Hallo,

meine Frau hat nach Ihrer Schule direkt in einem Unternehmen angefangen und arbeitet dort seit 17 Jahren. Nun hat sie eine neue Stelle gesehen für die sie sich bewerben will. Sie möchte aber ihren Chef nicht nach einem Zeugnis fragen, da dies negativ ausgelegt wird und er weiß, dass sie kündigen will. Nun hat sie ja außer ihrem Schulzeugnis dann kein weiteres Zeugnis, obwohl sie schon solange arbeitet.

Was kann man da machen:

1.) Einen Satz am Ende ins Anschreiben wie "Bitte haben Sie auch Verständnis, dass ich ein Arbeitszeugnis aufgrund meiner langen Firmenzugehörigkeit von meinen Vorgesetzten momentan nicht verlangen möchte."?

oder

2.) Bewerbung einfach nur mit Schulzeugnis verschicken und kein Arbeitszeugnis mitliefern und auch nichts erwähnen?

Würde mich auch sehr freuen, hier u.a. von Personalern einen Rat zu bekommen, was man hier machen kann.

Tausend Dank!!!

Bin kein Personaler und habe eine solche Situation auch noch nicht erlebt, hätte aber grundlegend Verständnis für den unter 1) beschriebenen Weg. Dass man 17 Jahre bei einem Unternehmen geblieben ist und beschäftigt wurde, ist ja auch eine Bestätigung für gute Arbeit. Ich würde dann allerdings im Interview fragen, weshalb man nach 17 Jahren so plötzlich wechseln möchte, dass man nicht rechtzeitig ein Zwischenzeugnis organisieren konnte. Und was wäre schlimm daran, dass es der Chef erfährt, wenn sie sowieso wechseln möchte? Hat man mit dem Chef an Veränderungen gearbeitet oder möchte man einfach so verschwinden? Das würde ich alles gerne wissen wollen.

Nein, also nach einem Zwischenzeugnis fragen will sie auf gar keinen Fall, weil sie ein sehr gutes Verhältnis zum Chef hat, danach fragen bedeutet man kann gleich sagen das man weg will. Sie wünscht sich nach so einer langen Zeit einfach eine berufliche Veränderung, da es ihr langweilig geworden ist. Sie arbeitet dort eher im Backoffice und ist Teamleiterin für das Produkt des Unternehmens. Nun möchte sie aber in den Verkauf dieses Produktes bei einem der Kunden einsteigen, da sie sich vorstellt, dass dies ihr dies mehr Spass macht. Das Unternehmen sucht zurzeit für die Neueröffnung eines Standortes neue Mitarbeiterinnen als Verkäuferinnen, die diese Produkte im Geschäft an die Kunden bringen. Daher der Wechselgedanke.

17 Jahre in einem Unternehmen, da sind die Meinungen zwiespältig: Zum einen routiniert und mit allen Aufgaben im Bereich bestens vertraut und anderen unflexibel, kein Wechsel, kein Risiko eingegangen.
Gab es in den 17 Jahren neue/wechselnde Aufgaben? Neue Bereiche? Neue Verantwortungen?

Thema Zwischenzeugnis:
Ein selbst angefordertes Zwischenzeugnis (ohne Grund wie Vorgesetztenwechsel, Bereichswechsel o.ä.) ist so eine Sache. Das signalisiert "Absprungbereitschaft", zumindest Unzufriedenheit. Wenn kein Gespräch mit den Vorgesetzten erfolgt ist, ist der Chef umso mehr enttäuscht, vielleicht auch verärgert. Mit dem Motto: Nie was gesagt, aber jetzt plötzlich so was.
Da in den 17 Jahren kein einziges Zwischenzeugnis erstellt bzw. angefordert worden ist, geht man in Normalfall davon aus, dass der Aufgabenbereich bzw. die Verantwortung über die Jahre gleich geblieben sind - also kaum Veränderung.
Und jetzt? Plötzlich nicht nur Wechsel des Unternehmens, sondern evtl.
neue Aufgaben, neue Kollegen usw.
Da muss man sehr gut argumentieren und den Wechsel gut begründen (der Personaler schließt gerne von der bisherigen Vita = 17 Jahre gleiche Firma,
gleicher Bereich - auf die zukünftige Entwicklung).
Dient die Bewerbung nur als "Druckmittel" für die bisherige Firma (die
neue Firma bietet xy und yz Gehalt)
Gab es Weiterbildungen?
Was hat der Arbeitnehmer selbst unternommen? Was wurde in den 17 Jahren
vorangetrieben, aufgebaut, geleitet, mit Erfolg durchgeführt?

Auf jeden Fall im Lebensaluf die Branche, Größe und Bereich nennen (nicht den Arbeitgeber), dann Hauptaufgaben und Verantwortungen, aber auch Besonderheiten (Projekte, Entwicklungen usw.). Das kein aktuelles Arbeitszeugnis vorliegt, ist klar (aber dass über die Jahre kein einziges Zwischenzeugnis vorliegt schon schlecht).

Gruß
Dieter

Hallo Dieter,

vielen Dank für deine Tipps!

Warum soll sie den Arbeitgeber nicht nennen?

Es ist doch üblich, dass man für den aktuellen Job kein Zeugnis hat. Da gibt es doch so Floskeln wie "...aufgrund meines aufrechten Beschäftigungsverhältnisses würde ich Sie bitten, meine Bewerbung vertraulich zu behandeln" (bitte nicht 1:1 verwenden... es geht nur um's Prinzip). Da versteht sich dann von selbst, dass man kein Zeugnis hat.

Ich sage bei Zeugnissen für Beschäftigungen, die gar nicht existieren, dass meine Mutter das Zeugnis beim Aufräumen verschlampt hat. Hat bisher nie weitere Nachfragen mit sich gebracht.

Hab ich auch immer so gemacht, bloß bei mir war es meist der Hund, der es gefressen hat.

Das ist doch völlig unglaubwürdig.

Lounge Gast schrieb:

Hab ich auch immer so gemacht, bloß bei mir war es meist der
Hund, der es gefressen hat.

Grundsätzlich gilt, dass du als Bewerber von professionellen Chefs einen Vertrauensvorschuss bekommst, denn vom aktuellen Job wirst Du i.d.R. kein abschließendes Zeugnis haben. Die AGs wissen das und Aussagen über falsche Skills fliegen meist schnell auf.

Dass deine Frau in 17 Jahren nie nach einem Zwischenzeugnis gefragt hat, wundert mich. Das signalisiert nicht zwingend eine bevorstehende Kündigung, wenn man das geschickt argumentiert. Immerhin will man doch auch wissen, wo man steht nach gewisser Zeit. Ist völlig legitim.

Ist halt schwierig, wenn man ein gutes Verhältnis zum Chef gleichsetzt mit gezwungener Zurückhaltung, wenns ums Geschäftliche geht. Es ist ja schön, wenn sich alle gut verstehen, aber wenns um den Job geht, sollte man klar trennen zwischen Emotionen und harten Fakten. Spätestens beim Kündigungsgespräch kommts eh raus. Finde, deine Frau sollte ruhig in kleinen Schritten reinen Tisch machen.

Weil man nie den Kontakt zum bisherigen Arbeitnehmer verhindern kann,
dann ist das Vetrauensverhältnis zumindest angeknackst!!!

Gruß
Dieter

Lounge Gast schrieb:

Hallo Dieter,

vielen Dank für deine Tipps!

Warum soll sie den Arbeitgeber nicht nennen?

Fehlende Arbeitszeugnisse (oder gar nicht vorhandene) nie mit Ausreden wie "beim Umzug verloren gegangen" oder "hat mein Kaninchen gefressen" :-) o.ä. "erklären". Das sind wichtige Dokumente und gehören an einen sicheren Ort! Was wäre, wenn der zukünftige Chef nachhakt und beim Zeugnisersteller nachfragt (kommt öfters vor!) und die Sache fliegt auf?
Wenn die Personaler auch nichts sagen oder sich anmerken lassen, wer (angebliche) Zeugnisse nicht vorliegen kann (insbes. Originale), kann niemals in eine verantwortliche Position kommen. Was wäre, wenn dort ein Dokument "verschwindet"?

Gruß
Dieter