Über den Alltag, die Lernkurve und Zickenalarm im Büro...
Ich wollte euch mal an diesem Sonntagabend etwas erzählen.
Ich habe BWL (ReWe + Controlling, Uni-Diplom) studiert, mit 2,0 abgeschlossen und arbeite nun in der Finanzabteilung eines UNs, was einst ein Familienunternehmen war und jetzt Teil eines Konzerns ist.
Ich bin ins interne Rechnungswesen gegangen, um praktische Erfahrungen zu sammeln mit der Hoffnung, Zusammenhänge besser zu verstehen und bald ins Controlling zu wechseln- Controlling basiert ja schließlich (zumindestens zum Teil) auf den Daten aus dem internen ReWe. Dies kann ich mir vermutlich abschminken - im Controlling wird immer Erfahrung aus dem Controlling verlangt - diese Erkenntnis kommt leider zu spät und das ist jetzt nicht das Thema.
Ich bin mit meinem Chef vor allem für die Abschlüsse (M,Q,J) zuständig, Reporting, Statistik etc. Bin außerdem im Tagesgeschäft in FiBu voll dabei. Meine beiden Kolleginnen (beide um 50 - beide seit 30 Jahren in der Firma, haben Industriekauffrau gelernt) machen nur Tagesgeschäft. Und heulen immer rum, dass sie nichts schaffen, dass es zu viel Arbeit gibt, das geht ja alles gar nicht, wir brauchen dringend die Unterstützung... Und da muss ich ran.
In der gleichen Zeit beobachte ich, was die Zwei in der Arbeitszeit so treiben. Es wird andauernd privat telefoniert, nach den neuen Schuhen gegoogelt, an dem Handy rumgefummelt- whats app sei dank!, private Termine vereinbart, über Krankheiten und die Heilmethoden geredet - unter sich (die sitzen zusammen) und mit den anderen, die im Büro vorbeischauen und ständig zum Arzt gegangen... und, und, und...So machen sie seit 30 Jahren, keiner hat das unterbunden, ich frage mich nur warum nicht? Unser Chef hat einen weichen Charakter und kommt gar nicht gegen die Beiden an - wenn die rumjammern, dass sie ihre Arbeit nicht schaffen - dann macht er selber noch ihre Arbeit mit, wobei er ohnehin Millionen von Aufgaben hat oder ich muss mitmachen. Ah ja, die beschweren sich, dass sie zu wenig verdienen!!! Das ist wohl klar. :-) Und gehen überpünktlich in den Feierabend. Zu dem Ganzen kommt noch, dass sie sich gegenseitig hassen mit den ganzen Folgen (Zickenalarm, Gerüchte verbreiten usw - so wird viel Zeit für nichts und wieder nichts verschwendet) Und die versuchen, jede ihrerseits, mich in ihren Krieg reinzuziehen, um die Mehrheit im Kampf zu haben. (Ich will aber an diesem Kampf nicht teilnehmen!)
Jetzt habe ich rausgefunden (kann die Auswertungen nach den Kostenstellen ansehen - ohne Namen natürlich, aber ich kann ja 2+2 zusammenzählen), dass ich in der gleichen Tarifgruppe angesiedelt bin, wie meine "Tanten", wobei ich natürlich als Anfängerin in der ersten Stufe bin und verdiene somit viel weniger in Vollzeit als meine Kolleginen in ihrer Teilzeit. "Selber schuld" werdet ihr sagen und habt Recht - jetzt ist es aber zu spät - man sollte beim Vorstellungsgespräch besser verhandeln. Aktuell werden alle Forderungen nach Gehaltserhöhungen (sprich Leistungszulagen) abgeschmettert, vor allem, ich bin Tarifkraft - man kann sowieso nichts fordern. In eine höhere Tarifstufe wird man bei uns (angeblich) nicht eingestuft.
Jetzt fragt ihr mich natürlich "Warum erzählst du uns das alles?" Es ist so, dass ich nicht so lange in der Firma bin, bin in diese Gegend zugezogen, habe keine Freunde vor Ort und kann keinen um Rat fragen, wie ich mich in dieser Situation verhalten soll? In der Firma mit jemandem darüber zu reden ist unmöglich - es wird sofort gepetzt - die sind ja alle seit Hundert Jahren dabei! Ich will mich mit denen nicht anlegen - die sind ja fachlich top und helfen immer, wenn ich Fragen habe. Andererseits kann ich alles nicht mehr ertragen, vor allem ich kann ja nicht sagen " Hört mal zu, hört auf zu heulen, ich weiß ganz genau was ihr verdient und für die Kohle könnt ihr euch ein wenig anstrengen" - es sind ja schließlich sensible Daten und ich würde mir dadurch selber ins Knie schiessen und nur Öl ins Feuer gießen.
Wie kann ich denen klarmachen, dass ich an dem Ganzen nicht teilhaben will? Und noch eine Sache - die sind sehr neugirieg. Die fragen mich jeden Tag aus, was hast du gemacht, wo warst du, was hast du gekocht, was hast du gekauft, was ist mit deiner Familie, was ist mit deinem Freund, willst du Kinder haben, willst du nicht abnehmen - du hast ja zu viel drauf, geht es dir nicht gut? - bist du etwa schwanger?, was hast zum Mittagessen mitgebracht??????? Fragen über Fragen......manchmal denke ich, die fragen bald, ob ich mich rasiere? Wehe ich einen Tag Urlaub nehme - warum brauchst du Urlaub, du willst dich wohl woanders bewerben? du willst uns wohl verlassen? das geht ja gar nicht, wir brauchen dich doch! Klar, brauchen die mich - muss ja schließlich ihre Arbeit machen und wenn ich gehe, dann geht es ihnen richtig dreckig, weil wir wirklich sehr sehr viel zu tun haben. Den Fehler, zu viel aus eigenem Privatleben Kollegen zu erzählen, mache ich nie, NIE WIEDER! Alles kann früher oder später gegen dich verwendet werden!
Bald sind Mitarbeitergespräche fällig. Was meint ihr, kann ich dies alles genauso mienem Chef auf den Kopf "ausschütten" ? Habe Angst, dass er mir so was sagt wie "was willst du, sei doch froh, dass du einen Job hast". Ich möchte nur meine Arbeit machen, relevante Erfahrungen sammeln und mich beruflich weiterentwickeln, Das ist aber unmöglich, weil dadurch, dass ich so viel im Tagesgeschäft machen muss, keine Zeit übrig bleit, um mich mit den komplizierten Sachverhalten zu beschäftigen - das weiß mein Chef und er macht dann komplizierte Sachen selbst, ohne mich einzubeziehen, weil es eben schnell geht - der Lerneffekt aus der Ganzen Geschichte gleich Null! Ich habe ihm schon mehrmals gesagt, dass ich weitere Themen und Bereiche kennenlernen möchte, ich möchte mich mit allen Vorgängen auskennen. Aber Prioritäten liegen immer woanders - er muss immer etwas dringend machen und mir das zu erklären ist aus Zeitmangel unmöglich und ich lerne nichts dazu.
So, jetzt habe ich euch mein Herz ausgeschüttet. Ich hoffe, ihr habt einen guten Rat für mich. Wenn keine Rückmeldung kommt, ist auch nicht so schlimm, jetzt habe ich endlich alle Punkte schriftlich erfasst, mit denen ich unzufrieden bin - kann das als Grundlage für das Mitarbeitergspräch verwenden. :-)
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