WiWi Gast schrieb am 09.10.2021:
Moment mal, die Versorgungswerke zahlen doch ihre Rente kapitalbasiert, damit werben sie doch auch immer? Das heißt ich bekomme doch nur das als Rente, was ich auch selber einbezahlt habe inkl. Zinsen. Das was du meinst ist das Umlageverfahren, sprich die junge Generation zahlt die Rente der Alten.
1) Was passiert bei einem Kapitalbaiserten System ?
A) Die Einzahlung mehrt Vermögen und Risiken (das Risiko bildet den Anspruch ab, den das Mitglied irgendwann für die Leistung erhält)
B) Man ist beispielsweise im Jahr 2004 und gibt bei der Einzahlung eine Leistungszusage ab, sagen wir für ein Mitglied, 30 Jahre, Leistungsbeginn ab 67 Jahren, auf Basis einer Zinserwartung von sagen wir 4,0 %, d. h. es wird unterstellt, dass das System ab der Einzahlung bis zur Auszahlung der letzten Monatsrente 4,0 % erzielt und daß sich die Sterblichkeit bis in 37 Jahren (Rentenbeginn 67 Jahre - Alter 30 Jahre) nicht verschlechtert.
C) Das System muß fortan (37 Jahre bis Rentenbeginn + Rentenbezugsdauer sagen wir 15 Jahre) die Annahmen auch verdienen.
a) Ausgangspunkt ist, das ein auf Pflichtmitgliedschaft basierendes System um seine Akzeptanz werben muß. Das macht auch eine jede Kammer so: Wie groß ist doch der Mehrwert der sich aus dem Kammerbeitrag ergibt ?
b) Akzeptanz erreicht man durch möglichst unveränderliche Leistungszusagen möglichst im Gegenzug zur Einzahlung, die möglichst hoch ausfallen.
c) Man ist nun bei Milchmädchenrechnungen und Schönwetterprognosen, die erzielt werden müssen.
D) Jeder, der mit Prognosen zu tun hat, weiß, das Prognosen nicht eintreffen müssen, je gewagter die Prognosen sind, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Prognosen erreicht werden.
2) Was man nicht wahr haben will aber was zugleich eine Binsenweißheit ist: Vermögen und Risiken können in der Zeit nach der Einzahlung einen unterschiedlichen Verlauf nehmen: Die typischen Betriebsgefahren sind:
Anlageverluste
wegbrechende Zinserträge
eine sich stetig verschlechternde Sterblichkeit.
3) Wo ist nun die Antwort der Systeme auf die typischen Betriebsgefahren ?
Man arbeitet mit einem "Rechnungzins" der irgendwie für Leistungszusagen wie Rückstellungen gleichermaßen gilt., Man ist noch nicht einmal soweit, den Rechnungszins aufzuteilen in einen Zinssatz der den Leistungszusagen zugrunde liegt und einen Zinssatz, der der Deckungsrückstellung zugrunde liegt.
Oder anders: Mit gesundem Menschenverstand sollte man wie folgt vorgehen beim Aufstellen der Deckungsrückstellung:
Schritt 1: Es werden die aktuellen Sterblichkeitsannahmen verwendet; gibt das System vermeidbar lang vor dem Rentenbeginn Leistungszusagen ab, muß es die Sterblichkeit unter Zugrundelegung der bei Rentenbeginn erwarteten Lage ermitteln.
Schritt 2: Es wird der insgesamt auszuzahlende Betrag aus Schritt 1 ermittelt.
Schritt 3: Das am Stichtag vorhandene Vermögen wird abgezogen. Es ergibt sich eine Unterdeckung
Schritt 4: Man rechnet aus, wie viel Zins das am Stichtag vorhandene Vermögen erzielen muß, um die Deckungslücke zu schließen - und den Zinsbedarf hieraus in %
Schritt 5: Es wird überprüft. ob der Zinsbedarf aus Schritt 4 anhand der Marktlage mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit über den gesamten Prognosezeitraum erzielbar ist.
Aber das will keiner, denn die Leute, die in oder für Kammern tätig sind oder auch die, die in manchen Versorgungswerken gewählt werden, haben kein Interesse daran, die Risiken zu sehen, weil sie dann ihre eigenen Renten kürzen müßten (man bedenke: den Altzusagen ist ein Zinsbedarf von 4,0 % eingerechnet, der Zinsbedarf steigt aber noch, je mehr das System gepfuscht hat bei der Sterblichkeit)
Aus den Augen aus dem Sinn. Je weniger man die Risiken sieht, desto besser, denn dann ist die Rente der Gremienmitglieder um so sicherer, die im Vergleich zur Masse der Mitglieder deutlich älter sind.
4) Ich beobachte, dass je größer die Systeme sind und je professioneller die Verwaltung, die Probleme um so größer sind. Andere kleine Versorgungswerke haben Sterblichkeitsannahmen. die so vorsichtig sind, dass sie über jeden Zweifel erhaben sind und den Zinsbedarf von 4 Jahren als Puffer auf der Bank liegen und können im Krisenfalle auch die laufenden Leistungen kürzen.
Aber manche Systeme sind als Depperles - und Vetterleswirtschaft zu qualifizieren: Immer dann, wenn sie merken, dass es so nicht mehr weiter gehen kann, beschließen sie sie Verlagerung der Risiken auf künftige Einzahler.
5) das eigentliche Kernproblem ist aber: Wie kommt man im kapitalgedeckten System dazu, dass das System nur die Leistungszusagen macht, die es auch finanzieren kann ?
Vermögen am Stichtag > Risiken aus dem Vermögen am Stichtag
Dabei ist im öffentlichen Recht der Stichtag der Zeitpunkt der Ausfinanziertheit.
Das interessiert keinen, ist aber essenziell für ein "kapitalgedecktes" System
antworten