotten. Ja, so konnte man das ausdrücken. In seiner Stimme lag so etwas wie grenzenloser Hohn. Philipp war einen Moment lang verwirrt gewesen.

Also, wenn sie schon einfach so in mein Haus eingedrungen sind, was wollen sie dann von mir?“ „Ich wollte ihnen mitteilen, dass Seymour unten im Wagen auf sie wartet. Er will mit ihnen reden!“ „Seymour also? Was soll es denn zu bereden geben? Dass er mich ans Messer liefern wollte, weiß ich doch schon längst!“ Auch in Philipps Stimme schwang etwas Ablehnendes mit. Das musste sein Gegenüber wahrgenommen haben. „Hören sie, das was er ihnen zu sagen hat, sollten sie sich in jedem Fall anhören. Er möchte ihnen einen Vorschlag unterbreiten. Es könnte ihren Arsch retten!“ „Mir einen Vorschlag unterbreiten? Meinen Arsch retten? Das ist ja äußerst großzügig! Wie kommt er denn dazu? Ihm habe ich das alles doch überhaupt erst zu verdanken! Wieso sollte ich darauf erpicht sein, ihm zu vertrauen?“ gab Philipp mit gespielt ungläubigem Blick wieder. „Hören Sie Geiger. So wie ich es sehe können Sie bei der Sache nur gewinnen. Ganz gleich was passiert!“ „Also schön! Dann will ich mir mal seinen Vorschlag anhören. Immerhin geht es um meinen Arsch.“ Philipp versuchte gespannt zu wirken.

Dann verließ er die Wohnung und begab sich zu der schwarzen Limousine, in der er bereits zum Flughafen gebracht worden war. Die rechte hintere Wagentür öffnete sich, er stieg ein und dann setzte sich der Wagen langsam in Bewegung. Seymour saß direkt neben ihm und strahlte die ehedem bekannte Aura, des Unnahbaren, des Undurchschaubaren aus. „Um die Ziele des Unternehmens zu verwirklichen ist uns nahezu jedes Mittel recht, das wissen sie!“ „Das haben Sie eindeutig bewiesen! Sie schrecken wohl vor gar nichts zurück, Seymour. Was bedeutet ihnen ein Menschenleben?“

Hören sie, ich denke nicht, dass ich ihnen in irgendeiner Weise Rechenschaft schuldig bin. Unsere Branche ist eine der härtesten. Das ist kein Zucker schlecken. Auch das ist ihnen bekannt! Frazier hat den Bau von Projekt M verhindern wollen. Er war im Begriff, all unsere Baumaßnahmen zu sabotieren. Er hatte enge Beziehungen zu der staatlichen Baubehörde, wissen Sie, Geiger. Und die kleinen Beamtenärsche gönnen uns unseren Erfolg nicht. Wenn die irgend etwas erreichen können, was uns in unseren Bemühungen stoppt, dann ist das für die wie ein Freudenfest! Zudem war Frazier klar geworden, dass sein Arbeitsverhältnis nach Abschluss von Projekt M enden würde. Ich denke, dass er das außerdem nicht so ganz verkraftet hat. Frazier wollte das Unternehmen wegen Kleinigkeiten ans Messer liefern. Wegen Dingen, die auf jeder Baustelle vorkommen! Für die Jungs vom staatlichen Bauamt wäre aber genau das ein gefundenes Fressen gewesen! Die stecken alle unter einer Decke und die spielen genauso beschissen, wissen sie?“

Und deswegen musste Frazier also sterben!“ „Deswegen musste er sterben. Genau deswegen.“ Wiederholte Seymour die Worte Philipps. „Und warum durch mich?“ Seymour zögerte einen Augenblick lang schien sein weiteres Vorgehen zu überdenken. „Die Ereignisse haben sich überschlagen. Erst in nahezu letzter Sekunde haben wir davon erfahren, dass Frazier die Absicht hatte, Mc Innis zu einem Lieferstopp zu zwingen. Was das bedeutet hätte, das muss ich ihnen wohl kaum erklären.“ Seymours Stimme war voll von eisiger Ruhe. Seine Augen vollzogen irgendwie leicht kreisende Bewegungen. Er schien Philipps Reaktion abschätzen zu wollen.

„Aber sie haben meine Frage noch nicht beantwortet! Warum durch mich? Warum musste ich ihn töten und zudem die ganzen unschuldigen Menschen?“ „Das hab ich doch bereits erwähnt! Mc Innis. Frazier durfte auf keinen Fall mit ihm zusammentreffen. Er musste also schnellstmöglich beseitigt werden. Der Koffer wurde quasi im allerletzten Moment im Schließfach ausgetauscht. Sie waren der einzige, der es somit in der Hand hatte es zu tun. Das dabei die umstehenden Menschen im Gebäude sterben mussten ließ sich einfach nicht verhindern. Ich frage sie nicht ob sie das verstehen! Und kommen sie mir nicht mit irgendeiner beschissenen Moral. Ich will diese Brücke!“ Seymours Ton war geprägt von unnachgiebiger Härte. Es ging ihm offensichtlich nicht um Verständnis. Seymour musterte ihn ausgiebig und lange.

Wissen sie Geiger, Sie haben sich zu jeder Zeit als besonders loyal und zuverlässig erwiesen. Dafür möchte ich Ihnen im Namen der Firma danken!“ Was war Seymours Freundlichkeit wert fragte sich Philipp. Alles das, was er sagte, schien auf seltsame Art und Weise nahezu logisch im Sinne einer rationalen Erklärung aufzufassen zu sein. Er wusste selber wie sehr man in einer Bauphase eine enge und tiefe Beziehung zu einem Bauwerk aufbauen konnte, die fast vermenschlichte Züge haben konnte und jegliches Handeln, das die Entstehung des selbigen vorantrieb, zuließ. Aber er durfte sich nicht von Seymour einlullen lassen. Wenn überhaupt dann nur scheinbar. Aber da war etwas in ihm, das ihm zu sagen schien, dass Seymour es ihm leicht machte. Leichter als erwartet. Er hätte nicht damit gerechnet, dass Seymour auf so etwas wie Loyalität anspielen würde. Er hatte in gewisser Weise an so etwas wie Gemeinschaftsgefühl appelliert. Es musste ihm klar sein, was Philipp selbst für die Brücke empfand. Auch er hatte sie immer gewollt - dieses perfekte Bauwerk, dieses Meisterwerk modernster Architektur. Das hatte sie verbunden. Aber er hatte jetzt eine Rolle zu spielen, und das möglichst glaubwürdig. Zu leicht durfte er es Seymour auch nicht machen. Andernfalls konnte er vielleicht argwöhnisch werden.

Also, was wollen sie? Ich habe nicht viel Zeit. Unter den gegebenen Umständen werde ich möglichst noch in den nächsten Stunden das Land verlassen müssen. Einen Flieger nach Mexiko nehmen, sie verstehen schon. Dass ich hier unmöglich bleiben kann nach all dem, das dürfte ihnen klar sein!“ „Sicherlich, doch da ich sie in diese Lage gebracht habe, möchte ich ihnen meine Hilfe anbieten!“ Seymour wartete auf eine Antwort. Philipp ließ ihn zappeln, hatte er doch das Gefühl, dem anderen in die Karten zu schauen. Es war nämlich genauso wie es Callahan und Delaney prophezeit hatten. Er würde ihm Rückendeckung anbieten, Geld ins Spiel bringen und dergleichen. „Da bin ich ja mal gespannt wie sie mir helfen wollen!“

„Das FBI wird sich der Sache annehmen. Es gibt da einen Mann, der für uns etwas tun kann. Er wird die Beweisstücke verschwinden lassen, die zur Aufklärung des Verbrechens führen können. Was ich meine ist, dass er die sämtliche Beweise verschwinden lassen wird. Man wird also keine Rückschlüsse in ihre Richtung ziehen können. Es wird nicht einmal eine klitzekleine Spur zu ihnen führen Geiger. Nicht einmal der Hauch einer Spur. Auch wenn der tote Frazier identifiziert werden wird, so hat das nichts zu bedeuten. Offiziell gab es nie eine Order von unserer Seite aus, die sie mit Frazier zusammenbringen sollte. Verstehen sie?“ „Natürlich. Was sie sagen wollen, ist, dass ich auch nie am JFK gewesen bin, es also nie zu diesem Treffen gekommen ist, und somit nie zu der Übergabe des Koffers.“ „Genau das. Auch wegen des Koffers sollten sie sich keine Sorgen machen. Der Koffer ist mit einer speziellen Beschichtung versehen gewesen. Diese Beschichtung besteht aus einer Substanz, die Fingerabdrücke gewissermaßen sofort absorbiert oder auch schluckt könnte man sagen.“ „Das ist nicht Ihr Ernst? So etwas gibt es wirklich? „Davon können Sie mit Bestimmtheit ausgehen!“ Nicht schlecht!“ Philipp rang sich einen scheinbar bewundernden Blick in Richtung Seymour ab.

Den Mord an Frazier lassen wir uns auch einiges kosten. Sie erhalten von uns 800.000 US $. Sie haben sich als sehr loyal erwiesen. Ohne sie wäre das gesamte Projekt zum Scheitern verurteilt gewesen.“ Ein leichtes Pfeifen erklang von Philipps Lippen, er gab sich wiederum Mühe zufrieden zu wirken. „Okay, aber was erwarten sie von mir. Was soll ich in Zukunft in der Cymatrix Company tun?“ „Ich habe sie eigens aus Deutschland geholt, wo sie als eines der größten Nachwuchstalente unter den Architekten gelten. Ihr Name wird irgendwann einmal genau wie meiner in großen Lettern auf einer Gedenktafel stehen. Eine Gedenktafel aus Messing, die an der Brücke angebracht werden wird. Wir werden berühmt sein. Überall in der Welt wird man unsere Namen kennen. Wir können uns dann die besten Projekte aussuchen. Sie wissen was das heißt Geiger!“ Seymours Augen funkelten. Seine eigenen Worte schienen ihn mehr als alles andere zu erregen. Auch Philipp stellte ein wenig beängstigt fest, dass er fasziniert von dem Gedanken war, all das zu bekommen, was Seymour so überaus glanzvoll beschrieben hatte. Es klang wie das Paradies auf Erden. Es beunruhigte ihn mehr als er sich eingestehen wollte, dass er so empfand, doch stufte er das auf unbestimmte Art und Weise nur als all zu menschlich ein. Die Sünde, das Laster, das Verbrechen. Sie waren ständig und immerzu allgegenwärtig.

Nun ja, zugegeben, das klingt verlockend, aber was wird im Unternehmen dann meine Aufgabe sein!“ gab Philipp bedacht von sich. „Sie erhalten die Bauleitung im Mittelsektor der Brücke. Sie wissen, die Brücke führt von Manhattan direkt nach Atlantic Highlands über eine beträchtliche Distanz. Der Mittelsektor ist gewissermaßen das Sahnehäubchen. Denn das ist das letzte Stück, das wir einsetzen werden, da wir uns ja von beiden Seiten darauf zu bewegen.“ Philipps Blick schien für einen Augenblick lang in die Ferne zu schweifen. Er wirkte so als wäre er in Gedanken bereits ganz woanders. Vielleicht war er schon bei der Eröffnungsfeier, wo er im Rampenlicht neben Seymour stehen sollte und ihm Ruhm zuteil würde. Dann richtete er das Wort wieder an Seymour. „Das hört sich angesichts der verfahrenen Situation für mich doch recht vielversprechend an. Ich denke, wir sind uns einig!“ Seymour brachte voller Genugtuung das Lächeln des ewigen Gewinners hervor.