Ein Teufelskreis: Die Kollegin kontrolliert dich. Du beginnst dich zu verbergen, wodurch sie sich noch stärker zur Kontrolle genötigt sieht. Dieses Problem hat mehrere Aspekte.
- Rollenklärung
Gehe ich recht in der Annahme, dass Ausbilderin =/= Chef ist? Ist das Deine fachliche Vorgesetzte? Wielange hat die Kollegin diese Rolle (Ausbilderin) schon? Welche Erwartungen wurden an sie adressiert, als man ihr diese Rolle zugewiesen hat? Ist Dein Chef auch ihr Chef? Was heißt "Ausbilderin", bist Du noch neu und Trainee oder in einer Lernposition?
Grundsätzlich hat man mit einer solchen Ausbilderrolle Verantwortung für andere, und es gibt Menschen, die gerade in den ersten Jahren noch nicht so richtig in sie hineinwachsen. Verantwortung für andere bedeutet, Schranken zu setzen, aber gleichzeitig auch definierte Freiräume zu schaffen. Das ist leichter gesagt als getan, weil man sich für die Schaffung von Freiräumen erstmal ein Bild von den Stärken und Schwächen des Mitarbeiters machen muss.
Sieh das ganze mal aus der Sicht der Kollegin: Offensichtlich fühlt sie sich für Dich / Deine Arbeit verantwortlich oder hat zumindest das Gefühl, dass Deine Arbeitsweise am Ende auch ihr eigenes Ergebnis ist. In einer solchen Rolle gehen viele den (falschen) Weg, zwecks Risikominimierung zum Kontrollfreak zu werden. Das ist allerdings nicht unbedingt eine Charaktereigenschaft der Person, sondern eher eine Reaktion auf die unklare Rollenverteilung (auch zwischen der Kollegin und ihrem/r eigenen Chef/Chefin) und auf noch nicht aufgebautes Vertrauen. Habt Ihr kritische Themen, bei denen unbedingt fehlerfrei gearbeitet werden muss?
- Vertrauen
Aus Deiner Beschreibung wird deutlich, dass Du sie in dieser Rolle nicht so recht akzeptierst. Weshalb ist das so? Was genau stört Dich? Als Angestellter hast Du Chefs, Kontrolleure, Weisungsbefugte über Dir. Ganz gleich, was Du tust und wo Du arbeitest. Es wird immer so sein. Take it or leave it. Wenn Dich die Kontrolle an sich stört, hast Du als Angestellter ein Problem.
Mir scheint aber eher, dass dich die Art und Weise der Kontrolle stört, also der Tonfall und das zugrundeliegende Misstrauen. Es ist nicht leicht, darüber mit einer weisungsbefugten Kollegin offen und ehrlich zu sprechen. Du hast Anspruch auf gewisse Mindeststandards im Umgang mit Kollegen und Vorgesetzten, aber keinen Anspruch auf ein Arbeitsleben ohne Weisung, Kontrolle und Einflußnahme.
Du könntest einen anderen Weg gehen: Setze die Kontrolle durch Deine Ausbilderin gezielt ein, also hole Dir proaktiv Feedback zu Deiner Arbeit ab und vereinbare die Kontrolle durch sie bei allen Themen, die Du bearbeitest. Dadurch gibst Du ihr eine Chance, von selbst auf die hohe Intensität ihrer Kontrolle aufmerksam zu werden und das Maß herunterzufahren.
- Selbstkritik
Als Berufseinsteiger macht man Fehler. Passiert jedem. Was wäre, wenn die Kollegin Deine Arbeit nicht kontrollieren würde? Wer würde es dann tun? Ein höherer Vorgesetzter oder gar ein Kunde? Wäre das besser?
Nutze Deine Kollegin als Stärke. Jeder Mensch hat Stärken und ein gezieltes Einsätzen der Stärken verbessert die Arbeitsergebnisse. Hole gezielt ihren Rat ein, wo es angebracht ist. Arbeite so, dass ihre Kontrolle ergibt, dass alles richtig ist.
Wir sollten aber auch nicht aus der puren Situationsbeschreibung heraus den Fehlschluss begehen, dass Du alles richtig machst und Deine Kollegin das Problem ist. Bei kritischen Themen ist es völlig normal, dass Kontrolle stattfindet. Wir wissen nicht, welchen Auftrag ihre Vorgesetzte für sie formuliert haben. Es könnte ja sein, dass ihr gesagt wurde: "Da kommt demnächst der Herr Soundso, bei dem sollten Sie sehr genau auf die Ergebnisse schauen, denn er arbeitet an kritischen Themen und ist noch ziemlich neu hier."
Am Ende muss Deine Ausbilderin selbst entscheiden, ob und wielange sie diesen Weg weiter gehen will. Sie wird von selbst Themen finden, bei denen sie Dir stärker vertrauen kann. Aber nur, wenn Deine Arbeit auch entsprechend gut ist. Bis dahin solltest Du:
- Dich und Deine Arbeit nicht verstecken, sondern mit offenen Karten spielen. Das schafft Vertrauen.
- Gute Arbeitsergebnisse abliefern.
- Früher oder später mit ihr über das Rollenverhältnis sprechen. Dabei ruhig auch betonen, dass Du ihren fachlichen Rat zu schätzen weißt.
- Wenn es auch nach Monaten nicht anders wird, kann nur der Chef etwas ändern. Wenn er das denn will.
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