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Die gesunde KarriereSchlaf

Schlafmangel beeinflusst Lernleistung sowie wirtschaftliches und soziales Verhalten

Schlafmangel ist nicht allein aus gesundheitlicher Sicht problematisch. Schlaflosigkeit hat auch enorme Auswirkungen auf das Arbeitsleben. Mit steigender Müdigkeit ist das Verhalten weniger rational und risikoreicher als bei ausgeschlafenen Arbeitnehmern, wie Ökonomen vom Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit (IZA) in aktuellen Studien feststellten. Die gesunde Schlaflänge beträgt sieben bis neun Stunden.

Ein Manager beim Mittagschlaf in einem roten Ledersessel.

Schlafmangel beeinflusst wirtschaftliches und soziales Verhalten
Bonn, 08.04.2016, (iza) - In einem kürzlich erschienenen IZA Discussion Paper No. 9673 untersuchen die Forscher, David L. Dickinson der Appalachian State University und Todd Mc Elroy der Florida Gulf Coast University, mittels eines kontrollierten Laborexperiments, wie sich Schlafmangel auf das zwischenmenschliche Vertrauen auswirkt.

Den 184 Teilnehmern des Experiments wurden für einen dreiwöchigen Zeitraum zwei unterschiedliche Schlafpläne vorgegeben. Die eine Gruppe bekam nur fünf bis sechs Stunden Schlaf pro Nacht, während die andere acht bis neun Stunden schlafen durfte. Außerdem berücksichtigten die Forscher den Schlaf-Wach-Rhythmus der Testpersonen, indem sie erfassten, ob eine Person eher Früh- oder Spätaufsteher ist. Die Probanden wurden dann zufällig Versuchsgruppen zugeordnet, die entweder morgens, mittags oder abends sogenannte „trust games“ absolvieren mussten. Dabei konnten die Forscher messen, wie viel Vertrauen die Versuchsteilnehmer ihren Mitmenschen zum jeweiligen Zeitpunkt entgegenbrachten. Die Ergebnisse zeichneten ein klares Bild: Müdigkeit, verursacht durch Schlaflosigkeit oder aber durch einen ungewohnten Schlafrhythmus, führte zu einem deutlich niedrigeren Grad an zwischenmenschlichem Vertrauen, das als Voraussetzung für prosoziales Verhalten gilt.

In einem ähnlichen Experiment untersuchte Dickinson gemeinsam mit Marco Castillo und Ragan Petrie von der George Mason University, wie sich Schlafmangel auf individuelles Risikoverhalten und die Konsistenz von Entscheidungen auswirkt. Auch hier analysierten die Forscher in Spielsituationen, ob sich ausgeschlafene Versuchsteilnehmer anders verhielten als diejenigen, die ungewohnten Schlafrhythmen ausgesetzt waren. Die Resultate waren ähnlich: Müde Versuchsteilnehmer agierten weniger rational und trafen risikoreichere Entscheidungen als ausgeschlafene.

Download IZA Discussion Paper No. 9673 - Sleep Restriction [PDF, 24 Seiten, 424 KB]
http://ftp.iza.org/dp9673.pdf

Schlafmangel beeinflusst Gesundheit und koginitives Verhalten
Wie ein aktuelles IZA Discussion Paper No. 9774 von den Oxford-Professoren Osea Giuntella und Wei Han sowie Fabrizio Mazzonna von der Università della Svizzera Italiana zeigt, kann der Einfluss mangelnden Schlafs auf die kognitiven Fähigkeiten auch außerhalb des Labors beobachtet werden. Dazu analysierten die Forscher umfangreiche chinesische Bevölkerungsdaten und nutzten den Umstand aus, dass die Sonne aufgrund der breiten Zeitzone Chinas in den unterschiedlichen Landesteilen zu unterschiedlichen Zeiten auf- und untergeht.

Die Idee dahinter: Da der menschliche Körper sehr lichtsensibel ist und im Dunkeln mehr schlafförderndes Melatonin produziert, gehen Menschen in der Regel später ins Bett, wenn die Sonne länger scheint. So zeigt sich auch anhand dieser Daten, dass Schlaf die mentalen und numerischen Fähigkeiten befördert. Personen mit einer Stunde mehr Schlaf schnitten bei kognitiven Tests um 0,4 bis 0,6 Standardabweichungen besser ab. Die Autoren führen dieses Ergebnis in erster Linie auf die unflexiblen Arbeitszeiten der Stadtbevölkerung zurück, die sich nicht nach der biologischen Uhr der Menschen richten.

In einer ähnlichen Studie ermittelten Guintella und Mazzonna, dass US-Amerikaner eher zu Übergewicht und einem schlechteren Gesundheitszustand neigen, wenn sie ganz im Osten einer Zeitzone leben und daher bei gleichen Arbeitszeiten tendenziell später ins Bett gehen, als die Menschen am westlichen Ende der gleichen Zeitzone. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass bei vielen Menschen die biologische Zeit nicht mit der sozialen Zeit im Einklang steht. Dieses Missverhältnis wird durch Verhaltensweisen wie spätes Abendessen und Bewegungsmangel zusätzlich verstärkt.

Den Gesundheitseffekten der Sommerzeit widmen sich Lawrence Jin und IZA-Fellow Nicolas R. Ziebarth von der Cornell University in ihrem IZA Discussion Paper No. 9088, das die Anzahl von Krankenhausaufenthalten in Deutschland und den USA untersucht. Während die Umstellung von Winter- auf Sommerzeit praktisch keine Auswirkungen hat, stellt sich bei der umgekehrten Umstellung ein positiver Effekt ein. Ein bis vier Tage nach der Zeitumstellung, bei der eine Stunde „gewonnen“ wird, gehen die Einlieferungen ins Krankenhaus um acht Personen pro 100.000 zurück.

Download IZA Discussion Paper No. 9774 - Circadian Rhythms, Sleep and Cognitive Skills [PDF, 43 Seiten, 4,7 MB]
http://ftp.iza.org/dp9774.pdf

Download IZA Discussion Paper No. 9088 - Does Daylight Saving Time Really Make Us Sick? [PDF, 71 Seiten, 1,3 MB]
http://ftp.iza.org/dp9088.pdf

Schlafmangel beeinflusst Lernleistung
Das frühe Aufstehen wird vor allem für Schulkinder im Teenageralter häufig zur Qual. Wie sich Schlafmangel durch zu frühen Schulbeginn auf die Lernleistung auswirkt, wurde bereits in zahlreichen Studien untersucht. Die wichtigsten Erkenntnisse fasst ein aktueller IZA World of Labor Artikel von Teny Maghakian Shapiro von der Santa Clara University zusammen. Die Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass Jugendliche, bei denen die Schule morgens erst später beginnt, bessere Noten erzielen, emotional stabiler sind und sogar weniger Autounfälle verursachen. Shapiro plädiert daher für einen späteren Schulbeginn, auch wenn damit durchaus nennenswerte Kosten verbunden wären.

Download IZA World of Labor Artikel – The educational effects of school start times [PDF, 1 Seite, 131 KB]
http://wol.iza.org/educational-effects-of-school-start-times.pdf


Schlafmangel beeinflusst Arbeitsmarkt 
Bereits in zahlreichen Studien wurde belegt, dass sich Schlafmangel negativ auf die individuelle Arbeitsleistung auswirkt. Christian Pfeifer von der Leuphana University Lüneburg wechselt die Perspektive und analysiert im IZA Discussion Paper No. 9317, wie sich Arbeitsbedingungen auf die Schlafqualität auswirken. Dabei untersuchte er anhand von Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) den Zusammenhang zwischen der wahrgenommenen fairen eigenen Entlohnung und der individuellen Schlafquantität und -qualität.

Im Ergebnis stellte sich heraus, dass Arbeitnehmer, die ihr Gehalt als unangemessen oder ungerecht empfinden, öfter schlecht schlafen. Seine Analysen ergaben, dass deutsche Arbeitnehmer, die sich ungerecht bezahlt fühlen, eine um rund zehn Prozent geringere Wahrscheinlichkeit haben, eine „normale“ Schlaflänge zu erreichen. Als eine gesunde Schlaflänge ist dabei zwischen sieben bis neun Stunden. Durch die chronische Müdigkeit sind die Betroffenen zusätzlich unzufriedener und litten um bis zu 36 Prozent mehr unter einer vom Arzt diagnostizierten Schlafstörung. Die Effekte fallen umso stärker ins Gewicht, je mehr Wochenstunden gearbeitet werden. Allerdings spielt die tatsächliche Höhe des Stundenlohnes dagegen keine Rolle. Entscheidend ist vielmehr die gefühlte Lohngerechtigkeit.

Unternehmen könnten daher gegensteuern, indem sie die Ungerechtigkeits-Wahrnehmung durch geeignete Kommunikation und angemessene Arbeitnehmerbeteiligung im Lohnfindungsprozess verbessern.

Download IZA Discussion Paper No. 9317 - Unfair Wage Perceptions and Sleep [PDF, 23 Seiten, 105 KB]
http://ftp.iza.org/dp9317.pdf