WiWi Gast schrieb am 04.02.2023:
Vielleicht zwei blöde Fragen:
- Was genau machst du, also wie sieht dein Arbeitsaltag aus?
- Warum sollte man in ein Fonds investieren. Bzw. hast du als Händler wirklich einen Edge über einen MSCI World? Auf lange Sicht. Oft wird ja einfach ein wirklich einfaches ETF Portfolio empfohlen, wo die Kosten halt kleiner sind.
Wenn man mal einen Standard-/Routinetag nimmt:
Morgens 8/9 Uhr (je nach Sommer oder Winterzeit) Konferenz mit Asien und Übergabe der Bücher (an sich nicht meine Baustelle, aber bin trotzdem gern auf dem Laufenden), Briefing was zwischen NY close und Europa so passiert ist, Input aus Frankfurt was für den Tag an News und Events ansteht, dazu schnöde Orga- und Terminbesprechungen. Letzteres darf man aber nicht unterschätzen, weil zB auch besprochen wird wer in Asien (oder später in NY) oder in Frankfurt mit wem ein Meeting aufsetzt. Also XY ihr macht für KW12 mit Fixed Income Head of Trading Bank A oder B oder C n Meeting in Hongkong, Sydney oder Tokyo aus. Mich interessiert vor allem deren View auf dies und das, darf gern auch ein Economist dabei sein. Aber eben auch ganz langweiliger: XY ist krank, ohne den geht aber dies und das nicht... ich bin sauer; mach was! sag was! Die IT hat dies und das immer noch nicht geregelt! Ich kann so nicht arbeiten! Was ist mit den Lizenzen für dies und das?
Vormittags klick ich mich dann durch die Positionslisten und schau ob alles grob passt (Limite, Benchmarks, aktive Positionen, umgesetzte Levels). Auch das an sich nicht direkt meine Baustelle, aber auch da: Ich hab gern selbst n Blick drauf und verlier ungern den Kontakt zum Trading Desk/ Front Office. Hier und da lass ich was nachjustieren oder anpassen, quatsch mal mit den Cashmanagement/ Repo-Leuten. Da ich einen Asienfokus habe und die Liquidität in London für größere Positionen unterirdisch ist muss eigentlich schon die Hütte brennen, dass man aus Frankfurt heraus was größeres dreht. Und China Onshore geht eh nur solange China noch da ist. Das wäre mit EMEA oder auch US-Fokus anders.
Bis zum Nachmittag Vorbereitung irgendwelcher Besprechungen. Investment Committee hier, Briefing für irgendwen ganz oben zum einem Spezialthema dort, Anfrage/ Meeting von nem Kunden. Nicht immer alles gleichzeitig, aber irgendwas ist immer. Dazu noch regelmäßige Besprechungen mit dem Risikocontrolling, die in ihren Systemen mal wieder was nicht glatt gezogen bekommen, oder weil ich irgendwas neues zulassen will oder es zwischen Front Desk und BackOffice eskaliert, weil ein Papier noch nicht im System angelegt ist, das die hätten eigentlich handeln sollen oder oder. Und dann halt Verwaltungsscheiß im allgemeinen. Und sei es die Abrechnung einer Reise. Aber das lass ich jetzt mal raus.
Wenn kein Besprechungskram ist, dann bastel ich an strategischen Überlegungen zur Portfoliosteuerung, wie man irgendwas besser machen kann, was man zur Anlagestrategie vorschlagen könnte oder mach Präsentationen für Kunden. Also "machen" heißt dann halt auch den Abteilungen hinterher zu telefonieren, die die offiziellen Zahlen haben oder irgendwas zuliefern soll und dann soll das ja auch alles im Corporate Design sein, wozu man dann wieder mit anderen spricht. Kram halt.
Dazu ein bisschen Kontaktpflege in Bloomberg, Research lesen und so was.
Nachmittag dann Konferenz mit NY und danach irgendwelche bilateralen Besprechungen mit NY, wenn was anliegt. Und in der Regel klingt der Tag dann auch aus - je nachdem was so liegen geblieben ist vorher. Aber 18 Uhr ist schon das, was ich als Feierabend anpeile.
Gibt noch viele andere Facetten, aber das ist so der Alltag. Zum Reisen und so hab ich ja schon was geschrieben, aber ich will den Job jetzt auch nicht als den uiuiui super-aufregendsten darstellen. Ist halt ne solide Sache. Aber die Vorstellung des GordenGekko-mäßigen Star-Portfoliomanagers, der wild zockt: Das ist ganz, ganz weit weg von mir.
Zur Frage warum ein Fonds: Wenn Du ein institutioneller Investor bist, der sagen wir 5-10 Mrd in Anleihen anlegen will. Dabei aber qua Regulierung oder halt Präferenz oder Liabilities nur diese und jene Duration will, in Währungen XYZ diversifiziert, aber davon bitte X zum Teil gehedged sein soll. Aber nur wenn der Mond gerade im zweiten Zyklus im Jahr des Hasen ist! Ach ja und dann gerne die Benchmark iBoxx-XY hätte...aber bitte unterjährige Papiere nicht verkaufen möchte (anders als die Benchmark), weil das sonst bilanziell Probleme bei ihm gäbe (Mark to Market vs fortgesetzte Anschaffungskosten) und überhaupt ohne die unterste Ratingkategorie der BM und weil man Green sein will ohne Emittenten Z dafür aber Emittenten A... Uhhm und ein Cashflow von soundsoviel wär auch gut!
Dann kaufst Du Dir kein ETF. Sondern Du gehst zu nem externen Manager, vergibst ein Mandat und lässt dem Portfoliomanager graue Haare wachsen, weil der Dir erklärt, dass eine BM an der man gemessen werden soll, die man aber gar nicht exakt nachbilden kann echt keinen Sinn macht. Und da hab ich noch nicht vom Thema Steuern geredet. Aber der Kunde ist König und dann heißt es eben: Make it happen. Da müssen dann Rahmenwerke geschrieben und entworfen werden, Rechtsabteilung hier, Risikofritzen da... Nicht, dass ich da überall im Lead wäre, aber ich häng gefühlt überall mit drin und muss mich am Ende a) hinreichend mit auskennen um das glaubhaft erklären zu können und b) muss ich das im Zweifel auch umsetzen können, was da ausgekaspert wird. Und zwar so, dass es für mich möglichst schmeichelhaft ausgeht.
Nach der Schilderung dürfte auch klar sein, warum ein Gutteil der Arbeit für Orga und Besprechungen drauf geht. Ich bin halt nicht der Experte für irgendwelchen Quellensteuerscheiß in Ostasien - aber wir haben halt die Leute. Und ich muss mich dann da schlau machen und das dem Mandatsgeber erklären.
Und der Tailormade-Kram erklärt vielleicht auch, warum "IT-Skills" im weitesten Sinne nicht verkehrt sind. Uiuiui Policy Bank Bonds werden in China ab demnächst wieder anders besteuert als Corporates... rentieren die sich dann trotz gleicher Rendite mehr? Müssen wir da was machen? Kann ich die Portfolio Duration mit den Dingern bei vernünftiger Liquidität überhaupt nachbilden? Erst mal Excel aufmachen :)
In diesen Bereichen bekommt das alles auch den Charakter von aktivem Management. Da geht es halt drum: Biste im Jahr 40BP besser als die BM oder nicht? Dazu gibt es (manchmal) einerseits ein eigenes Risikobudget. Andererseits kann ich ne BM halt mit dem Papier in der BM nachbilden oder kauf n billigeres (Stichwort Bid/ask; On/Off-the-run). Kapitalmärkte sind bei weitem nicht so tief und effizient, wie man das an der Uni beigebracht bekommt. Oder am Aktienmarkt als privater erlebt. War früher vielleicht mal so. Heute nicht mehr. Versuch mal für 100 mio von genau einer EGB Serie zu bekommen, wenn die Zentralbanken 1/3 der issue haben. Wenn die gerade special ist heißt es halt: Bekommste. Kostet aber. (Okay hat sich wieder entspannt in den letzten zwei Jahren). Oder versuch mal die old 10yr JGB zu kaufen seit der Chef der BoJ kurz vor Weihnachten mal schlecht geschlafen hat. Die japanische Zentralbank besitzt 110% des Emissionsvolumen. (Ja, das geht). Viel Spaß. Also doch lieber die current oder bleibste einfach short in dem Bereich?
China? Neee elektronischer Handel is eh nicht... Bis vor drei Jahren haben wir Faxe nach Peking geschickt und gefühlt T+unendlich gesettled. Ist alles besser geworden, aber trotzdem. Ja, Bund und Treasurymarkt ist anders. FX-Hedge für den KRW? Ach so ne das unterliegt immer noch dieser und jener Regulierung/Kontrolle/dies das. Das geht gar nicht so, wie Du Dir das ausgerechnet hast.
Ich wollt nur ein bisschen verdeutlichen, warum ETFs für die Masse gut sind, aber wenn Du Volumen und Spezialanforderungen hast läuft da nix mehr. Und da wird es aus Job-Sicht eben erst spannend.
Ich hoffe auch, dass deutlich geworden ist warum man (mMn) den Job nicht so recht theoretisch lernen kann, sondern eher rein wächst. Wenn man sich nicht überall n bisschen auskennt, weil man selbst mal im FrontOffice war oder im BackOffice oder halt einfach weiß, wen man in HK bei der Deutschen anrufen muss (weil man sich halt kennt) um schnell, unkompliziert und ohne großes Aufsehen zu erfahren wie die Liquidität in XY wirklich ist und was es braucht, um mit denen handeln zu können, Side Letter Änderung dies das - dann ist man einfach unfassbar ineffizient, unfassbar gestresst oder braucht einen riesigen Stab an Mitarbeitern und ist damit extrem teuer.
Mag sein, dass das in den 90ern halt auch genau so war. Keine Ahnung. Vermutlich läuft das bei ganz großen auch ganz anders. Von daher kann man von mir sicher nicht auf die Industrie schließen, weswegen ich mich gern mit dem TE hier mal gesprochen hätte. Ich bin halt in dieser spezialisierten Nische. Das wiederum hat aber halt auch genau deshalb Zukunft und ist genau deshalb spannend. Würde ich sagen.
Eine Sache noch ganz unabhängig von diesem speziellen Job: Ich glaub aus meinen Schilderungen wird auch deutlich, warum BE so wichtig ist. Und zwar mMn in fast allen Bereichen.
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