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Berufs- & Studienwahl Studienwahl

Berufs- und Studienwahl: Interview mit Wolf-M. Catenhusen (MdB)

Den Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung befragten Martin Hellwig und Jörg Tebbe zu den Themen Studienwahl und Berufswahl, Schlüsselqualifikationen von Führungskräften und den Wert eines Studiums der Wirtschaftswissenschaften.

Parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung

Studienwahl und Berufswahl

Würden Sie ein Studium, eine Ausbildung oder beides empfehlen? Was raten Sie Abiturienten, die ins Management von Unternehmen wollen?
Es gibt Leute, die den Weg über ein direktes Studium gewählt haben, andere haben nach dem Abitur eine Ausbildung in einem Unternehmen gemacht. Heute zählt mehr, was man persönlich an Qualifikationen erwirbt, als der formale Bildungsabschluss. Das hat sich sicherlich in den letzten dreißig Jahren stark verändert. Ein Studium im Bereich der Wirtschaftswissenschaften beurteile ich nach wie vor als sehr positiv.

Wie sollte sich ein Abiturient verhalten, der nach seinem Schulabschluss nicht weiß, ob er eine Ausbildung machen, ein Studium beginnen oder ein Jahr ins Ausland gehen soll?
Besser ist natürlich, wenn man sich schon vor dem Abitur etwa durch Praktika überlegt, wo man Stärken hat. Es ist immer noch ein Problem, dass sich das Gymnasium sehr wenig als Institution begreift, die an der Berufsfindung teilhat. Es geht nicht nur darum, den Zugang zu einem Studium zu ermöglichen.

Aber wenn man nach dem Abitur noch nicht weiß, wo es lang gehen soll, hat man zwei Möglichkeiten: Die eine ist, man fängt ein Studium an, testet dabei vielleicht etwas breiter aus als gewöhnlich in dem Fach, das man gewählt hat, und riskiert damit einen Studienwechsel nach dem ersten, spätestens nach dem zweiten Semester. Oder man nutzt dieses Jahr über Praktika oder Auslandsaufenthalte, sich selbst in einer ungewohnten Umgebung und ungewohnten Qualifikationsanforderungen zu testen. Was der richtige Weg ist, kann man nur individuell entscheiden.

Also ist ein Studienabbruch keineswegs mit solchem Schrecken besetzt, wie häufig angenommen wird?
Man muß hier zwischen Studienabbruch und Studienwechsel unterscheiden. Meine Tochter hat auch nach zwei Semestern ihr Studienfach gewechselt, was für mich kein Problem war. Wenn man ein Studienfach gewählt hat und sich in den ersten zwei Semestern auch in anderen Fächern umschaut und sich nicht nur auf sein eigenes Fach konzentriert, halte ich das für richtig.

Ich bin sehr dafür, dass Studiengänge heute schneller studierbar werden. Aber ich glaube, dass eine Investition in eine Studienwahl, auch wenn sie nach zwei Semestern mit einem Studienfachwechsel verbunden ist, nicht falsch ist. Schlimmer sind die hohen Abbrecherquoten in den deutschen Studiengängen, die z.T. erst nach dem Grundstudium passieren.

 

 

Ihre Empfehlung lautet also, sich in den ersten zwei Semestern auch mal in anderen Studiengängen umzuschauen?
Auf jeden Fall. Man muss ja heute auch wissen, dass wir künftig ganz andere Studiengänge erleben werden, d.h. dass derjenige, der im Grundstudium oder im Bachelor Wirtschaft studiert, im Master noch ein Informatikstudium draufpackt, um über diese Kombination eine Mehrfachqualifikation zu erwerben. Solche Additionen von verwandten Fächern werden wir in der ersten und zweiten Studienphase sehr viel stärker erleben.

Also eine Tendenz zu einer breiteren Bildung anstatt zu einer klaren Spezialisierung?
Ich glaube, dass der Arbeitsmarkt von jungen Leuten heute eine breitere Qualifizierung wünscht. So wie ich es sehe, sind die Zeiten vorbei, in denen die möglichst intensive Auseinandersetzung mit einem sehr schmalen Gebiet als ein Zeichen besonderer Exzellenz gilt.

Ist das Wirtschaftsstudium wegen der breiten Ausrichtung besonders geeignet?
Durchaus.

Sie erwähnten, dass heutzutage neben dem Wirtschaftsstudium noch etwas dazu kommen müsse. Was sind denn die Zusatzqualifikationen, die noch erworben werden sollten?
Auslandserfahrung natürlich, außerdem soziale Kompetenzen wie Teamfähigkeit oder der Nachweis von Eigeninitiative und Kreativität. Ich glaube, heute fragen Unternehmen auch immer stärker nach dem, was man neben seinem Fachstudium an Eigeninitiative erbracht hat. Ob man ein eigenes Projekt gemacht hat. Ob man sich z.B. auch in der Hochschulpolitik engagiert. Das wird heute immer stärker herangezogen. Man will sich ein umfassenderes Bild von der Persönlichkeit eines Absolventen machen.

 

 

Inwiefern sollten die Anforderungen der Wirtschaft bei der Ausbildung berücksichtigt werden?
Es gibt eine alte Lehre, die besagt, dass es kein Anforderungsprofil gibt, dass dem Studenten, der anfängt zu studieren, garantiert, auch während seines Studiums unverändert zu bleiben. Die Anforderungsprofile, übrigens auch der Nachwuchsbedarf, ändern sich in den Köpfen der Unternehmen schneller, als man denkt.

Studierende müssen aufpassen, neben einer exzellenten fachlichen Ausbildung auch ein breiteres Profil von individuellen Leistungen zeigen zu können. Das sind etwa Fremdsprachen oder Auslandserfahrungen in eigener Aktivität.


Die Ausbildung steht vielfach nicht in Relation zu der späteren Tätigkeit. Sind das nicht strukturelle Mängel der akademischen Ausbildung?
Es ist keine Frage, dass heute die sehr viel praxisorientierteren Studiengänge der Fachhochschulen sehr attraktiv sind. Im Bereich der Universitäten wird jedoch eine Frage zu beantworten sein: Wie stark wird der erste Studienabschnitt, der mit einem Bachelor-Abschluss enden wird, künftig berufsvorbereitenden Charakter haben?

Ich erwarte von der Einführung der Bachelor- bzw. Master-Abschlüsse im Bereich der Wirtschaftswissenschaften eine stärkere Praxisorientierung des ersten Studienabschnittes. Ich glaube, dass wir nach wie vor dieses wissenschaftliche Studium brauchen, aber es muss stärker durch Praktika und Kurse, die spezielle Zusatzqualifikationen wie Fremdsprachen vermitteln, begleiten werden.

Wie schätzen Sie die Bedeutung von Computer- und Internetkenntnissen für Wirtschaftsstudenten ein?

Die Nutzung des Internets und intensiver EDV-Kenntnisse sind in der Wirtschaft Standard. Jemand, der in einer Führungsposition in einem Unternehmen steht, braucht diese Kenntnisse. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert daher mit über 50 Millionen Euro pro Jahr die Konzeption von Studiengängen, die einen starken Anteil internetgestützten Lernens haben. Wir unterstützen mit Bundesmitteln auch multimediagestützte Studienkonzepte, in denen es zu einer sinnvollen Mischung zwischen Präsenzstudium und internetgestütztem Lernen kommt. Ich denke, wenn man das im Studium selbst praktiziert, ist das der sinnvollste Weg. Eine sinnvolle Mischung aus klassischem Studium und eigenem Lernen unter Nutzung von Multimedia ist der spannendste Weg des Lernens.

 

Wann wird es die erste virtuelle Universität ähnlich der Fern-Uni Hagen geben?
Was wir zur Zeit favorisieren, ist, dass man das multimediagestütze Studium in Studiengängen einsetzt, die zwischen verschiedenen Universitäten entwickelt werden. Da ist die Universität Münster bundesweit mit führend.

Der zweite Schritt ist die Notebook-University, d.h. wir wollen Modelle bis hin zur Hardware-Ausstattung unterstützen, in denen Studenten die Chance haben, in einem sehr pragmatischen und vernetzten System sowohl zu Hause als auch an der Uni zu lernen.

Der dritte Weg ist der zur virtuellen Universität. Das bedeutet aber, dass es jetzt keine neuartige Universität gibt, die aus dem Boden gestampft wird, sondern dass man etwa im Sinne eines berufsbegleitenden Studiums weitgehend multimediagestützt das Studium absolvieren kann. Die Fernuniversität Hagen entwickelt sich zu einem Gesamtangebot einer virtuellen Universität. Es kann aber durchaus sein, dass die Unis, die sich in manchen Fächern besonders fit fühlen, ein virtuelles Angebot zum berufsbegleitenden Studium machen. Die Chancen der virtuellen Uni liegen in Deutschland vor allem auch im Bereich der Weiterbildung.

Wie erklären sie sich ihren eigenen beruflichen Erfolg? Haben Sie eine Karrierestrategie verfolgt?
Nein, ich bin da eigentlich völlig untypisch. Ich habe nach dem Abitur überlegt, ob ich Latein und Geschichte oder Mathematik und Physik auf Lehramt studiere. Für mich hat den Ausschlag für Latein und Geschichte der fehlende Einblick in das gegeben, was man mit Mathe und Physik außerhalb des Lehrerberufes machen kann. Ich habe dann mit Mitte dreißig die unverhoffte Chance gehabt, mich durch den Einstieg in die Politik wieder in Themenfelder und Aufgaben einzuarbeiten, die meiner alten Neigung entsprachen: Wissenschaft, Forschung und Naturwissenschaft.

Welche Empfehlung geben Sie Studenten mit auf den Weg?
Ein Studium wählen, mit dem man sich identifizieren kann, indem man Spaß hat. Nach jedem Fachstudium stehen viele Berufsfelder zur Verfügung. Wie sich die Persönlichkeit entwickelt, das gibt heute sehr viel mehr den Ausschlag dazu, ob man einen guten Job bekommt.

Ein akademisches Studium ist nach wie vor die beste Garantie gegen Arbeitslosigkeit. Trotz aller Unkenrufe über die Akademikerschwemme ist der akademische Abschluss eine gute Garantie für eine interessante berufliche Tätigkeit.