Folgende Gedanken dazu von mir:
- Wer in einem 9-to-5 Job gute Ergebnisse abliefert, der qualifiziert sich damit für einen besseren 9-to-5 Job. Wer in einem 80h-Job gute Ergebnisse abliefert, der qualifiziert sich für einen besseren 80h-Job. Es ist nicht so, dass der gute 80h-Mitarbeiter zur "Belohnung" einen 9-to-5 Job bekommt, um sich auszuruhen. Viele in der Beratung fahren aber genau diese Strategie: Ein "paar Jahre" durchackern und dann einen schönen "Absprung" in "die Industrie", wo man zur Belohnung für seine Einsatzbereitschaft bei McKinsey dann ein Top-Gehalt für Mini-Arbeitszeiten bekommen will.
In der Praxis läuft das ganz anders - das kann ich sehr gut bei denen beobachten, die von Beratungen bei uns eingestiegen sind. Die werden von vornherein für solche Positionen rekrutiert, bei denen hohe Management-Erwartungen (=Druck) und unklare Zuständigkeiten (führt zu einer "Mädchen-für-alles" Positionierung und zu langen Arbeitszeiten) zu erwarten sind. Für gemütliche, organisierte Aufgaben, bei denen geregelte Arbeitszeiten möglich sind, werden solche Leute nicht rekrutiert. Die Industrie ist keine Belohnungsinstitution für überanstrengte Berater.
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Bei den großen Beratungen ist nicht jeder Tag lang. Wenn eine große Beratung ein Projekt für die öffentliche Hand oder ein Staatsunternehmen durchführt, sind Arbeitszeiten von 9 bis 7 die Regel (Freitags kürzer, weil Officeday). Das sind gemütliche 50h für gutes Geld. Es kann aber jederzeit passieren, dass man für ein Horrorprojekt in einer Investmentbank angeheuert wird und den Kopf nicht rechtzeitig aus der Schlinge ziehen kann. Dann winken üble Arbeitszeiten. Wenn der Threadersteller also "Angst" vor der hohen Belastung hat, sollte er die große UB meiden - denn diese ist nicht immer anstrengend, aber doch immer wieder.
- Wenn ich eine kleine Beratung wäre und die Chance hätte zu wachsen, würde ich wachsen. Es gibt keinen Grund, klein zu sein, weil das Beratungsgeschäft sehr gut skalierbar ist und dabei auch ordentliche Renditen abwirft. Mit der Größe steigt auch die Größe der Kunden, so dass die Raten entsprechend höher liegen. In Summe ist Wachstum also erstrebenswert.
Wenn eine Unternehmensberatung in diesem Markt trotzdem klein bleibt, dann nur aus einem Grund: Sie ist nicht gut genug. Natürlich kann man versuchen, so etwas wie die "IWC" unter den Beratungen zu werden (analog den kleinen, feinen Investment- oder Anwaltsboutiquen), das gelingt aber den wenigsten. Größe ist einfach zu rentabel, um freiwillig darauf zu verzichten.
Was sagt uns das?
Wenn Du wirklich etwas lernen willst (v.a. Projektarbeit, strategische Ansätze, strukturiertes Aufbereiten von wirtschaftlichen Sachverhalten), dann ist eine große (!) Beratung ein exzellenter Lehrmeister. Die Exit-Optionen werden von dort aus aber vor allem in Jobs führen, in denen kaum weniger gearbeitet wird. Ein gut ausgebildeter Mitarbeiter ist zu kostbar, um ihn nur von 9h bis 17h arbeiten zu lassen.
Eine kleine Beratung ist in meinen Augen ganz klar zweite Wahl, weil weniger erfolgreich und damit auch weniger gut. Damit tue ich sicherlich dem einen oder anderen Betrieb Unrecht, aber in der Masse dürfte das Urteil zutreffen. Wer in einer solchen kleinen UB anfängt, sollte eine klare Spezialisierung anpeilen und sich um konkrete Weiterbildung und einen eventuellen Ausstieg zu einem spezialisierten Kunden bemühen, wenn er da mal wieder weg will. Einen hervorragenden Ruf jedenfalls haben diese Kleinbetriebe in der Wirtschaft nicht, und zwar auch dann nicht, wenn sie sich mit ein paar Markenlogos auf der Homepage schmücken. Wenn man im Gespräch genauer nachhakt, woher diese Markenlogos kommen und was für Projekte da gemacht wurden, wird man auch feststellen, warum das so ist.
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