WiWi Gast schrieb am 10.04.2020:
Wie würdet ihr das Lernen gestalten wenn ihr alleine lernt? Gibt es irgendwelche Ziele auf die man hinarbeiten kann? Ich stecke momentan bei den Basics und es ist halt weniger motivierend als wie wenn man es in einem Unternehmen stück für stück mehr anwenden kann.
Such dir ein Projekt. Diese ganzen Geschichten à la "ich kaufe mir mal nen Buch und fange an zu lernen" bringen dir exakt: Null. Das ist so, wie wenn du mal an der Uni aus Interesse ne dritte oder vierte Fremdsprache lernst, sie dann aber privat nicht anwendest (also bspw. Serien in O-Ton schauen). Nach spätestens einem halben Jahr ist alles weg. Leider denken 95% der WiWis (und vermutich 99% der PoWis) aber in exakt dieser Welt, weil sie es so aus dem Studium kennen. Ich bin selber WiWi, wohl bemerkt. Aber was bringen dir diese ganzen Codeschnipsel am Ende?
Genauso wie beim Sprechen geht es beim Programmieren um die Zusammenhänge. Es ist vollkommen egal, ob du R oder Python oder Matlab oder Julia lernst. Wenn du eines davon kannst und im Ernstfall dann Switchen musst, dann geht es wesentlich einfacher.
Und auch in Unternehmen wirst du nicht "Schritt für Schritt" mehr lernen, sondern du wirst entweder die Basics immer und immer wieder isoliert anwenden, dann sind deine Vorkenntnisse weitestgehend egal und es ist hilfreich, wenn man zumindest ein bisschen Erfahrung hat. Oder du wirst vor eine Wall of Code mit zig Schnittstellen gesetzt und benötigst "Erfahrung in der Anwendung".
Wenn dir in Stellenausschreibungen allgemeine Setze zu den Sprachen begegnen, dann kannst du davon ausgehen, dass die Anwendungstiefe nicht sehr hoch ist. Dann kannst du dich sofort bewerben. Wenn da aber "langjährige Erfahrung in Python" plus exakte Angaben zu Diensten bzw. Zusatzprogrammen stehen, dann hast du die entweder bereits angewendet und bist Experte oder du lässt es tunlichst sein, dich darauf zu bewerben. Denn so etwas aufzuholen bzw. zu entwickeln dauert eben Jahre. Das macht man nicht einfach so neben dem Job.
Was ist nun ein sehr einfaches Projekt, damit du die Dimension des oben geschriebenen verstehst? Nun, stell dir vor, du möchtest dir einfach nur die Tagestemperatur im Webbrowser täglich aktualisiert anzeigen lassen. Go for it. Aber jetzt sitzt du vor all deinen Lehrbüchern und merkst, dass dir all das nichts bringt. Und deine ganzen emsig einstudierten Beispielprogrammierzeilen kannst du auch nicht zuordnen.
Du wirst Minimum zwei Tage googlen um zu erkennen, was du alles für diese kleine Aufgabe benötigst und dass das keine isolierte Anwendung ist, sondern dass du mehrere Dinge verknüpfen muss, damit es funktioniert.
Aber, bei der Umsetzung lernst du daraus. Und du bekommst immer tiefere Einblicke in die Programmierung und was man damit alles machen kann. Natürlich bist du immer noch kein Crack, der damit schon in der Grundschule im Keller angefangen hat. Aber du weißt zumindest schon einmal, dass diese ganzen CV-Angaben zu Programmiersprachen defacto keinen Wert haben wenn es keinen Bezug gibt und das man nur anhand der Umsetzung lernt.
Was die Unternehmen selber in diesem Bereich angeht, ja. Es gibt einige, die haben massive Probleme weil sie in den Anfängen einfach auf die Projekterweiterungen und Mitarbeiter der Unis gesetzt haben (ehemalige Doktoranden, bzw. Postdocs) und jetzt in arge Bedrängnis geraten, weil sie ganze viele kleine Insellösungen haben. Da wird dann von Abteilung zu Abteilung was anderes verwendet und der eine Coded mit seinen Masterarbeitskenntnissen irgendwas zusammen, während der andere alles strategisch und objektorientiert verknüpft. Zalando wäre so ein Negativbeispiel, das ich direkt persönlich kenne. Da werden auch immer noch Stata-Lizenzen für teuer Geld angeschafft. Schlimmer ist es aber, wenn das in kleineren Unternehmen bzw. Beratungen passiert. Die fahren sich dann über die Zeit aus IT-Sicht einfach fest.
Wenn du oben diese kleine Fragestellung mit der Temperatur bearbeiten möchtest, dann bekommst du ziemlich schnell eine Idee, mit welcher der vier Programmiersprachen es "am effizientesten" umzusetzen ist. Wenn dann bei den nächsten und übernächsten Projekt wieder diese Sprache herauskommt, ja - dann wird das einen Grund haben. Aus diesem Grund empfehlen hier alle mit ein wenig Hintergrundwissen Python. Alleine schon weil ich bis zu einem gewissen Grad auch anderen Programmierumgebungen wie Javascript umgehen kann, was einen massiven Effizienzvorteil n der Projektierung bietet.
Der Umstieg von R auf Python im Rahmen eines einfachen Projektes ist, bei fortgeschrittenen R oder Julia-Kenntnissen nicht so schwer. Selbst mit Matlab ist das kein Problem, wenn man denn vorher eine Lizenz hatte.
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