Es gibt zwei völlig verschiedene Arten von Beziehungen, die man strikt trennen muss:
Art 1: Du hast in einem Job / einer Aufgabe hervorragende Leistungen gebracht und bist dadurch bei einflussreichen Leuten als besonders kompetent und lösungsorientiert aufgefallen. Das kann schon im Studium passiert sein (Praktikum, Projekt, Präsentation, Workshop, zufällige Bekanntschaft...) oder eben im Beruf. Diese Leute empfehlen Dich weiter, wenn sie von einer interessanten Position hören, oder rekrutieren Dich sogar aktiv in ihren Stab als Treiber wichtiger Projekte. Da auch dort die Sichtbarkeit entsprechend hoch ist, geht die Karriere schrittweise nach oben. Ist diese Art von Beziehungen "fair" im Sinne von Chancengleichheit und leistungsorientierten Erfolgen? Ja, ist sie. Weil die Beteiligten dabei streng wirtschaftlich handeln und gute Leistung fördern.
Art 2: Dein Vater oder Deine Mutter hat einen Posten in einer großen Firma (evtl. sogar Geschäftsführung) und hat dort Kontakt mit den Entscheidungsträgern anderer Firmen. Aus Gefälligkeit bieten die Geschäftspartner an, Dich irgendwo "unterzubringen". Nach dem Prinzip "Eine Hand wäscht die andere" folgen dann abwechselnd weitere Begünstigungen. Das Motiv dahinter ist eine Mischung aus Korruption und Vertrauenspflege. Korruption, weil hier Geschäftsbeziehungen zum eigenen (privaten) Vorteil ausgenutzt werden. Vertrauenspflege, weil der Sohn oder die Tochter des guten Freundes immer loyal und hörig sein wird, zumindest solange die Freundschaft der Eltern besteht. Und wenn die Geschäftsbeziehung viele Millionen Euro umfasst, sind die paar Euro für das Gehalt des Begünstigten zu verschmerzen. Ist diese Art von Beziehung "fair"? Sicherlich nicht, weil hier nicht die Leistung im Vordergrund steht, sondern die Hoffnung auf eine Gegenleistung, die aber nicht mit der Begünstigung in einem direkten Bezug steht.
Vor Menschen mit Beziehungen der Art 1 muss man Respekt haben. Diese Beziehungen fallen nicht vom Himmel, sie sind erarbeitet. Auch wenn es oft nach Vetternwirtschaft aussieht, dass "schon wieder" der Herr oder die Frau Soundso eine Aufgabe oder einen Job an Land gezogen hat, so ist die gute Leistung die Grundlage der Karriere.
Beziehungen der Art 2 sind stets anrüchig und kein Zeichen von Erfolg. Zwar mögen sie kurzfristig zu einem guten Posten oder einem höheren Einkommen führen, aber niemals nachhaltig. Auch der beste Brötchengeber kann es sich auf Dauer nicht leisten, Minderleister zu beschäftigen. Spätestens wenn der eigentliche Grund der Großzügigkeit wegbricht, endet auch das Wohlwollen gegenüber den Begünstigten. Und eine Gefahr für echte Leistungsträger sind diese Leute auch nicht. Die berufliche Leistung heutzutage ist viel zu transparent, um Minderleistungen nachhaltig zu verstecken. Die Begünstigten dieser Art können ihre Position in der Hierarchie nur dadurch retten, dass sie ihrerseits wiederum Begünstigungen weitergeben und sich so ein Heer aus loyalen Zöglingen schaffen, die zwar nix können, aber aus Dankbarkeit nicht aufmucken.
Ich würde von mir behaupten, dass mir Beziehungen der ersten Art schon das eine oder andere Mal im Berufsleben in kleinen Schritten geholfen haben. Zum Glück aber immer nur deshalb, weil Leistungsmerkmale oder konkrete Fähigkeiten im Vordergrund standen, die gesucht wurden. Ein echtes Netzwerk ist das noch lange nicht. Aber vielleicht wird das ja mal eines. Man muss sich allerdings auch dessen bewusst sein, dass das "Geben" in diesen Netzwerken mindestens genauso groß sein sollte wie das "Nehmen", sonst funktioniert die Sache nicht.
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