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AuslandsstudiumArgentinien

Erfahrungsbericht - Auslandsstudium in Córdoba (Argentinien)

Tim Langenbach berichtet von seinem Auslandssemester an der Universidad Nacional de Córdoba in Argentinien.

DIHK Jahresmittelstandsbericht 2013
Auslandsstudium in Argentinien: Land und Leute
Wer einen Blick auf die argentinische Geschichte wirft, wird schnell sehen, dass Argentinien im Gegensatz zu vielen seiner Nachbarn sehr große Einwanderungsströme zu verzeichnen hatte. Bis zu den Anfängen der Industrialisierung gehörte Argentinien zu den reichsten Ländern der Welt, was vornehmlich auf die extrem günstigen Produktionsbedingungen im landwirtschaftlichen Sektor zurückzuführen war. In jenen Jahren waren es hauptsächlich Einwanderer aus Europa (Italien, Spanien, Frankreich, Polen, Deutschland, Ukraine, Irland), die ins Land strömten. Dies prägt die Gesellschaft auch heute noch. Der Argentinier fühlt sich, sofern er kein direkter Nachkomme der dort ansässigen Indios (»Criollo«) ist, sehr europäisch. Viele der dort Lebenden haben Familienangehörige in Europa und nicht selten auch einen europäischen Pass. Im Allgemeinen sind die Leute dort gegenüber (europäischen) Ausländern deshalb sehr aufgeschlossen, und es ist leicht, mit Einheimischen ins Gespräch zu kommen. Gegenüber den direkten Nachbarn hingegen (Chile, Bolivien, Paraguay) bestehen einige Ressentiments. Dies resultiert - neben der besonderen Geschichte der Argentinier - vornehmlich aus Rivalitäten im Fußball, Grenzstreitigkeiten (Chile) oder wirtschaftlichen Unterschieden (Bolivien, Peru) und den damit verbundenen Problemen.

Die Argentinier sind sehr gastfreundlich. So kann aus einer kleinen Unterhaltung auf der Straße oder an der Universität schnell eine Einladung zum »Maté« (dem typischen Tee) oder zu einem »Asado« (dem landestypischen Grillen von Rindfleisch) werden. Ich persönlich muss sagen, dass ich in der ersten Woche an der Uni dort mehr Leute kennen gelernt habe als in Frankfurt in einem ganzen Semester. Das liegt neben der offenen Art der Menschen dort auch an der familiäreren Atmosphäre in den Lehrveranstaltungen. Die Studenten dort in den letzten Jahren des Studiums kennen sich alle untereinander, und man fühlt sich eher wie in einer Schulklasse. Die VWL-Studenten veranstalten hin und wieder Parties, zu denen man als Gaststudent auch direkt eingeladen wird. Auslandsstudium in Argentinien: Wohnen
Sich auf eine Entfernung von ca. 14.000 Kilometern eine Unterkunft zu besorgen ist nicht ganz einfach. Aber auch nicht so schwierig. Ich habe in den ersten zwei Wochen bei einer einheimischen Familie gewohnt, was ich mir über die Europäisch-Lateinamerikanische Gesellschaft ( www.elg-online.de) organisiert habe. Dies gibt einem zwar die Sicherheit, schon einmal zu wissen, wo man unterkommt, es ist allerdings im Verhältnis zu den Kosten, die man für eine Unterkunft vor Ort zu bezahlen hat, relativ teuer. Der Wohnungsmarkt in Córdoba ist nicht annähernd so umkämpft wie bei uns in Frankfurt, jedoch ist es als Ausländer ( je nach Vermieter) auch nicht immer einfach möglich, eine Wohnung zu mieten. Gewöhnlich wird man seine Miete daher immer im Voraus bezahlen.

Unterkunft für den Anfang findet man problemlos auch in der Jugendherberge von Córdoba ( www.cordobahostel.com.ar). Der Preis für die Übernachtung liegt dort bei ca. sechs Euro im Vierbettzimmer, Einzelzimmer gibt es keine. Die Jugendherberge ist aber jeweils nur etwa zehn Minuten zu Fuß von der Ciudad Universitaria und der Innenstadt entfernt. Eine andere Möglichkeit ist eine der Pensionen im Stadtzentrum. Deren Ausstattung ist relativ spartanisch, aber die Miete günstig. Im letzten Monat in Córdoba habe ich in einer dieser Pensionen gelebt (Montevideo 76, Albergue Estudantil Pro Cultura Córdoba, ca. 65 Euro pro Monat mit Einzelzimmer) . Der Vorteil bei solch einer Unterkunft ist, dass man relativ schnell Leute kennen lernt und die Möglichkeit hat, sehr viel Spanisch zu sprechen. Schließlich bekommt man auch ein Hotelzimmer relativ günstig in Córdoba. Die untere Preisschwelle liegt bei ca. sechs Euro pro Nacht im Einzelzimmer (z.B. Hotel Helvetia). Die Hotels liegen aber nicht unbedingt immer sehr nah an der Uni.

Zum Thema Geld: Von einer Kontoeröffnung in Argentinien kann ich nur abraten, zumal die Kontoführung sehr teuer ist. Die Miete muss ohnehin bar bezahlt werden, und in dem halben Jahr musste ich nur einmal Geld von Córdoba nach Buenos Aires transferieren, um ein Buch zu bezahlen. Solch eine Transaktion bekommt man auch relativ kostengünstig bei der Post (3 Euro). Bargeld erhält man problemlos mit der EC-Karte an allen Bankautomaten. Zur Sicherheit empfehle ich noch die Mitnahme einer Kreditkarte. Es existiert viel Falschgeld in Argentinien. Das Wechselgeld an der Kasse deshalb auf Echtheit zu überprüfen ist nichts Besonderes oder eine unfreundliche Geste. Ich würde es immer empfehlen. Gerade als Ausländer ist man willkommenes Opfer. Unter den aktuellen Wechselkursverhältnissen ist das Leben in Argentinien für einen Europäer paradiesisch. Argentinische Studierende aus weniger privilegierten Familien können dort bereits mit ca. 130 bis 150 Euro pro Monat über die Runden kommen. Als verwöhnter Europäer habe ich im Schnitt für einen Monat inklusive Miete einen Betrag von ca. 350 Euro (etwa 1000 Pesos) benötigt.

Auslandsstudium in Argentinien: Studieren
Die »Universidad Nacional de Córdoba« liegt etwas außerhalb des Stadtzentrums. Die so genannte »Ciudad Universitaria« beheimatet alle Fachbereiche außer der Juristischen Fakultät. Das Studium in Argentinien an einer öffentlichen Universität ist momentan prinzipiell studiengebührenfrei. Am ersten Tag an der Universität trifft man sich mit Frau Professorin Buraschi. Sie erklärt einem, was zu erledigen ist, um sich als Gaststudent einzuschreiben. Außerdem erhält man einen Schlüssel für einen Arbeitsraum für Tutoren und Assistenten mit zwei PCs. Die Rechner sind zwar nicht immer frei, und Lehrkräfte haben Vortritt bei der Benutzung, aber im Vergleich zu den Rechnern im Uni-PC-Pool sind sie wirklich sehr schnell und haben einen unbeschränkten Internetzugriff. In der Eingangshalle, direkt vor dem »Centro de Estudiantes«, hängen alle Kurse aus, die man belegen kann, man kann sich aber auch vorher im Internet auf der Seite der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Uni informieren.

Die Uni wird in drei Schichten genutzt: Es gibt einen »turno mañana«, einen »turno tarde« und den »turno noche«. Die frühestens Kurse beginnen um 8 Uhr, die spätesten um 21 Uhr (bis 23 Uhr). Ich hatte ausschließlich Kurse im »turno noche«, was bedeutete, dass keine Veranstaltung vor 17 Uhr begann. Das war zwar anfangs relativ gewöhnungsbedürftig, aber da die Argentinier sowieso ganz andere Zeiten für ihren Tagesablauf haben, gewöhnt man sich sehr schnell auch daran. Für den Fall, dass man sich in Córdoba Kurse anerkennen lassen möchte, kamen für Frankfurter Studenten nur Kurse aus dem 4. und 5. Studienjahr in Frage, die in der Regel immer im »turno noche« und manchmal im »turno tarde« liegen. Im Gegensatz zu Frankfurt existiert neben den Studienrichtungen Betriebswirtschaftslehre und Volkswirtschaftslehre auch der Studiengang »Contador Publico«, was in etwa einem BWL-Studium mit Schwerpunkt Rechnungswesen entspricht.

Hat man sich für seine Kurse entschieden, so ist es ratsam, in der ersten Stunde den direkten Kontakt mit dem Professor zu suchen. Da es nicht so viele außersüdamerikanische Austauschstudierende in Córdoba gibt, bekommt man von Seiten der Professoren deshalb generell ein positives Feedback und bestimmt ein paar wichtige Tipps zur Organisation des jeweiligen Kurses. Hat man einmal etwas wirklich nicht verstanden, sind die Assistenten oder Professoren immer gerne bereit weiterzuhelfen.

Die Literatur, die man zum Studieren benötigt, findet man meistens nicht in der Bibliothek (die aufgrund der ungünstigen Situation des argentinischen Staatshaushalts schon seit einiger Zeit nicht mehr ausreichend mit finanziellen Mitteln versorgt wird), sondern in der »Fotocopiadora« oder der »Box De Apuntes«. Die »Fotocopiadora« befindet sich rechts auf dem Campus direkt hinter dem Gebäude der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät. Die »Box de Apuntes« ist im Erdgeschoss des WiWi-Gebäudes angesiedelt. Zu jedem angebotenen Kurs oder Seminar gibt es dort ein kleines Informationsheft für ca. 10 Eurocent für die, die genauer wissen möchten, was sich hinter den einzelnen Lehrveranstaltungen verbirgt, welche Literatur verwandt wird und wie die Organisation (Leistungsnachweise etc.) im Einzelnen aussieht. Skripte zu Vorlesungen erhält man ebenfalls in der »Box de Apuntes«, während die begleitende Literatur in der »Fotocopiadora« erhältlich ist. Dort hat jedes Fach seine eigene Kiste mit Material, aus der man sich dann heraussucht, was man kopiert haben möchte. Dahingehend ist der Service an der UNC ziemlich traumhaft: Man muss sich beinahe nichts selbst kopieren und wird stattdessen bedient. Hat man mal einen zu großen Berg an Kopien auf einmal, kann man sogar einen Auftrag hinterlassen und sich dann bequem später oder am nächsten Tag seine Materialien abholen.
Auslandsstudium in Argentinien: Leben
Thema Sprache: Wer nach Argentinien geht, sollte nicht erwarten, dass er dort eine reine Form des Hochspanischen vorfindet. Ein wichtiger Unterschied sind die zahlreichen Modismen (Wörter, für die man im Wörterbuch keine Erklärung findet und die nach einigen Jahren wieder durch neue ersetzt werden). Die Neigung zur Kreation von Modismen ist in Argentinien so ausgeprägt, dass sich manchmal Leute aus verschiedenen Regionen nicht auf Anhieb verstehen. Normalerweise wird man auch mit einem »spanischen Akzent« verstanden, jedoch sehen sehr viele Argentinier die argentinische Form des »Castellano« als ästhetischer an, was sich auch darin spiegelt, dass alle Zeitungen in dieser Form gedruckt werden. An der Universität gibt es übrigens keine Sprachkurse für Ausländer wie in einigen Erasmus-Programmen. Wer gerade für den Anfang einen Sprachkurs sucht, findet so etwas bei den Sprachschulen (z.B. »ELG«, »Coined« oder an auch an der Facultad de Lenguas der UNC). Diese Kurse sind in der Regel allerdings relativ teuer. Eine weitere Möglichkeit, Unterstützung zu finden, ist ein Aushang an der Facultad de Lenguas, eine Kleinanzeige in der Regionalzeitung »Voz del Interior« oder die Suche im Bekanntenkreis. Dies ist sehr viel günstiger als die Variante bei einer Sprachschule, auch wenn man so kein Zertifikat über die genommenen Stunden erhält.

Thema Arbeit: Als ausländischer Student in Córdoba eine Arbeit zu finden ist nicht leicht. Im Anschluss an mein Studium habe ich dort ein sechswöchiges Praktikum im Research-Institut der Börse absolviert. Einblick in das Arbeitsleben dort zu bekommen und zu sehen, wie die Leute trotz der oft unzureichenden Mittel trotzdem immer einen Weg finden, war eine der interessantesten Erfahrungen. Das Praktikum wurde allerdings nicht entlohnt. Unbezahlt eine Beschäftigung zu finden ist natürlich nicht ganz so kompliziert. Wer sich aber auch dafür interessiert, kann schon im Vorfeld bei größeren Unternehmen anfragen. Beispielsweise haben Siemens, Sachs und Volkswagen Niederlassungen in Córdoba. Thema Wetter: Wer plant, nur für ein Semester nach Córdoba zu gehen, sollte dabei bedenken, dass es dort Winter ist, wenn wir Sommer haben, d.h. man hat entweder drei Sommer oder drei Winter am Stück. Der Winter in Córdoba ist aber nicht mit denen hier zu vergleichen. Selbst im kältesten Monat Juli ist es selten wirklich kalt, und tagsüber erreicht man noch Temperaturen um knapp 20 Grad. Schnee fällt nur manchmal in den umliegenden »Sierras de Córdoba«. 

Thema Ausgehen: Was das Nachtleben in Córdoba betrifft, so lässt die Stadt nur wenige Wünsche offen. Im Vergleich zum Nachtleben in Frankfurt gibt es dort unglaublich viele Kneipen, Clubs, Discos oder sonstige Möglichkeiten, sich die Nacht zu vertreiben. Wer Frankfurts anonyme Clubszene gewohnt ist, dem wird es dort ein wenig vorkommen wie im Paradies. Alles läuft viel gemütlicher ab. Clubs, die Eintritt nehmen, sind eher die Ausnahme, und wenn dies doch der Fall ist, bekommt man für seinen Eintritt meist ein Getränk inklusive.

Über den Autor
Tim Langenbach studiert im 8. Fachsemester Volkswirtschaftslehre im Schwerpunkt internationale Wirtschaftsbeziehungen und Wirtschaftsentwicklung an der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Im Rahmen der internationalen Partnerschaften des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaften der Uni Frankfurt verbrachte er 2003 ein Semester an der Universidad Nacional de Córdoba sowie im Studienjahr 2004/05 zwei Semester an der Université Lyon 2.