Eine sehr schöne Fragestellung!
Fangen wir mit Motivation und Basis-Skill-Set an:
Zumindest in meinem Bereich, den ich als Ideal-Ausprägung bewerte - im Vergleich zu anderen CIO Advisory-Ausprägungen, die kein ganzheitliches Informatik-Fundament mitbringen und daher extrem eingeschränkt sind, wie z. B. die reinen IT-Organisationsberatungen - kommen alle mit mindestens einem Bachelor in Informatik daher, meist auch mit einem Master. Die Schwerpunkte sind unterschiedlich (Dependable Distributed Systems, AI/ML, 3D Graphics, Embedded Systems), aber alle können gut Software entwickeln und wollen durch Beiträge in Industrieprojekten, Forschung und Fachjournalen die Erfolgsquote von Softwareprojekten durch angepasste Managementinstrumente steigern.
Ich komme ursprünglich aus der industrienahen Forschung, wo ich Anfang bis Mitte der 2000er dazu beigetragen habe, die technologischen Grundlagen für das heutige IoT zu legen.
"Softwareprojekt" ist dabei sehr weit gefasst zu verstehen, der typische Auslöser für unsere Beauftragung ist, dass der Klient ein Problem bzw. eine Vision hat, das/die irgendwie mit Software zusammenhängt. Natürlich hängt an der Software - nennen wir es besser Anwendung - aus Nutzersicht die Fachseite. Die Anwendung - bzw. Anwendungslandschaft wird von der IT-Organisation getragen. Die IT-Organisation ist wiederum - wie die meisten Suborganisationen eines Unternehmens - ein Mikrokosmos für sich. Es gibt die Anwendungsverantwortung, was letztlich auch Fachverantwortung bedeutet. Und die Hardwareverantwortung. Das Ganze - also Geschäftsprozesse, IT-Prozesse und die Gesamtorganisation bildet ein komplexes System, das auch noch durch verschiedene Partner (Zulieferer, Dienstleister, Kunden) eine vertraglich-rechtliche Dimension hat.
Möchte der Kunde nun eine groß angelegte Vision umsetzen (z. B. Vertriebsmannschaft auf 10 % reduzieren mittels Etablierung von Omni-Channel-Marketing), so geht das nur durch IT. Genauer gesagt durch eine IT-Strategie. Hierbei führen viele Wege nach Rom. Und genau da kommen wir ins Spiel.
Anhand der Unternehmensstrategie entwickeln wir eine IT-Strategie, die das ganze Abhängigkeitsnetz aus Fachlichkeit, Technologie und Organisation nachhaltig berücksichtigt. Eine IT-Strategie wird aber nicht einfach aus dem Bauch heraus entwickelt. Und durch Methoden des Komplexitätsmanagement werden die Auswirkungen einzelner IT-Strategieteile auf das gesamte Unternehmens-Ökosystem ermittelt. Und bewertet.
Anders als früher legt man solche IT-Strategien natürlich nicht mehr auf 5 Jahre an. Es werden zum Management der Ungewissheiten bestimmte Methoden der Systemtheorie eingesetzt. Und natürlich ist das alles keine wissenschaftliche Übung, sondern es muss recht schnell klar sein, was fruchtbar sein könnte und was nicht. Auch geht sowas häufig mit einer Reorgnisation daher, schließlich sind in vielen Bereichen X-Functionality unabdingbar. Sowas kann aber nicht einfach adhoc von heute auf morgen ausgerollt werden. Jedes Unternehmen hat bzgl. bestimmter Kriterien einen Reifegrad. Und dann gibt es da noch Emotionen. Klassisches Change Management, also, erschwert um die entsprechenden Digitalisierungsanforderungen.
Was wir also machen ist neben der kontinuierlichen Entwicklung und Validierung der IT-Strategie, auch deren Umsetzung zu organisieren und zu steuern und an den richtigen Stellen durch diverse Methoden (EAM, Coaching, Schulungen, Prototyping/PoCs, Leuchtturmprojekte, Centers of Excellence) die Erfolgschancen zu maximieren. Dazu brauchen wir einen Maßgeschneiderten Methoden- und Werkzeugkoffer aus dem klassischen Berater-Skill-Set, Projekt-und Programmmanagement-Kompetenz und vor allem eine Menge Technologiekompetenz. Am Ende des Tages ist es der Anspruch, dass ich - und meine Mitarbeiter - auch selbst noch Software entwickeln können. Nur dass wir dazu zu teuer sind. Aber das Troubleshooting muss auf Ebene CIO ebenso möglich sein, wie auf Ebene der reinen Softwareentwicklung. Oder dem Lifecycle Management. Oder der IT-Organisationsentwicklung.
Ob das Spaß macht? Absolut. Ein System derartiger Komplexität zum Erfolg zu führen macht mir persönlich mehr Sßaß, als eine tolle Anwendung oder ein cooles Tool zu entwickeln. Zumal mir die Zusammenarbeit mit verschiedenen Menschen Freude macht. Und meine MA und ich ordentlich etwas bewegen können. Wenn zusätzlich davon in den Medien berichtet wird (z. B. Public oder Finance), ist das die cherry on top.
Z. B. einem Unternehmen den Arsch zu retten und es wieder konkurrenzfähig zu machen, indem die Releasefrequenz seiner kundenzentrierten Anwendungen um den Faktor 10 erhöht wurde, ist schon geil. Dazu noch Alt-Systeme maßgeblich von kritischen Neu-Systemen entkoppelt, nachvollziehbare und nachhaltige Make/Buy-Entscheidungen herbeigeführt. Und insgesamt durch Einführung von Open-Source-Management die Einführung von Open-Source-basierenden Lösungen ermöglicht und vernünftigem Wissensmanagement die eigene Supportfähigkeit des Unternehmens für seine nun günstigere, sicherere und flexiblere Anwendungslandschaft realisiert. Und letztlich durch vertikale Komponentisierung nicht nur die unterschiedlichen Geschäftskompetenzen schön voneinander isoliert, sondern auch unterschiedlich voneinander skalierbar gemacht (z. B. den Geschäftsbereich E-Commerce für die Cyber Week).
Das Ganze natürlich nicht von heute auf morgen. Aber über eine sinnvoll entwickelte Roadmap alles realisiert. Wenn letztlich noch CEO und CIO einem dafür danken, aber auch die Grunts aus der IT und sogar die Fachseite, dann weißt Du, dass Du Dir den krassen Tagessatz wirklich verdient hast.
WiWi Gast schrieb am 25.12.2018:
Danke für das AMA-Angebot.
Mich interessiert bzw. habe noch nicht ganz verstanden: Womit verdient ihr Geld? Was macht ihr konkret? Eigene Software entwickeln oder fancy data analytics ist es ja glaube ich nicht?
Anschlussfrage: Macht das einem Informatiker SPASS (und was daran?)?
gez. 32, prom. Informatiker, autonomous driving developer
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