Big4 Auditor schrieb am 28.02.2021:
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Weil man hier zur Sicherstellung der Unabhängigkeit unterstellt, dass die staatliche Institution unabhängig sei. Nehmen wir hier den Fall EY/Wirecard. Der Staat hat für Wirecard massiv geworben. Staatliche Behörden haben Wirtschaftskriminalität nicht erkennt - was nach meinem Verständnis nicht Aufgabe von EY wäre, sondern eine polizeiliche Aufgabe ist.
Der Staat hätte also Motive eigene Verantwortung und eigenes Versagen auf EY abzuwälzen.
Nach deinem Vorschlag darf nun der Staat entscheiden, dass EY keine Aufträge mehr bekommt, auch wenn die Gesellschafter und der Aufsichtsrat EY mehr vertrauen würden als jedem anderen.
Das entspricht nicht meiner Vorstellung von "Unabhängigkeit".
- Fixbeauftragung für 5 Jahre erscheint mir nicht angemessen. Wer in Jahr 1 bereits trödelt um dank "standardisierter Honorarvereinbarung" das Gesamthonorar in die Höhe treibt, sollte direkt ausgetauscht werden dürfen.
Ich habe einen Gegenvorschlag:
Kauf keine Aktien von Unternehmen, die sich von WPGs prüfen lassen, denen du nicht vertraust. Arbeite nicht für Unternehmen, die sich von WPGs prüfen lassen, denen du nicht vertraust. Kaufe nichts von Unternehmen, schließe keine Verträge mit und vergib keine Kredite an Unternehmen, die sich von WPGs prüfen lassen, denen du nicht vertraust.
Vertraue oder lass es bleiben! Das bestehende System lässt dir diese Wahl. Und diese Wahl ist gut und wichtig.
Fakt ist doch, dass in der Wirtschaftswelt, bei freier Wahlmöglichkeit, Einzelpersonen und Konzerne, die Milliarden investieren, ihr Vertrauen in die Unabhängigkeit insbesondere der großen vier setzen, obwohl sie freie Wahl hätten jedem anderen zu vertrauen.
Wer profitiert davon, wenn jemand prüft, der nicht derjenige ist, dem die Auftraggeber der Prüfung am meisten vertrauen? Der Gedankengang erscheint mir völlig unsinnig und resultiert aus meiner Sicht aus einem falschen Verständnis davon, wofür es überhaupt Jahresabschlussprüfungen gibt.
Der Beruf des Wirtschaftsprüfers ist älter als die gesetzliche Prüfungspflicht.
Gebt meinetwegen die gesetzliche Prüfung in staatliche Hände. Ich übernehme dann die freiwilligen Prüfungen, bei denen jemand sein Vertrauen in einen unabhängigen Dritten setzen will - und mache mir keine Sorgen über eine schlechte Auftragslage.
Sinnvoller erscheint es mir aber, wenn der Staat seine(!) Aufgabe erfüllt Wirtschaftskriminalität aufzuklären und wir unsere Aufgabe erfüllen den Jahresabschluss unabhängig(!) zu prüfen. Auch unabhängig von politischen Interessen.
Sehe ich auch so und wird auch so kommen. Nur bedeutet frei Wahlmöglichkeit für EY in Zukunft, dass Aufsichtsrat und Anteilseigner einfach weniger häufig ein Testat von EY haben wollen, weil eben EY in der Qualität der WP-Prüfung nicht mehr uneingeschränkt vertraut wird. Das ist das schöne an Marktwirtschaft, die freie Wahlmöglichkeit wird EY hier schon zum Verhängnis. Folgende Mandate hat EY innerhalb von nur 12 Monaten durch den WireCard Skandal schon verloren: DWS, Commerzbank, KfW, Deutsche Telekom.
Aber das wird für EY noch zu verkraften sein. Viel härter trifft es EY, dass sie zukünftig weniger staatliche Aufträge bekommen werden, weil das Vertrauen zerstört ist. Haben Bund und Länder ja schon bestätigt. Auch das wäre vermutlich noch zu verschmerzen, aber das die großen deutschen Kreditgeber (KFW und Commerzbank) so wenig Vertrauen in EY haben, wird sich massiv auf das Geschäft mit der Restrukturierung/Sanierung auswirken. Dort ist ja bereits der Head auf Europa gegangen und nach nur einem Jahr zurück zu AlixPartners. Logischerweise, kaum eine Bsnk wird EY Parthenon noch mit Sanierungsgutachten beauftragen. Das trifft EY dann schon nochmal deutlich härter. Hinzukommt, dass beim Thema Strategieberatung das Image/Ruf so wichtig ist wie nirgendwo anders, auch dort wird es für EY sehr sehr schwer. Alles nicht schön, aber was hier aktuell komplett unterschätzt wird sind folgende Punkte:
Alle großen institutionellen Vermögensverwalter (DWS, Union, Deka) versuchen rechtlich gegen EY vorzugehen und werden ganz sicher in den Unternehmen an den sie beteiligt sind dafür werben EY nicht mit dem Testat zu beauftragen. Da die Hauptversammlung das absegnen muss wird wohl kein Aufsichtsrat dieser Welt die Kritik von DWS und Co. auf sich ziehen um EY einen Auftrag geben zu können. Warum das Risiko eingehen? Warum riskieren, dass ich als Aufsichtsrat öffentlich für diese Entscheidung kritisiert werde? Richtig macht kein Sinn, gibt nix zu gewinnen für mich als Aufsichtsrat wenn ich EY nehme und ich kann nur verlieren, da glaube ich bringen auch keine Kampfpreise etwas...
Richtig bitter für EY ist es aber, dass das Thema über Jahre weiter gehen wird (Gerichtsprozesses, Schlagzeilen etc.). Wenn man das alles bedenkt, dann scheint es nicht unwahrscheinlich das EY Geld in die Hand nimmt und alles so gut wie möglich in Vergleichen bereinigt ohne natürlich ein Schuldeingeständnis abzugeben. Aber wer sagte doch immer, Geld zu bezahlen ist doch quasi so etwas wie ein Schildeingeständnis, das macht keiner gern oder freiwillig.
In diesem Sinne es bleibt spannend wie es mit EY weitergeht und es ist vermutlich nur eine Frage der Zeit bis die Top-Ebene in der Strategieeinheit Parthenon das Schiff verlässt. Spätestens dann ist EY im Bereich Consulting gescheitert.
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