Als BWLer hat man eine sehr große Bandbreite von Möglichkeiten, insbesondere, wenn man in den ersten Berufsjahren nach dem Studium sein Organisationstalent, seine Zielstrebigkeit und sein kaufmännisches Geschick weiterentwickelt hat.
Ich würde deshalb empfehlen, direkt nach dem Studium nicht sofort seinen absoluten Traumberuf in der Traumbranche anzustreben, sondern erstmal für ein paar Jahre dort zu arbeiten, wo man sich von einem guten Theoretiker zu einem guten Praktiker weiterentwickeln kann. Normalerweise ist es sinnvoll, dabei einen Fokus auf sein Kernfach zu legen. Wer also Marketing studiert, der sollte nach dem Studium für 2-3 Jahre ins Marketing oder in den Vertrieb eines erfolgreichen Unternehmens (z.B. Konsumgüter), um dort zu lernen, wie die vielen schönen Marketinginstrumente in der Praxis erfolgreich angewendet werden. Das ist eine hervorragende Schule für später.
Gerade Vertrieb ist eine harte, aber sehr lehrreiche Tätigkeit, von der man sein Leben lang profitieren wird. Man lernt, wie Kunden denken. Man lernt, wie sich Verkaufsdruck anfühlt. Man lernt, dass ein Geschäft erst dann abgeschlossen ist, wenn der Vertrag wirklich unterschrieben ist (und selbst dann kann er noch platzen). Wer diese Schule nie durchlaufen hat, der wird im Marketing immer tolle Ideen haben, aber nie wirklich spüren, wie aus diesen Ideen am Ende Verkaufszahlen werden.
Wenn man sein Diplom relativ zeitig bekommen hat, sollte man mit 30 dann 2-3 Jahre Erfahrung gesammelt und erste Erfolge gezeigt haben. Danach stehen einem viele Wege offen. Auch unkonventionelle Karrieren, Beratungstätigkeiten, BWL-fremde Berufe und sogar der Aufbau eines Start-Up sind dann denkbar. Der Vorteil aber ist: Wenn das alles nicht klappen sollte, kann man zu der Kernfunktion immer wieder zurückkehren. Wer direkt nach dem Studium in eine BWL-fremde Tätigkeit gesprungen ist, der hat diese Option nicht. Wer mal Vertriebler war, wird sich immer wieder auf diese Grundausbildung berufen können und wird immer wieder als Vertriebler irgendwo anfangen können. Gerade bei einer "Exotenkarriere" ist es gut, für den Fall des Scheiterns diese Rückfallebene zu haben.
Und was ist schon so schlimm daran, die ersten 3 Jahre eines 40jährigen Berufslebens als Schuljahre zu sehen, in denen man v.a. noch vieles lernen muss? Nicht umsonst sagt man, dass der erste Chef einen Berufseinsteiger prägt wie kein zweiter danach.
Es ist außerdem nicht zu unterschätzen, wie die ersten Berufsjahre das betriebswirtschaftliche Urteilsvermögen beeinflussen. Wer als Vertriebler angefangen hat, wird viele Sachverhalte aus der Sicht eines Vertrieblers sehen. Als Einkäufer geht mir das genauso. Selbst, wenn man schon lange nicht mehr in diesem Job arbeitet, bleibt diese Grundprägung der Sichtweise bestehen. Allein schon deshalb ist es ratsam, für die ersten Jahre nach dem Studium ein klassisches Berufsfeld zu wählen, um das richtige Handwerkszeug zu lernen.
Danach kann man dann in die Breite gehen. Fast jede Tätigkeit in einem Unternehmen, bei der es um Organisation, Koordination, Kommunikation, kaufmännische Instrumente, Vermarktung, Einkauf/Verkauf, Projektsteuerung etc. geht, kann man dann mit etwas Einarbeitung und Interesse ausüben.
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