Erfahrungsbericht - Auslandsstudium in Carlow (Irland)
Andreas Klatt, Student der Wirtschaftsinformatik am Fachbereich Wirtschaft der FH Flensburg, berichtet von seinem Auslandsstudium in Carlow (Irland).
Auslandsstudium in Irland: AnkunftZu empfehlen ist eine frühe Anreise. Je eher man da ist, desto größer ist die Auswahl an Zimmern. Auch bietet Irland eine Reihe von Sehenswürdigkeiten, die man dann vorher schon besichtigen kann - ich hatte während des Studiums nicht wirklich Zeit dafür. Nimmt man sein eigenes Auto mit, sollte man Folgendes beachten und bedenken:
- In Irland fährt man auf der linken Seite (sehr schlecht beim Überholen von LKWs).
- Trotzdem gilt »rechts vor links«!
- Die Scheinwerfer müssen abgeklebt werden, damit man den Gegenverkehr nicht blendet (dadurch ca. 50 Prozent geringere Ausleuchtung der Straße am Abend).
- Man fährt nach Meilen pro Stunde. Distanzen an Schildern sind aber nach Kilometern ausgeschildert.
- Die Straßen sind in einem schlechten Zustand, daher nur Hauptstraßen benutzen, auch wenn sie länger sind.
- Es kann sein, dass man aufgrund der schlechten Straßen in Deutschland hohe Reparaturkosten hat.
- Ersatzteile können sehr spät kommen (ich musste zwei Monate auf neue Schloss-Zylinder warten).
Unterkunft: Ein-Zimmer-Wohnungen gibt es kaum, man mietet nur ein Zimmer in einem Haus (WG). Wenn man bei einer Familie unterkommen will, zahlt man etwas mehr und ist an deren Regeln gebunden. Eine Liste mit vielen Angeboten kann man am IT bekommen, diese Liste sollte man sich gleich, nachdem man sich am IT gemeldet hat, holen. Hier die wichtigsten Fragen, die es zu klären gilt:
- Wer zahlt Reparaturen?
- Was ist alles im Preis enthalten (warm oder kalt)?
- Wer zahlt den Müll?
- Wer mäht den Rasen?
- Wann wird bezahlt (meistens bar und wöchentlich)?
- Was sagt die Hausordnung (gibt es z.B. ein Partyverbot)?
- Gilt der Vertrag für die gesamte Dauer des Aufenthaltes im Land (einige »landlords« nehmen nur Studierende, die ein Studienjahr bleiben, also ca. 10 Monate)?
- Wie hoch ist das »deposit« (die Kaution)? Wann bekommt man es wieder?
Ein gutes Zimmer kostet zwischen 65 und 80 Euro (kalt), mehr ist Wucher, drunter ist es meistens unbewohnbar (bei 45 Euro schimmelt schon mal die Wand, dafür hat man aber Haustiere). Ich bin für 70 Euro untergekommen, Reparaturen (Heizung defekt, Tür kaputt usw.) und Müll wurden vom »landlord« (Vermieter) bezahlt. Wir mussten uns nicht um den Rasen kümmern oder sonst etwas instand halten.
Finanzen: Erasmus/Sokrates zahlten mir die Studiengebühren, auch erhielt ich ca. 90 Euro im Monat als Unterstützung. Das BAföG reichte aber auch nicht aus, um die monatlichen Kosten von ca. 800 Euro zu decken. Allgemein sollte man schon ein paar Euros mehr auf die Seite gelegt haben. Zum BAföG: Die Zeit, in der man Auslands-BAföG bekommt, wird nicht auf die des Inlands angerechnet. Es gibt einige Probleme beim Antrag auf Förderung, wenn man nur ein »National Diploma« macht, da es als nicht förderungswürdig angesehen wird. Mit viel Papierkrieg kann das nach meiner Erfahrung aber geregelt werden. Kein Probleme gibt es bei einem regelrechten Abschluss wie dem Bachelor.
Auslandsstudium in Irland: Studieren 1Am ersten Montag des Monats September beginnt regulär der Englischkurs Leider konnte ich diesen Kurs nur eine Woche lang besuchen, da ich zu den Bridging Studies verpflichtet war. Ich bekam für die 100 Euro Kursgebühr lediglich vier Stunden Englisch am Tag, diese sind aufgeteilt in einen allgemeinen Teil (hier wiederholten wir Grammatik, Aussprache, usw.) und einen fachbezogenen Teil, der Kenntnisse und Vokabular des gewählten Faches vermittelten. Man sollte unbedingt darauf achten, nicht in den »intermediate«-, sondern in den »advanced«-Kurs zu kommen. Der Grund: Ihr werdet feststellen, dass es in Carlow viele Franzosen gibt, die nicht so gut Englisch können. Die sind dann im einfacheren Kurs. Ohnehin stellt sich die Frage, ob man sich die 100 Euro nicht sparen kann. Wenn man nicht allzu viel im Englischunterricht (auf dem Gymnasium oder an der FH) geschlafen hat, geht es auch ohne Englischkurs ganz gut. Auf der anderen Seite hat man hier im Vorfeld natürlich die Möglichkeit, die ersten Kontakte aufzubauen.
Die Bridging Studies (BS) dauerten zwei Wochen. Sie umfassten die Fächer Mathe, Logik, Prolog und C++. In jedem dieser Fächer muss man am Ende der zwei Wochen einen Test schreiben und bestehen. Besteht man nicht, hat man einen weiteren Versuch. Die BS sind aber kein ernstes Hindernis, denn man besteht bereits mit 50 Prozent, und die Note hat keine Relevanz.
Folgende Fächer gibt es am IT Carlow im 4. Studienjahr:
- Software Engineering 1 (9 ECTS = in Deutschland anrechenbare Credit Points)
- Software Engineering 2 (7 ECTS)
- Artificial Intelligence (7 ECTS)
- Computer Science (9 ECTS)
- Computer Graphics (7 ECTS)
- Networking & Operation Systems (9 ECTS)
- Project (12 ECTS)
Trotz der unterschiedlichen ECTS zählen die Fächer am IT gleich. Ausnahme ist das Projekt, das wie zwei Fächer zählt. In den genannten Fächern (außer im Projekt) werden 30 Prozent der Endnote durch Tests erlangt, die verbleibenden 70 Prozent zählt die Klausur am Ende des Jahres. Um einen Bachelor of Science (B.Sc.) zu erlangen, muss die Endnote mindestens 40 Prozent der Anforderungen erreichen - in jedem Fach.
Es gibt verschiedene Auszeichnungen. Das Beste, was man bekommen kann, ist ein First Honour Degree (auch 1.1), dazu benötigt man 70 Prozent im Durchschnitt. Hat man in einem Fach die 40 Prozent nicht erreicht, aber 35 Prozent oder mehr, dann können die fehlenden Prozentpunkte von einem anderen Fach hinzugerechnet werden. Den Degree erhält man dann ebenfalls. Hat man weniger als 35 Prozent in einem der Fächer, dann war`s das - kein Bachelor Degree, egal, wie gut man in den anderen Fächern war. Es gibt dann die Möglichkeit, die Klausur zu wiederholen. In der Regel schafft nur einer aus fünf den »1.1 Degree«. In meinem Jahr hatten wir aber einen Rekord von neun Leuten (aus insgesamt 24).
Nach dem Jahr in Irland wurden mir folgende Fächer anerkannt: Englisch 2, AI (als spezielle WI), Computer Graphics (als spezielle WI), das Projekt »Computer Measurement Accuracy using the Hough Transform« (als spezielle WI). Damit waren drei von vier speziellen WI-Fächern abgeschlossen. Da ich mein Projekt und Computer Graphics in C++ geschrieben habe, versuche ich den OO mit C++ angerechnet zu bekommen. Auch Software Engineering hätte mir bestimmt angerechnet werden können, da ich aber das Fach schon in Deutschland gemacht hatte, ging das nicht mehr. Wichtig: Zur Anrechnung gibt es einen Schlüssel, der die irischen Noten wie 70% in das deutsche System umrechnet! Bei der Anrechnung sollte man konkret nach dem Schlüssel fragen, da die 70% (was das Beste in Irland ist, da es keine Abstufungen ab 70% gibt - ein 1st Honour ist ein 1st Honour, egal ob mit 70 oder 100%) bei uns nur eine 3 wäre. Dank des Schlüssels ist es dann aber wesentlich besser!
Auslandsstudium in Irland: Studieren 2 Kurzbeschreibung der Fächer:
- Software Engineering 1: Wir bekamen alle nötigen Handouts von Dozentin Marien. 3 Assessments à eine Stunde zählten 10% für die Endnote. Die Klausur zählte 70%. Ein Muster zu alten Klausuren lässt sich schwer erkennen. Mariens Assessments und die Klausur am Ende waren durch hartes Auswendiglernen geprägt und konnten nur so bestanden werden.
- Software Engineering 2: Leider hatte Chris nicht alle seine Materialien in digitaler Form vorliegen, und seine Handschrift war nicht die Beste. Bei Chris hatten wir 1 Assignment und 2 Assessments à 10%. In diesem Fach war es sehr wichtig, in den drei Tests sehr gut abzuschneiden, da die Klausur am Ende sehr schwer war. Chris stellt immer wieder neue Aufgaben im Examen, und auch wenn Tests und Examina alle »open book« sind (man darf alles mit in die Prüfung nehmen, sofern es auf Papier ist), hatten wir Zeitprobleme.
- Artificial Intelligence: In AI brachte uns Caroline die Art und Weise bei, wie Prolog ein Programm durchläuft. Wir hatten 5 Assessments (3 waren geplant), davon war eines ein »catch up« (Ausgleich). Im Examen mussten wir 4 aus 6 Fragen beantworten.
- Computer Science: Wir begannen in diesem Fach mit einfachen »Sprachen« und regulären Ausdrücken. Später mussten wir verschiedene Maschinen zeichnen. Bei Nigel hatten wir 2 Assignments (je einen Tag Zeit) und ein Assessment. Wer gut vorbereitet ins Examen ging, hatte gute Chancen.
- Computer Graphics: Dieses Fach enthielt viel Theorie über die Darstellung von Graphik auf dem Bildschirm. Jede Woche erhielten wir von Ken zusätzlich eine praktische Übung; wir programmierten in Visual C ++ Version 6 Open GL. Es gab zu den Übungen 2 Assessments à eine Stunde, und diese zählten je 15 %. Das Examen am Ende des Jahres hatte nichts mehr mit den Assessments zu tun, hier wurde nur die Theorie abgefragt, welche vor allem aus Mathe und Wiedergabe bestand.
- Networking & Operation Systems: In diesem Fach gingen wir mit Paul Barry sein Buch »Programming the Network with Perl« durch. Wir programmierten Perl in der Linux-Umgebung, Red Hat war empfohlen, wir durften aber auch Suse benutzen. Es gab 2 Assignments à 15%. Paul gab uns Aufgaben zum Nachprogrammieren, die wir in zwei Wochen zu lösen hatten. Das Examen ging dann über sein Buch, das wir komplett können mussten. Tipp: Alle Examina sind öffentlich. In der Bibliothek liegen die Kopien der letzten Jahre.
- Project: Das Projekt zählte, wie schon erwähnt, wie zwei Fächer. Allgemein soll es schwer sein, im Projekt zu versagen (d.h. unter 40% zu bekommen), da es auch Noten für die diversen Manuals gibt. Mit einer guten Note im Projekt konnte man auf einen guten Durchschnitt hoffen - dagegen eine schlechte Note oder gar unter 40% waren nur schwer wieder auszubügeln. Es wurde gerechnet, dass man zwischen 10 bis 15 Wochenstunden in das Projekt investiert. Wichtig: Jedes Jahr gibt es andere Projekte - einige wiederholen sich aber oder sind ähnlich.
Auslandsstudium in Irland: Freizeit
Sport: Das IT ist relativ klein, aber das Sport- und Klubangebot ist groß. Neben verbreiteten Sportarten wie Badminton, Squash, Soccer, Volleyball usw. gibt es typisch irische wie Hurling oder Rugby. Im Angebot sind auch diverse Kampfsportarten, Golf (nicht für Anfänger), Fechten, Air Rifle, Gymnastik usw. Man kann auch Mitglied in einem oder mehreren Klubs werden. Im Angebot waren Schach, Hillwalking Society (sehr zu empfehlen), Network Games, International Student Society und vieles mehr. Einmal im Jahr gibt es einen Society Award. Mitglieder der verschiedenen Societies werden dort mit einem Preis geehrt, auch einige Internationale gehörten zu den Gewinnern. Achtung: Dress Code! Am IT gibt es ebenfalls ein Gym, die Mitgliedschaft kostete 30 Euro für das ganze Jahr - bei diesem Preis sollte man aber nicht zu viel erwarten.
Party: In den ersten Monaten hatten wir eine bis drei Hauspartys pro Woche, die von Internationalen sowie Iren privat organisiert wurden. Leider ließen die Hauspartys nach. Die »International Student Society« hatte pro Woche ein Treffen in einer Disco. Die Party-Meile ist in der Tullo Street. Eine Wohnung in der Gegend ist sehr zu empfehlen. In der Tullo Street sind neben Pubs auch ein paar Diskotheken zu finden, die Livemusik (meist nachgesungene Hits im Rock-Pop-Genre - sehr zu empfehlen), Techno, Black etc. im Programm haben. Wem das nicht reicht (soll es gegeben haben), der kann nach Dublin (80 km) oder Kil Kenney (35 km) fahren. Außerdem gibt es die »Rag Week« - eine Woche so ziemlich keinen Unterricht und viele betrunkene Studenten. Viele Internationale bleiben nur ein paar Monate (bis Weihnachten), die Zeit nach Weihnachten fand ich etwas langweiliger als die davor. Es gibt generell zwei Wege in Carlow: Party oder Abschluss. Die ganzen Assessments sind gut aufs Jahr verteilt, und das viele Auswendiglernen kostet Zeit, ganz zu schweigen vom Projekt! Für Menschen mit Ehrgeiz ist dann schon mal eine Party früher zu Ende.
Fazit
Zu Beginn meines Aufenthaltes in Irland habe ich festgestellt, dass ich doch nicht so recht wusste, was da auf mich zukam. Im Ganzen war ich aber sehr mit meinem Aufenthalt zufrieden, und ich bereue es nicht, im Gegenteil, ich würde es jeder Zeit wieder tun. Dieses Studienjahr in Irland war bisher mein bestes Jahr als Student (und mein arbeitsintensivstes).