Es ist gut, dass der Threadersteller sich über den Einsatz seiner Begabung frühzeitig Gedanken macht.
Zunächst mal wird es einen Grund für die Entscheidung gegeben haben, BWL zu studieren. Was genau hat Dich damals angetrieben und was treibt Dich heute an? Welche beruflichen Ziele hast Du? Welche Begabungen hast Du sonst noch?
Das Feld "Sprache" ist ein sehr breites, zumal man sich seines sprachlichen Ausdrucksvermögens auch in Berufen bedienen kann, die nicht in erster Linie eine sprachliche Ausrichtung haben. Es ist wie mit Menschen, die gerne am Computer arbeiten - man muss nicht in die IT-Abteilung gehen, um diese Leidenschaft ausleben zu können. Ein ganz normaler Bürojob bringt Dich ebenfalls vor den Computer. Beide Begabungen für sich genommen bringen kaum Mehrwert, sie können aber in Verbindung mit anderen Fähigkeiten sehr effektiv sein.
Ich würde mir an Deiner Stelle zunächst die Frage stellen, ob Sprache für Dich wirklich der Hauptberuf werden soll (Journalismus, Kommunikationsberufe, Texter, Pressesprecher, Redenschreiber etc.) oder ob es Dir reicht, dass es eine Nebenbegabung ist, die Du in Deinen Hauptberuf einbringst. Sprache als Nebenbegabung ist in jedem Beruf hilfreich, der Dich in Kontakt mit anderen Menschen bringt! Als Einkäufer zum Beispiel ist es ebenfalls wichtig, eine Meinung auf den Punkt zu bringen und ein Problem präzise zu beschreiben. Die Einkäufer in meinem Umfeld werden täglich sprachlich wirksam, wenn es darum geht, mit Geschäftspartnern Vereinbarungen zu treffen. Auch als guter Finanzer mit sprachlichen Fähigkeiten kannst Du sehr positiv auffallen. Viele Karrieren werden erfolgreicher, wenn Du Sprachtalent hast. Du könntest auch einen BWL-Beruf in einem Umfeld anstreben, in dem die anderen Mitarbeiter sprachlich gewandt sind, z.B. in einem Verlag oder in der Werbung. Leider stehen diese Branchen derzeit nicht so gut da, dass sie massig Mitarbeiter einstellen.
Für einen sprachlichen Hauptberuf wiederum fehlt Dir die richtige Qualifikation, da man in diesen Berufen selten Quer-Berufseinsteiger einstellt. Ein Journalist sollte Journalismus studiert haben, ein Lektor Germanistik und ein Übersetzer die jeweilige Sprache. Da nimmt man nicht einfach einen BWLer, der gerne spricht und schreibt. Auch mit sprachlicher Begabung bist Du nämlich noch lange nicht so gut wie ein Journalist, wenn es darum geht, unter Zeitdruck einen Text zu schreiben und das hundertmal pro Woche. Außerdem sind diese Berufe unterdurchschnittlich gut bezahlt und Du würdest deutlich hinter den finanziellen Möglichkeiten einer BWL-Karriere bleiben. Du solltest dir bewusst werden, ob Du das wirklich willst.
Zweitens solltest Du dir überlegen, wie dringend es Dir ist, dieses Talent auszuüben. Du könntest nämlich auch den Weg eines klassischen BWL-Berufseinstiegs (Einkauf, Produktion, Vertrieb, Finanzen etc.) gehen und Dich im nächsten Schritt darum kümmern, Dein sprachliches Potenzial zu heben (z.B. durch einen internen Stellenwechsel in Richtung Projektmanagement, korrespondenzlastige Tätigkeiten etc.). Dieser Weg hätte den Vorteil, dass Du wieder in die BWL-Schiene zurückkehren kannst. Sehr optimistisch gedacht, könntest Du dich auch in einem BWL-Beruf "hocharbeiten" und Deine Sprachkompetenz dann nutzen, um in Deinem Umfeld gute Vorträge zu halten oder ein Pressesprecheramt anzunehmen. Spätestens wenn Du Führungsaufgaben übernimmst, ist Deine Sprache ein wertvolles Instrument der Mitarbeiterführung.
Drittens solltest Du bedenken, dass solche Neigungen mit den Jahren stärker oder schwächer werden können. Es kann sein, dass Du in fünf Jahren keine Lust mehr auf Sprache hast, weil das für Dich heute noch ein interessanter Zusatzaspekt ist, später aber im Rahmen der beruflichen Routine langweilig. Du solltest deshalb sicher stellen, dass Deine berufliche Ausrichtung breit genug ist, um Dich aus der Sprachen-Ecke auch wieder wegzubewegen.
Ich schreibe Dir deshalb so ausführlich, weil ich ein ähnliches Begabungsfeld habe und mir die Frage zum Berufseinstieg auch stellen musste. Meine persönliche Lösung war damals, zu einem möglichst großen Unternehmen zu gehen und dort einen Beruf anzunehmen, der mich sprachlich fordert, aber neben sprachlicher Kompetenz auch andere Fähigkeiten verlangt. Ich habe das bis heute nicht bereut.
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