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Lohnstückkosten - Ausland mit 16-Prozent-Vorteil

Die deutsche Industrie muss im internationalen Vergleich die höchsten Lohnstückkosten verkraften. Vor allem in Japan und Kanada haben die Betriebe wesentlich geringere Arbeitskosten je Wertschöpfungseinheit.

Stockholm, Schweden, Stockholm-Schweden

Lohnstückkosten - Ausland mit 16-Prozent-Vorteil
Köln, 28.09.2004 (iw) - Eine Arbeiterstunde kostet die Industrieunternehmen in Westdeutschland gut 27 Euro. Damit gehören die Werkhallen zwischen Kiel und München zu den teuersten weltweit. Nur in Norwegen und Dänemark fallen noch höhere Lohnstückkosten an. Alles halb so schlimm, wendet so mancher vermeintliche Experte ein. Schließlich würden die Belegschaften am Standort D mehr erwirtschaften als die Kollegen anderswo – seien also produktiver – und sollten daher auch überdurchschnittlich bezahlt werden. Doch bei genauerem Hinsehen entpuppt sich dieses Argument als Trugschluss. Denn längst können die Unternehmen in vielen Regionen rund um den Globus mit hoher Produktivität und gleichzeitig geringeren Arbeitskosten produzieren – etwa, wenn sie in Niedriglohnländern investieren und dorthin ihre Technik sowie ihr Produktions-Knowhow mitnehmen. Stehen Entscheidungen über einen neuen Standort an, geben daher häufig die Arbeitskostenunterschiede den Ausschlag. Zudem ist auch der oft zitierte deutsche Produktivitätsvorsprung kaum mehr als Wunschdenken.

Sieben von elf wichtigen Wirtschaftsnationen hatten im Jahr 2003 eine höhere Produktivität als Deutschland. Belgien und Frankreich kommen sogar auf einen um 15 beziehungsweise 12 Prozent höheren Output je Arbeitsstunde. Unterm Strich lag die hiesige Produktivität gerade einmal um 1 Prozent über dem Durchschnitt der anderen elf Nationen. Angesichts dieser mittelmäßigen Performance ist klar, dass Deutschland auch bei den Lohnstückkosten – also dem Verhältnis von Arbeitskosten zu Produktivität – nicht glänzen kann:

Die deutsche Industrie musste 2003 im internationalen Vergleich die höchsten Lohnstückkosten schultern. Im Schnitt hatte die ausländische Konkurrenz einen Lohnstückkostenvorteil von 16 Prozent. Besonders groß ist der Abstand zu Japan und Kanada, wo die Arbeitskosten je hergestellte Einheit um gut 27 Prozent geringer waren. Frankreich und die USA schlugen das deutsche Niveau immerhin noch um 16 Prozent. Allerdings trägt in Deutschland auch der Branchenmix zu dem schlechten Abschneiden bei. So hat innerhalb der heimischen Industrie der Maschinenbau ein größeres Gewicht als anderswo. Dieser fertigt sehr arbeitsintensiv und muss daher für jede Produkteinheit vergleichsweise hohe Lohnsummen zahlen. Wegen dieses Struktur-Effekts ist es sinnvoll, zudem die Entwicklung unter die Lupe zu nehmen – doch auch hierbei zeigt sich wenig Erfreuliches: Während zwischen 1990 und 2003 die Lohnstückkosten in den anderen großen Volkswirtschaften im Schnitt jährlich um nur 0,3 Prozent stiegen, kletterten sie in Deutschland um 1,7 Prozent. Besonders rasant verlief der Anstieg hierzulande in der ersten Hälfte der neunziger Jahre, als es jährlich um 3,1 Prozent bergauf ging. Weil den Exporteuren zugleich die starke D-Mark zu schaffen machte, verlor die deutsche Wirtschaft auf ihren Absatzmärkten zwischen 1991 und 1996 insgesamt 14 Prozent Marktanteile. Zwar trat man danach auf die Kostenbremse und konnte durch die günstige Wechselkursentwicklung Terrain im Ausland zurückgewinnen. Doch aktuell hat sich die preisliche Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands wieder verschlechtert.

Im Jahr 2003 stagnierten die deutschen Lohnstückkosten – im Durchschnitt der elf wichtigen Konkurrenzländer sanken sie dagegen auf Eurobasis gerechnet um gut 6 Prozent. Die Folge: Die heimischen Unternehmen mussten im vergangenen Jahr bei ihren ausländischen Kunden 3 Prozent Marktanteile abgeben. Dass Deutschland seine internationale Lohnstückkosten-Position in diesem Jahr spürbar verbessert, erscheint unwahrscheinlich. Zu groß ist dafür auch in anderen Staaten das Kostenbewusstsein. Und der Euro war gegenüber dem US-Dollar zur Jahresmitte 2004 sogar noch teurer als im Schnitt 2003.

Weitere Informationen
Christoph Schröder
Produktivität und Lohnstückkosten im internationalen Vergleich
iw-trends 3/2004
http://www.iwkoeln.de/data/pdf/content/trends03-04-3.pdf