Also der Reihe nach.
die Fail rate war nur auf den Test bezogen. Interview ist ne andere Sache, aber da spielt auch die Chemie ne kleine Rolle. Wenn du ein Rainman - Mathegenie bist das sich nicht ins Team einfügen kann, ist die Sache ebenfalls gelaufen.
Exit ist individuell, nach Vorliebe. Wer in Marktnähe bleiben mag, setzt sich eben in ne Bank (Private Banking, Asset mgmt, oder eben wieder Handel, einfach ne Nummer ruhiger) , oder vergoldet als Broker sein Beziehungsnetz. Dazu noch später...
Andere gehen zu Big4 (Audit, Zahlen, yaay), Industrie (Treasury/Finanzabteilung) oder auf die Buyside (reine Vermögensverwalter). Dann gibt es auch die Aussteiger, die was ganz anderes machen (start up, urban gardening, sich der Familie widmen, sich verwirklichen) aber da muss eben die Kasse stimmen.
Ich selbst bin jetzt bei nem Hedge Fund, wende aber im weitesten Sinne vergleichbare Strategien an, geniesse jedoch viel mehr Freiheiten als in nem Trading Laden oder gar einer Bank.
Der typische Tagesablauf ist wie folgt:
7 - 8 (je nach Firma) Einloggen, News lesen, Review des Vortages, Parameter checken (Zinsen, Dividenden, Firmenspezifische News)
9-9.15 Opening. Der Markt öffnet, die Systeme handeln weitgehend selbständig, als Trader muss man jedoch eine lückenlosen Überblick behalten und manuell Parameter anpassen. Parallel dazu (oder je nach Firma in separaten Teams) melden sich Broker und zeigen Preise oder fragen diese ab. Brokerhandel erfolgt bilateral, nicht über den offenen Markt.
ca. 11 die "most busy" Marktphase flaut langsam ab, es wird alles etwas ruhiger
12-13 Lunch, meist am Desk, der Profitabiltität wegen. Firma zahlt i.d.R. das Essen. Manchmal wird auch auswärts gegessen (wenn bspw. ein wichtiger "Kunde" in der Stadt ist und/oder Zeit findet)*
14 Es wird weitergehandelt, mit einem Auge jeodch immer auf die US-Märkte geschielt, selbst wenn die eigene Firma ein lokales Office unterhält. Die Amis sind immer für ne Überraschung gut.
17.30 Markt schliesst, man sieht zu das die jeweiligen Bücher (=trading depots)optimal gehedgt sind, und gleicht die effektiven Bestände mit den gebuchten Trades ab. Selbst 2016 kommt es immer wieder zu Differenzen ;-) Je nach Intensität der Trading session benötigt man für die korrekte Abrechnungen zw. 20 min bis 2h und geht nach Hause.
Karriereaussichten:
Die Hierarchien sind extrem flach (Trader, Teamleader, C-level, allenfalls Shareholder) weshalb Aufstiegschancen relativ beschränkt sind. Wie bereits erwähnt macht man zwar viel Kohle, hat aber in dem Job kleine Chancen, alt zu werden. Die wenigen Jungs die ich kenne welche ü40 sind, haben entweder ausgesorgt, machen den Job aber weiter weil sie's einfach nur geil finden, oder die sind gleich ganz an der Firma beteiligt. Sonst ist eben mit ca. Mitte/Ende 30 Schluss. Was mit 25 ziemlich geil scheint, nervt mit 42 eher. Und dann die ganze Hektik immerzu...
Zu den Brokern: Allen Unkenrufen zum Trotz halten sich die (immer noch) ziemlich gut. Allerdings handeln diese mit Blöcken (also Grossaufträge, z. Bsp. 20k Optionen, mit 2mm shares als underlying). Würde man diese Grössen im ordentlichen Handel abwickeln, würde man sich selbst den Preis verzerren. Broker sind für Trader wichtig um bezahlte Marktpreise zu ermitteln, umgekehrt sind Trader für Broker wichtig, um eben in grossen Positionen Liquidität darstellen zu können.
Nach einer gewissen Senorität im Job kommt es immer wieder vor, dass sich Trader als Broker betätigen. Ist aber nicht jedermanns Sache, da man gleichzeitig ein ausgedehntes Netzwerk benötigt, aber auch über eine entsprechende "Verkäuferpersönlichkeit" verfügen sollte. Der umgekehrte Wechsel vom Broker zum Trader ist praktisch ausgeschlossen, findet nur vereinzelt statt. Bei den Brokern verhält es sich analog zu den Tradern; die grössten Namen (Tullet, Intercapital, Tradition, Cantor Fitzgerald, Sunrise, OTCex, BGC, Exane, Kepler, Voltrex, AFS) sind der Öffentlichkeit nicht näher bekannt, wickeln jedoch Volumina ab, die selbst grösste Banken wie Kindergeburtstage aussehen lassen.
*Trader haben keine Kunden im eigentlichen Sinne, sondern Gegenparteien wie eben Banken, Broker, Institutionelle. Dennoch werden Beziehungen gepflegt. Man geht gemeinsam aus, lädt sich gegenseitig ein und schickt sich Weihnachtsgeschenke. Dazu richten Börsen und einzelne Marktteilnehmer immer wieder erlese Anlässe aus. Von züchtigen Cocktailparties bis hin zu veritablen Besäufnissen.
Insgesamt ist die ganze Branche einer Konsolidierung unterworfen. Als ich Anfänger war, hörte ich immer, die fetten Jahre seien vorbei. Pustekuchen. Klar, der Kuchen ist gleich gross geblieben, jedoch sind die Kosten gestiegen und es gibt neben "reinen" Trading Buden auch Banken und Funds, die sich um die Krümel reissen, aber insgesamt wird eben immer noch (verdammt viel) Geld gemacht.
Obwohl es ein wirklich strenger Job ist, macht/e er (zumindest mir) enorm viel Spass, man ist von blitzgescheiten Leuten umgeben, und hat die Lockerheit vom Startup kombiniert mit dem Lohn eines Bankkaders. Einziger Wermutstropfen ist - meiner Ansicht nach - ein extrem geringer Frauenanteil (<5%) und ein damit verbundenes Arbeitsklima (Gorilla-Rambo-Kapitalismus-Alphamännchen Gehabe, ist aber EXTREM von der Firmenkultur abhängig)
Es ist halt ein typisch meritokratisches Umfeld wo nur Leistung honoriert wird. Vitamin B oder Target-Uni hilft nix und kümmert kein Schwein; you eat what you kill - that's simple.
Alles was ich geschrieben hab, bezieht sich auf equity products (Aktien/Index-optionen, Delta-one/Futures/ETF).
Fixed Income/FX und Commodities sind ne ganz andere Geschichte, können jedoch Parallelen aufweisen.
Mahlzeit
Ex-Trader
antworten