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AuslandsstudiumKanada

Erfahrungsbericht Auslandsstudium in Kanada: Ein Semester in Toronto

Tim Thabe verbrachte acht Monate an der Schulich School of Business.

Eine wehende kanadische Flagge.

Auslandsstudium in Kanada
Dieser Bericht ist eine Zusammenfassung meiner Erfahrungen an der SSB in Toronto. Er enthält einige Ratschläge über vieles, was ich auch gerne vorher gewusst hätte. Insofern richtet er sich an den Studenten und die Studentin, die auf dem Weg nach Kanada sind. Er sollte aber auch für diejenigen nützlich sein, die sich noch mit dem Gedanken tragen, ins Ausland zu gehen.

Vorbereiten
Nachdem ich das für mich positive Ergebnis des Auswahlverfahrens erfahren hatte, begannen für mich und die vier anderen, die mit mir nach Toronto gehen sollten, die Vorbereitungen. Das heißt in erster Linie auf die Jagd gehen nach Anerkennungen für diverse Module, die im Ausland zu erbringen sind. Ich habe mir eine »Spezielle BWL« und vier Module anerkennen lassen bzw. die entsprechenden Learning Agreements besorgt. Plant hierbei nicht zu knapp: Wenn ihr das alles neben eurem normalen Stundenplan unterbringen wollt, gehen gut vier Wochen ins Land.

Bedenken müsst ihr dabei, dass ihr die Professoren meist persönlich aufsuchen müsst und entsprechend vorbereitet sein solltet. Nicht jeder Vorschlag wird angenommen, und nicht selten müsst ihr eure Wahl begründen. Denkt daran, dass ihr eure Kurse an der SSB frühzeitig (von Deutschland aus) wählen müsst. Euch wird bei der Kurswahl Priorität eingeräumt, aber es ist auf jeden Fall besser, wenn eure Wahl frühzeitig fest steht und ihr nicht mehr in Toronto anfangen müsst, Kurse zu tauschen, das gilt insbesondere für die »Speziellen«, die im Fünferpack erfüllt werden müssen.


Wenn ihr also alle Anerkennungen besorgt und eure Kurse gewählt habt (die neueste Liste alle verfügbaren Kurse ist immer im Internet auf der York-Site (www.ssb.yorku.ca) und diese auch zustande kommen (wenn ihr nichts mehr hört), habt ihr das geschafft. Spätestens dann solltet ihr euch um euer Visum kümmern. Ich musste feststellen, dass hierfür mehr Zeit verloren geht, als ich dachte. Es ist im Internet nicht eindeutig zu erkennen, aber für ein Studierendenvisum braucht ihr ein polizeiliches Führungszeugnis, wenn ihr länger als sechs Monate im Land seid, was in meinem Fall zutraf. Also müsst ihr zum Ordnungsamt der Stadt, in der ihr gemeldet seit. Das Führungszeugnis braucht etwa drei bis vier Wochen, um anzukommen. Dass das auch schneller geht, nämlich in einer bis zwei Wochen, sagen einem die Beamten nur dann, wenn man vor Verzweiflung fast zusammen bricht, und auch dann nur auf die zwanzigste Nachfrage. Gegen einen Kostenbeitrag von ca. 5 Euro wird der Antrag direkt nach Berlin gefaxt und bleibt nicht noch zwei Wochen liegen, bis der nächste Briefumschlag voll ist. Dann geht die Sache schneller. Na ja...


Neben dem Führungszeugnis braucht ihr noch eine Bestätigung der Bank, dass ihr genug Geld für den Aufenthalt habt. Eine Kostenaufstellung bekommt ihr von der SSB zugeschickt, den Betrag müsst ihr euch auf jeden Fall bestätigen lassen. (Hier sei eine kleine Bemerkung gestattet: Jeder der fünf Mannheimer in Toronto hat sein Budget bei weitem überzogen, Toronto ist wesentlich teurer als Mannheim und auch als der Rest Kanadas. Der schwache Euro hat ein Übriges dazu beigetragen, dass Toronto, trotz erlassener Studiengebühren, ein sehr teurer Spaß für uns alle war.) Dann müsst ihr dem Visumsantrag noch einen bankbestätigten Scheck beifügen - ein Verrechnungsscheck von dem Konto, auf das sich die Bankbestätigung für die Lebenshaltungskosten bezieht, reicht nicht aus (eigene Erfahrung, nach vier (!) Wochen kam ein Zettel von der Kanadischen Botschaft mit dem Vermerk, dass der Antrag ohne bestätigten Scheck nicht bearbeitet werden kann, eine Woche vor Abflug!). Wenn ihr das alles durchgestanden habt und eurer Visum erhaltet, müsst ihr nur noch packen.

Zu diesem Punkt kurz das Folgende: Obwohl Kanada im Winter sehr kalt werden kann, ist es mit großer Wahrscheinlichkeit zu dem Zeitpunkt eurer Ankunft im September noch relativ warm. Temperaturen bis zu 40° C sind auch im kanadischen Sommer anzutreffen, manchmal sogar noch im September. Vergesst also Sommerklamotten nicht, wenn auch in Maßen. Die könnt ihr an Weihnachten, so ihr denn nach Hause fliegt, alle wieder nach Deutschland mitnehmen - bis ihr im April nach Hause fahrt, wird es nicht mehr warm. Ansonsten nehmt alles mit, was ihr für unverzichtbar haltet, aber denkt daran, dass ihr einiges mehr an Gepäck wieder mit nach Hause nehmen müsst, als ihr mit hinnehmt - nicht zuletzt alle Bücher, die ihr euch dort kaufen müsst.

 

Auslandsstudium in Kanada: Ankommen
In Kanada angekommen, werdet ihr wahrscheinlich abgeholt. Falls nicht, solltet ihr eine Limousine nehmen und kein Taxi, da besser und billiger (Airport bis Uni ca. $ 25). An der Uni angekommen, erhaltet ihr eure Schlüssel vom Housing Office, aber das steht alles in den Unterlagen, die ihr bekommen werdet.

Zur Wahl stehen zwei Wohnalternativen auf dem Campus, Assiniboine Rd. und Passy Garden. Passy Garden ist etwas teurer, aber sehr viel schöner. Wir haben dort leider keinen Platz bekommen und sind daher alle in Assiniboine gelandet. Kein Beinbruch - aber bewerben solltet ihr euch für Passy Garden.

Die offizielle Begrüßung der Austauschstudenten war am 1. September, eine Woche vor dem Beginn des Unterrichtes an der Uni. Ich würde keinem dazu raten, später nach Toronto zu kommen, diese eine Woche war sehr schön und gerade genug Zeit, sich zu orientieren. Es waren im Herbstsemester ca. 50 Austauschstudierende aus anderen Ländern an der SSB, und die erste Woche diente hauptsächlich zum Kennenlernen.

Der Spaß kam allerdings auch nicht zu kurz. Es wird traditionell von der Uni nach der ersten Woche ein Wochenendausflug nach »Grandview« organisiert, eine Freizeitanlage ca. zwei Stunden außerhalb Torontos an einem See gelegen. Ich würde auf jeden Fall allen raten, daran teilzunehmen. Wir hatten viel Spaß, und es ist sehr wichtig, von Anfang an alle kennen zu lernen.

 

Auslandsstudium in Kanada: Studieren
Der Unterricht selber findet in wesentlich kleineren Gruppen statt, als man das von Deutschland her gewohnt ist. Der Ablauf ist am ehesten noch mit einem Seminar zu vergleichen. Da wir an unsere Learning Agreements gebunden sind und fast alle Professoren aus Mannheim nur Kurse anerkennen, die eine 6000er Nummer haben, waren wir immer mit Studierenden zusammen, die sich bereits in ihrem zweiten Jahr im MBA-Programm befinden.

Die 5000er-Kurse sind die sogenannten Core-Courses, die im ersten Jahr gehalten werden und den MBA-Studenten, die nicht alle eine betriebswirtschaftliche Vorbildung haben, einen Überblick über das Fach vermitteln. Die 6000er Kurse nehmen daher allerdings keine Rücksicht darauf, dass die Austauschstudenten erst seit einer Woche im Land sind, wenn der Unterricht beginnt. Es kann also durchaus sein, dass nach zwei Wochen die ersten prüfungsrelevanten Leistungen in Form eines Essays einzureichen sind.

Die Prüfungsleistungen sind von Kurs zu Kurs unterschiedlich und sehr vielfältig. Mündliche Mitarbeit und Anwesenheit werden genauso bewertet wie einzureichende Fallstudien, Präsentationen, Gruppenarbeit und auch Klausuren. Wichtiger Tipp: Bildet keine Arbeitsgruppen mit anderen Austauschstudenten! Dies hat mehrere Gründe. Zum ersten haben die auch nicht mehr Ahnung von Kanada als ihr, und die Aufgabenstellungen sind zum Teil landesspezifisch. Zum zweiten müssen alle anderen Austauschstudenten ihre Kurse nur bestehen, während wir unsere Noten umgerechnet bekommen.


Ihr könnt euch eventuell denken, wer dann am Ende die Arbeit macht und wer Zeit hat, sich das Land anzusehen. Ich spreche hier aus schmerzlicher Erfahrung. Kurse zu bestehen ist an der SSB kein Problem, eine gute Note zu bekommen aber um so mehr. Der Durchschnitt aller Kurse hat nach MBA-Ordnung nicht höher als B+ zu sein, das entspricht in Mannheim ungefähr einer 2,8. Die Noten werden normalverteilt, es sind daher meist nicht mehr als 10 Prozent der Studierenden im A-Bereich. A+ und A sind sehr selten, ein A- entspricht ca. einer 2,2 in Mannheim. Alle, die bessere Noten in Toronto haben wollen, werden sich auf sehr viel Arbeit einstellen müssen, aber keine Angst, wie gesagt, durchfallen ist kein Thema, wenn man sich etwas anstrengt. Was ich jedem empfehlen würde, ist die Anschaffung eines Notebooks. Es geht sicherlich auch ohne (es gibt 24-Stunden-Computerpools), aber es ist ungleich schwerer, da man nicht auf seinem Zimmer arbeiten kann und in den Pools auch nachts relativ viel Betrieb ist.

Die normalen Arbeitstage an der SSB sind relativ lang, insbesondere weil die meisten 6000er-Kurse abends von 19 bis 22 Uhr gehalten werden. Das ist der Fall, weil viele Studierende Teilzeit studieren und nebenbei arbeiten. Die Unterrichtseinheiten sind immer drei Stunden, beginnen morgens um 8.30 und enden, wie gesagt, abends um 22 Uhr. Fünf Kurse bedeuten fünf Einheiten à 3 Stunden pro Woche. Das hört sich relativ wenig an, beinhaltet aber noch nicht die Vorbereitung für die Kurse. Die besteht aus relativ umfangreicher Lektüre, vorzubereitenden Fallstudien und meistens einem semesterbegleitenden Gruppenprojekt. So können in Spitzenzeiten noch mal locker 20 Stunden pro Kurs an Vor- und Nachbereitung hinzukommen. Wer an der SSB fünf Kurse pro Semester machen und gute Noten erzielen möchte, wird von dem Land selber wahrscheinlich nicht allzu viel mitbekommen. Auch diese Erkenntnis resultiert aus eigener Erfahrung. Nichtsdestotrotz werdet ihr sehr viel lernen, insbesondere das Umgehen mit anderen in einer Gruppe, das Halten und Vorbereiten von Präsentationen, das freie Reden vor einer Gruppe in einer Fremdsprache und das Verteidigen eurer Ergebnisse.

 

Auslandsstudium in Kanada: Leben
Alles in allem haben wir trotz der hohen Belastung an der Uni sehr viel Spaß gehabt. Toronto ist ein Erlebnis und mehr als nur eine Reise wert. Auf den ersten Blick erscheint die Stadt kalt und langweilig, aber wenn man weiß, wohin man gehen kann, findet man das pulsierende Leben. Im Gegensatz zum Rest des Landes sind die Weißen in Toronto in der Minderheit. Die ethnische Vielfalt und kulturelle Diversität macht den besonderen Reitz dieser Stadt aus, der insbesondere die vielen eingewanderten Chinesen ihren Stempel aufdrücken.


Wer die wenigen Schritte nach Chinatown geht, wird sich in einer anderen Welt wiederfinden, die zu beschreiben im Rahmen dieses Berichtes alle Formate sprengen würde. Nur soviel sei gesagt: Nachdem wir Chinatown entdeckt hatten, gab es keinen Samstag, der nicht im Excellent, einem kleinen chinesischen Restaurant im Herzen Chinatowns geendet hätte. Die glücklichen unter den Lesern, die nach Toronto kommen, sollten einmal »General Tao’s Chicken« im Excellent probieren, am besten nach einer Nacht in einem der vielen guten Clubs in Torontos Party District.


Beispielhaft seinen hier das Indian Motorcycle oder The Drink genannt, wobei sich die Szene, wie in jeder anderen Großstadt dieser Welt, natürlich mit der Zeit ändert und mittlerweile andere Läden angesagt sein könnten. Da die Haupstudienzeit - und damit die Zeit des Studienaustausches - in den Winter fällt, kann man natürlich seine Freizeitaktivitäten auch outdoors in den kanadischen Winter verlagern. Eine Tour mit einem Schneemobil ( ski-doo) durch einen Naturpark wird man allein schon wegen der Umweltschutzbestimmungen in Deutschland nicht realisieren können. Ein unglaublicher Spaß ist es allemal. Wer die Parks im Winter ohne das schlechte Umweltgewissen erleben möchte, kann eine Hundeschlittentour machen, auch das ist ein unvergleichlicher Spaß, wenn auch etwas anstrengender als die Motorschlitten.


Skifahren ist in Ontario ebenfalls möglich, wenn auch wegen der mangelnden Berge nicht vergleichbar mit den Möglichkeiten im Westen Kanadas in Alberta oder British Columbia. Wer Spaß am Skifahren hat und es einrichten kann, sollte während der reading week im Februar nach Westen fliegen, um das Skifahren in den Rocky Mountains zu erleben. Empfehlen kann ich aus eigener Erfahrung Banff/Alberta in der Nähe von Calgary ( www.discoverbanff.com), das sprichwörtliches champaigne-powder zu fairen Konditionen bietet. Das Skigebiet befindet sich hier (in Deutschland wohl undenkbar) in einem wunderschönen Nationalpark. Banff ist nicht so weit weg und auch nicht so teuer wie das wohl bekanntere Whistler/British Columbia, aber vom Schnee her besser (Whistler liegt am Pazifik und hat nasseren Schnee, eher wie in der Alpen). Daher wird Banff von den meisten Kanadiern Whistler gegenüber vorgezogen.


Wer im Herbst eine Tour unternehmen möchte, sollte im Indian Summer mit dem Kanu durch den Algonquin Park fahren, auch das war ein Erlebnis, das ich nie vergessen werde. Allein die Tatsache, dass dort Tiere herumlaufen, die wir Europäer nur aus dem Zoo kennen, z.B. Bären, dürfte in Erinnerung bleiben. Allerdings sollte man sich vorher eingehend über das Verhalten im Park informieren, weil dort der Mensch nicht, wie in Europa, immer das letzte Glied in der Nahrungskette ist ;-)


Fazit
Ein Aufenthalt im Ausland lohnt sich in jeder Beziehung, insbesondere weil er Erinnerungen und Freundschaften schafft, die lange halten, wenn alle Mühen längst vergessen sind. Wer die Gelegenheit bekommt, über den Tellerrand hinaus zu sehen, sollte sie nutzen, egal wohin die Reise letztlich geht.


Der Autor
Tim-Oliver Thabe ist nach seinem Kanada-Aufenthalt nach Deutschland zurückgekehrt, um seinen Abschluss als Diplom-Kaufmann an der Uni Mannheim zu machen. Seit Oktober 2001 arbeitet er dort als wissenschaftlicher Angestellter am Lehrstuhl für ABWL und Finanzierung ( fin.bwl.uni-mannheim.de). Sein Forschungsschwerpunkt ist das Thema »Kreditrisiko bei Informationsasymmetrie«, in der Lehre ist er im Hauptstudium im Bereich Corporate Finance tätig.


Tim Thabes Affinität zu Kanada ist allerdings schon vor seinem Studium entstanden: 1993/94 war er Austauschschüler an der Lakefield College School (www.lakefieldcs.on.ca ), einem Internat in der Nähe von Toronto.