»Baby Boomer« vom Einzelhandel noch nicht als Zielgruppe entdeckt
Die ersten »Baby Boomer« feiern bald ihren 60. Geburtstag. Trotzdem sprechen nur wenige Unternehmen diese noch immer wachsende Zielgruppe an, obwohl sie über ein beträchtliches Einkommen verfügt.
»Baby Boomer« vom Einzelhandel noch nicht als Zielgruppe entdeckt
München, 08.02.2006 (del) - Die ersten »Baby Boomer« feiern bald ihren 60. Geburtstag. Trotzdem sprechen nur wenige Unternehmen diese noch immer wachsende Zielgruppe an, obwohl sie über ein beträchtliches Einkommen verfügt. Die aktuelle Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte mit dem Titel »Wealth with Wisdom: Understanding the Needs of Aging Consumers« analysierte das Kaufverhalten älterer Verbraucher. Deloitte führte die Umfrage in der Altersgruppe 45 bis 74 Jahre durch.
»Die bevorstehenden demografischen Veränderungen betreffen im Prinzip alle Branchen«, erklärt Jochen Kuhnert, Leiter des Bereichs Retail Practice bei Deloitte. »Außer dem Einzelhandel werden auch Unternehmen anderer Sektoren wie beispielsweise Verbrauchsgüter, Gesundheitswesen, Immobilien, Finanzdienstleistungen, Reise und Freizeit feststellen, dass ältere Verbraucher zwar eine nicht unkomplizierte Zielgruppe darstellen, aber auch enormes Potenzial bieten.«
Aktuell gibt es weltweit über eine halbe Milliarde Menschen, die 60 Jahre oder älter sind. Bis 2050 wird sich diese Zahl voraussichtlich vervierfachen. In den USA gibt die Generation 50+ jedes Jahr schätzungsweise 1,7 Billionen Dollar für Waren und Dienstleistungen aus, das ist die Hälfte der gesamten Verbraucherausgaben. Die Deloitte-Studie nennt vier Faktoren, die auf fast alle älteren Verbraucher zutreffen. Die Umfrage zeigt, wie sie sich diese Faktoren auf das Kaufverhalten auswirken:
- Biologische Veränderungen. Dies betrifft eingeschränkte Mobilität sowie schlechteres Sehen und Hören. Ältere Verbraucher zieht es eher zu Produkten mit einfach zu öffnender Verpackung und/oder größerer Beschriftung. Auch Position und Anordnung der Produkte spielen eine wichtige Rolle, da Waren, die ganz oben oder unten im Regal liegen, nicht gut zu erreichen sind. Gute Beleuchtung, besser lesbare Beschilderung und breitere Gänge zwischen den Regalen erleichtern den Kunden das Einkaufen ebenfalls. Ein Teil der Befragten gab an, aus verschiedenen Gründen seltener in einer bestimmten Kette einzukaufen, wobei diese Gründe von der ältesten Gruppe (65 bis 74) häufiger genannt wurden als von der jüngsten (45 bis 54). Wichtig war den Befragten ein angemessener Geräuschpegel im Laden, ausreichende Beleuchtung, das Vorhandensein von Einkaufswagen und Sitzgelegenheiten.
- Soziale Veränderungen. Rollenveränderungen und geänderte Lebensumstände wie der Auszug der Kinder, die Geburt von Enkeln oder die Pensionierung beeinflussen das Kaufverhalten ebenfalls. Großeltern passen dann auf ihre Enkel auf. Eltern, deren Kinder das Haus verlassen haben, können einen anderen Lebensstil pflegen als zuvor. Hier brachte die Umfrage einige überraschende Ergebnisse: In der Altersgruppe 65-74 lebten zum Beispiel zwei Drittel der Befragten immer noch mit einem Ehepartner oder Lebensgefährten zusammen, und sechs Prozent haben noch Kinder im Haushalt.
- Wirtschaftliche Veränderungen. Dies betrifft Finanzplanung, Geldanlage und Vermögensverwaltung. Viele Senioren arbeiten weit über das übliche Rentenalter hinaus: Von den 65- bis 74-jährigen sahen sich 20 Prozent noch nicht im Ruhestand, während in der Altersgruppe 45-54 immerhin schon neun Prozent diesen Status in Anspruch nahmen.
- Psychische Veränderungen. Auch Erinnerungsvermögen und Informationsverarbeitung können das Kaufverhalten beeinflussen. Untersuchungen haben zum Beispiel gezeigt, dass Webseiten, die von älteren Personen besucht werden, übersichtlich und einfach zu navigieren sein sollten. Andererseits haben viele der Befragten sehr gute technische Kenntnisse. Im Durchschnitt besaß jeder Umfrageteilnehmer 5,8 High-Tech-Geräte wie iPod, Digitalkamera oder Satellitenradio. 86 Prozent hatten in den letzten drei Monaten Waren oder Dienstleistungen über das Internet gekauft, und ein Drittel kauft grundsätzlich lieber online ein.
»Diese Ergebnisse sind zwar hilfreich, um das Verhalten älterer Verbraucher besser zu verstehen, dürfen aber nicht zu der Annahme verleiten, es handele sich um eine eindimensionale Gruppe«, warnt Jochen Kuhnert. »Natürlich bestehen aufgrund des Alterungsprozesses klare Unterschiede zwischen einem 55- und einem 85-jährigen Verbraucher. Noch wichtiger ist aber, dass das Verbraucherverhalten nach Wohnort, Einkommen und Lebensstil variieren kann. Unsere Umfrage bestätigt, dass ältere Konsumenten eine facettenreiche Zielgruppe sind. Unternehmen müssen deshalb neben dem Alter zusätzliche Faktoren berücksichtigen, zum Beispiel das Vorhandensein von Kindern, den Beschäftigungsstatus oder den Gesundheitszustand.«