WiWi Gast schrieb am 02.10.2020:
Inwiefern wurdet ihr als Einsteiger in koordinative Aufgaben eingespannt?
Ich werde aktuell mit einem komplexen Prüffeld ziemlich alleine gelassen und muss fast alles selbständig angehen - die Befürchtung ist ein Scheitern...
Welche Erfahrungen habt ihr als Einsteiger gemacht? Welches Verhalten ist in so einer Situation richtig?
Zunächst mal die Gegenfrage: Was verstehst du unter Koordinativen Aufgaben?
Nach meinem Verständnis ist das Prüfungs & Teamplanung Aufgabenverteilung, Abstimmung der Termine mit dem Mandanten usw.
Solche Aufgaben komplett auf einen Anfänger zu übertragen wäre eher ungewöhnlich.
Unterstützende Tätigkeiten hierbei allerdings nicht.
Ich habe als Assistent im ersten Jahr bei einem sehr großen Projekt (viele kleine Einzelprüfungen) über mehrere Monate einen Großteil der Aufgabenverteilung im Team übernommen.
Insbesondere bei kleineren Prüfung ist es auch nicht unüblich, dass der Assistent selbst z.B. Termine für Prozessaufnahmen mit dem Mandanten abstimmt, aber immer in Absprache mit dem Prüfungsleiter/WP. Also sprich es wird von dir erwartet, dass du deine Aufgaben im Wesentlichen selbst organisierst.
Zum Thema selbstständige Bearbeitung von komplexen Prüfungsgebieten:
Grundsätzlich kannst du davon ausgehen, dass du keine Aufgaben übertragen bekommst die du nicht lösen kannst, bzw. bei denen nicht nochmal jemand drüber schaut.
Viele Aufgaben wirken im ersten Jahr anspruchsvoll, wenn man Sie 2-3 gemacht merkt man aber dass alles keine Raketenwissenschaft ist. Da die WPs und auch die PLs häufig mehrere Prüfungen gleichzeitig betreuen entwickeln diese auch sehr schnell ein gewisses Gefühl dafür wem man welche Aufgaben übertragen kann. Was genau du prüfen sollst, sollte dir die Prüfungsplanung vorgeben (auch wenn die gerne mal recht kryptisch formuliert ist, im Zweifel Nachfragen)
Für deine Bearbeitung ist wichtig, dass du fragst, wenn du nicht weiter weißt bzw. du dir nicht sicher bist. Das Wichtigste für junge Assistenten ist Fragen, Fragen, Fragen! Selbstverständlich wird von dir erwartet, dass du dir in einem gewissen Umfang selbst Gedanken machst, aber es will auch keiner, dass du 2 Tage beim Mandanten rumsitzt und dir den Kopf über eine Aufgabe zerbrichst weil du die Zähne nicht auseinander bekommst.
Bei manchen Problemen muss man allerdings erstmal selbst auf die Fresse fliegen um den Kern zu verstehen und so wirklich was zu lernen. Betrifft insbesondere alle Formen von Excelproblemen.
Wenn du nicht mit jedem "Scheiß" direkt zu deinem Vorgesetzen rennen willst, frag einen deiner Kollegen ob die das Thema schon mal hatten, denen geht es oft nicht anders und der Austausch untereinander hilft extrem.
Abschließend noch eine kleine Anekdote zu einer meiner ersten Prüfungen als Assistent:
Es handelt sich um eine Sonderprüfung von einem mittelständischen Krankenhaus welche kurz vor der Insolvenz stand und verkauft werden sollte. Zwecks Kaufpreisfindung sollte eine Zwischenabschluss aufgestellt und geprüft werden. Problem dabei: Die "verantwortlichen" Buchhalter hatten keine Ahnung was Sie da tun und waren die meiste Zeit damit beschäftigt sich gegenseitig die Schuld in die Schuhe zu schieben.
Ich war die meiste Zeit alleine da und sollte die Bude prüfen. In dem Laden war wirklich alles falsch, die hatten es sogar irgendwie hinbekommen, dass im ERP-System die Bilanz nicht mehr aufgegangen ist (weiß bis heute nicht wie).
Mein Tag sah daher in etwas so aus: morgens angekommen WP angerufen "Was soll ich machen?" Aufgabe bekommen, nach ca. 1 Stunde wieder angerufen "Ja Hallo ich habe mir das jetzt angeschaut und kann mit nahezu 100% Sicherheit sagen, dass das so nicht stimmen kann, aber die haben keine Unterlagen daher kann ich nicht sagen wie es richtig wäre, was soll ich machen?" Antwort: „Ja mach das und das“ oder alternativ "ja ok dann mach erstmal mit dem Thema weiter dann müssen wir hier mal schauen". Und so in der Art ging, dass den ganzen Tag weiter. Nach drei Tagen haben wir die Prüfung abgebrochen und denen ne 10 Seitige Liste gegeben was Sie erstmal klären sollen bis wir wiederkommen. (Nicht dass es besonders besser geworden wäre).
Der WP hat mich ein Jahr später noch dafür gelobt, dass er mich bei dem Laden alleine rumlaufen lassen konnte, weil er wusste, dass ich mich melde, wenn es Probleme gibt und mich entsprechend bei schwierigen Prüfungen regelmäßig angefordert.
Fazit: Keine Scheu von Fragen und gab davor und danach keine Prüfung auf der ich so viel gelernt habe wie bei dieser, daher sieh es als Herausforderung, wenn du Anspruchsvolle Aufgaben bekommst. An kaputten Fällen lernt man!
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