DieManager von Morgen WiWi-TReFF.de - Zeitung & Forum für Wirtschaftsstudium & Karriere
Finanz-TippsFinanzkrise

Finger weg von den Firmen

Opel, Airbus, Schaeffler, Rosenthal, Märklin und wie sie alle heißen sind erst der Anfang. Es werden noch viele Firmen in Bedrängnis kommen und um Staatshilfe bitten. Der Staat kann diesen Bitten gar nicht nachkommen, denn so viel Geld hat er nicht. Meint ifo-Präsident Hans-Werner Sinn im neuen ifo-Standpunkt.

Deutscher Ökonomieprofessor und ehemaliger Ifo-Chef Hans-Werner Sinn

Finger weg von den Firmen
München, 11.03.2009 (ifo) - Hans-Werner Sinn, Präsident des Münchener ifo-Instituts, äußert sich im neuen »ifo Standpunkt« zum Thema Staatshilfe für unrentable Unternehmen. Wir geben seinen Artikel im Wortlaut wieder:

 

»Deutschland hat seinen Banken 550 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt, wovon allein 100 Milliarden für die Hypo Real Estate bestimmt sind. Die beiden Konjunkturprogramme kosten 80 Milliarden Euro, und die Bürgschaftsprogramme zugunsten der deutschen Industrie 100 Milliarden Euro. Hinzu kommen noch Gelder der Bundesländer für einzelne Landesbanken in Höhe von gut 30 Milliarden Euro. In der Summe geht es um etwa 760 Milliarden Euro. Selbst wenn nur ein Drittel der in dieser Summe enthaltenen Bürgschaften in Höhe von 570 Milliarden Euro zum Schluss als Kosten für den Staat verbliebe, würde die Gesamtlast aller Programme bei 380 Milliarden Euro liegen. Das entspricht etwa 127 Transrapidstrecken von je 3 Milliarden Euro zum Münchner Flughafen, 200 fünfjährigen Exzellenzinitiativen für alle Hochschulen der Bundesrepublik Deutschland oder rund 60.000 Kilometer neuer Autobahnen mit sechs Fahrstreifen.

Die Schuldenquote Deutschlands, also das Verhältnis von Schulden und BIP, lag zuletzt bei etwa 64 Prozent, was schon mehr ist als die 60 Prozent, die der Maastrichter Verlag erlaubt. Und die Zinsen auf diese Schulden lagen bei 69 Milliarden Euro oder 6,3 Prozent der gesamten Staatsausgaben bzw. 2,8 Prozent des BIP. Wenn die genannte Summe von 380 Mrd. Euro per Kredit finanziert wird, steigt die Schuldenquote auf 79 Prozent, und die jährlichen Zinsen steigen unter sonst gleichen Bedingungen auf 85 Milliarden Euro, was 7,7 Prozent der Staatsausgaben oder 3,4 Prozent des BIP sind. Die Zinslastquote bezüglich des BIP liegt damit über den 3 Prozent, die der Stabilitäts- und Wachstumspakt als maximale Nettoneuverschuldung zulässt. Die Bundesrepublik ist nun definitiv in der Phase ihrer Geschichte angekommen, wo die Schulden anfangen, weh zu tun.

Die zusammenbrechende Konjunktur lässt dennoch keine andere Wahl, als neue Schulden zu machen. Das Rettungspaket für die Banken ist erforderlich, denn ohne die Banken kann die Wirtschaft nicht existieren; dazu gibt es keine Alternative. Auch ist das Konjunkturprogramm vom Grundsatz her erforderlich, trotz aller Mängel im Detail. Manche linke Ökonomen wollten Konjunkturprogramme mitten im Boom der Jahre 2006 und 2007. Das war absurd. Aber heute steht die Welt in einer keynesianischen Krise und braucht deshalb die keynesianische Medizin.

Was Deutschland freilich nicht braucht, sind strukturerhaltende Politikmaßnahmen, wie sie nun zunehmend unter dem Deckmantel der Konjunkturpolitik gefordert werden. Das Bürgschaftsprogramm ist bereits ein großer Sündenfall, und nun will die Politik gezielt einzelne Unternehmen retten. Opel, Airbus, Schaeffler, Rosenthal, Märklin, und wie sie alle heißen, sind aber erst der Anfang. Es werden noch viele Firmen in Bedrängnis kommen und um Staatshilfe bitten. Der Staat kann diesen Bitten gar nicht nachkommen, denn so viel Geld hat er gar nicht. Und selbst, wenn er es hätte, so würde er den natürlichen Ausleseprozess verfälschen, der eine der großen Stärken der Marktwirtschaft ist. Zu jeder wirtschaftlichen Aktivität, die stattfindet, gibt es vielfache technische Varianten und Alternativen, die auch hätten stattfinden können, aber ökonomisch nicht effizient sind. Diese Varianten auszumerzen und nur die sinnvollen Dinge herauszufiltern begründet die Überlegenheit der marktwirtschaftlichen Ordnung über die Planwirtschaft.

Sicher brauchen Firmen Geld, um ihre Arbeiter, das eingesetzte Kapital und die Vorprodukte zu bezahlen. Aber dieses Geld muss von ihren Kunden kommen. Die Kunden sind es, die entscheiden, was produziert wird und was nicht. Den politischen Prozess an die Stelle der Kunden zu setzen heißt, dass der Staat den Bürgern das Geld wegnimmt und es an ihrer Stelle ausgibt. Dabei ist er heillos überfordert, wie die kommunistischen Systeme, die ja lange genug ausprobiert wurden, gezeigt haben. Weder kann die Politik die Menge an Informationen sinnvoll verarbeiten, die für sachgerechte Kaufentscheidungen nötig sind, noch haben die Politiker, Firmen und die von der Strukturpolitik betroffenen Bürger die nötigen Anreize, sich effizient zu entscheiden. Nicht wer die besten Güter herstellt, wird in der Staatswirtschaft gerettet, sondern wer am lautesten schreit, wer am größten ist und wer den größten politischen Einfluss hat.

Das heißt nicht, dass der Markt alles richten kann. Er kann zum Beispiel die Bereitstellung der öffentlichen Infrastruktur nicht sinnvoll organisieren. Auch kann er bestimmte Informationsprobleme oder auch Externalitäten verschiedenster Art nicht selbst richtig erfassen. Aber um all das geht es bei der Rettung der Firmen, von denen nun die Rede ist, nicht. Sie produzieren allesamt normale, marktfähige Güter, bei denen der Staat über ein allgemeines Konjunkturprogramm hinaus nichts zur Verbesserung der Kaufentscheidungen der Bürger beisteuern kann.

Man stelle sich nur einmal vor, die Politik und nicht der Markt hätte seit dem 19. Jahrhundert die Wirtschaftsstruktur bestimmt und den regelmäßig in den konjunkturellen Krisen stattfindenden Strukturwandel verhindert. Dann wären immer noch zwei Drittel aller Deutschen in der Landwirtschaft beschäftigt, und wir wären noch genauso so arm wie damals. Die Dynamik der Marktwirtschaft resultiert aus dem Prozess der fortwährenden schöpferischen Zerstörung einzelner Firmen, die nicht mehr gebraucht werden. Die dort gebundenen Produktionsfaktoren werden für neue Dinge freigesetzt, die es sonst nicht gäbe. Gerade diese schöpferische Zerstörung im Kleinen hat dieser Wirtschaftsform die Kraft gegeben, den Kommunismus und die daraus resultierende Gewaltherrschaft zu überwinden. Also Finger weg von den Firmen.«
 

 

Im Forum zu Finanzkrise

22 Kommentare

Finanzkrise 2008, keiner verstehts

WiWi Gast

Too Big to Fail - Andrew Ross Sorkin

6 Kommentare

CLOs, die Rückkehr der Spekulation und die nächste Finanzkrise?

WiWi Gast

WiWi Gast schrieb am 22.03.2020: Richtig, das gehört thematisch zusammen. Es ging damals aber nicht nur um Immobilien, sondern auch um Kreditkartenschulden, Auto Loans etc. Das ist nicht ric ...

16 Kommentare

Auswirkungen Finanzkrise auf Privatvermögen (Cash)

WiWi Gast

Rechnet eher mit Deflation als mit Inflation. Der Euro wird vermutlich sogar in der Krise aufwerten, dann lohnts in Dollars oder so umzutauschen.

2 Kommentare

Finanzkrise Thema

WiWi Gast

wie denn, wenn du nichtmal das Fach eingrenzt. Finanzwissenschaftlich gibt es sicher ein paar Aspekte der Subprimes, die man sich ansehen könnte. Buchhalterisch auch. Bad Banks wurden ja nicht geschaf ...

7 Kommentare

Fakten über die Finanzsituation in der EU

WiWi Gast

Lounge Gast schrieb: Absolut Richtig! Lieber Politologie oder Sozialwissenschaften. Das ist der neue Punk! ...

2 Kommentare

Finanzkrise

WiWi Gast

hey, muss auch eine Hausarbeit zu diesem Thema verfassen. Könnte ich vielleicht deine bekommen, um sie mit meiner abzugleichen? Hilf mir bitte^^ lg

3 Kommentare

Finanzkrise - Wer ist denn nun schuld?

WiWi Gast

Versuch an die Quelle der Geldschaffung zu kommen! Die Höhe des von der Zentralbank festgelegten Zinssatzes wirkt sich auf die Immobilienpreise aus. Liegt der Zinssatz sogar unter der Inflationsrate, ...

Artikel kommentieren

Als WiWi Gast oder Login

Zum Thema Finanzkrise

Ereignisse Zeitstrahl Finanzkrise

Eckdaten der Finanzkrise

In dem Zeitstrahl der Europäischen Zentralbank sind die wichtigsten Ereignisse seit Dezember 2005 im Zusammenhang mit der Finanzkrise dargestellt. Beim Klick auf die Ereignisse lassen sich weitere Erklärungen, Hintergrundinformationen, Links zu weiterführenden Artikeln und Pressemeldungen aufrufen.

Weiteres zum Thema Finanz-Tipps

UBS Bankfachwörterbuch

Bankfachwörterbuch von UBS

Umfangreiches Bankfachwörterbuch in Deutsch, Englisch, Französisch und Italienisch

Großaufnahme eines goldenen Sparschweins in dem sich die Sonne und ein Wohnhaus spiegelt.

Finanz-Tipps zum Jahreswechsel 2017

In einigen Wochen endet das Jahr 2017. Um keine Fristen zu versäumen und sich finanzielle Vorteile zu sichern, gilt es, vor dem Jahreswechsel noch einmal auf einige wichtige Themen bei den Finanzen zu schauen.

Screenshot der Website auxmoney

auxmoney.com - Kredite von Privat an Privat

Kredite von Privat: auxmoney ist eine Plattform, die zwei Möglichkeiten bietet - privates Geld zu leihen oder privates Geld zu verleihen.

Screenshot der Website finance-coach.de

My Finance Coach macht Schüler finanzfit!

My Finance Coach ist eine gemeinnützige Initiative der Partnerunternehmen Allianz, Grey und McKinsey zur Verbesserung der finanziellen Allgemeinbildung von Jugendlichen. Für den Einsatz im Unterricht stellt My Finance Coach kostenfreie Unterrichtsmaterialien zu sechs verschiedenen Themen zur Verfügung.

Großaufnahme eines goldenen Sparschweins in dem sich die Sonne und ein Wohnhaus spiegelt.

Finanz-Tipps zum Jahreswechsel: Woran 2015 noch zu denken ist

In einigen Wochen endet das Jahr 2015. Um keine Fristen zu versäumen und sich finanzielle Vorteile zu sichern, sollte jeder vor dem Jahreswechsel noch einmal auf einige wichtige Themen bei den Finanzen schauen.

Vermögensstruktur: Geld, Aktien, Anleihen, Gold

Geldpolitik: EZB-Geldflut kommt bei Unternehmen nicht an

Viel Aufwand, wenig Wirkung der EZB-Geldpolitik - Die Unternehmen profitieren bislang nicht von den Liquiditätsmaßnahmen der Europäische Zentralbank (EZB). Nach Beginn der Finanzkrise hat die EZB zuerst die Zinsen gesenkt und später damit begonnen, sehr viel zusätzliches Geld zur Verfügung zu stellen. So wollte sie das Kreditgeschäft ankurbeln. Die EZB-Maßnahmen haben bislang jedoch teils ernüchternde Ergebnisse.

Screenshot des Portals für Kreditvergleiche smava.de.

Online-Marktplatz »Smava« für Kredite von Mensch zu Mensch

Kredite von Mensch zu Mensch: Der Online-Marktplatz bietet Privatleuten die Geld leihen oder verleihen möchten eine Alternative zu Bankgeschäften. Die übliche Gewinnspanne zwischen Einlagen- und Kreditzins der Banken wird geteilt. Für die Vermittlung zahlen Kreditnehmer und Anleger eine Gebühr.

Beliebtes zum Thema Gehalt

Gehaltsvergleich 2022: Beruf und Bildungsabschluss entscheidend

Neben dem Beruf ist der Bildungsabschluss entscheidend für das Gehalt, so lautet das Ergebnis vom Destatis-Gehaltsvergleich 2022. Je höher der Bildungsabschluss ist, desto höher liegt in der Regel der Verdienst. Mit einem Bachelorabschluss betrug der Verdienst 4 551 Euro und mit einem Masterabschluss 6 188 Euro. Bei Promovierten oder Habilitierten betrug der durchschnittliche Verdienst sogar 8 687 Euro. Der interaktive Gehaltsrechner vom Statistischen Bundesamt liefert auch individuelle Informationen zu den Verdiensten einzelner Berufe.

Eine Hand hält gefächerte Karten mit Buchstaben, die das Wort Gehalt ergeben.

Gehaltsvergleich: Interaktiver Gehaltsrechner

Der interaktive Gehaltsrechner vom Statistischen Bundesamt liefert individuelle Informationen zu den Verdiensten einzelner Berufe und Berufsabschlüsse. Vorhandene Verdienstdaten zeigen, welche Merkmale den Verdienst einer Person beeinflussen und wie groß der Einfluss ist. Der Gehaltsrechner bietet die Möglichkeit, sich basierend darauf anhand individueller Angaben ein Gehalt schätzen zu lassen. Der Gehaltsvergleich ist kostenlos und anonym.

Mindestlohn: Die Beine von drei Bauarbeitern mit Gummistiefeln, die im frischen Beton stehen.

Stärkster Reallohnverlust seit 15 Jahren mit vier Prozent

Die Reallöhne verzeichnen mit vier Prozent Rückgang den stärksten Reallohnverlust für Beschäftigte seit 2008. Die Nominallöhne stiegen in Deutschland im Jahresdurchschnitt 2022 um 2,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Während im Jahr 2020 insbesondere die Kurzarbeit zu einer negativen Entwicklung der Reallöhne beigetragen hatte, zehrte 2022 die hohe Inflation das nominale Lohnwachstum auf.

Die Stadt Köln mit dem Dom im Vordergrund und der Rheinbrücke im Hintergrund.

Immobilienpreise sinken in Großstädten flächendeckend

Trendwende bei Immobilienpreisen - Die gestiegenen Zinsen bedeuten für Familien mehr als 100.000 Euro weniger Budget beim Immobilienkauf. In 12 von 14 Großstädten sinken die Immobilienpreise von Bestandswohnungen gegenüber dem Vorquartal. Bereits den zweiten Rückgang von je 2 Prozent gibt es in München und Köln. Erstmals sind auch in Hamburg, Frankfurt und Stuttgart Rückgänge von 2-3 Prozent zu beobachten. Während die Preise in Berlin stagnieren, verzeichnet Hannover mit 4 Prozent den stärksten Preisrückgang der Großstädte. So lauten die Ergebnisse der siebten Ausgabe des immowelt Preiskompass für das dritte Quartal 2022.

Das Foto zeigt den Senior Partner Michael-Schlenk der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG in Österreich.

KPMG Österreich erhöht Gehälter um 3.000 Euro

Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von KPMG Österreich erhalten zum 1. Juli 2022 eine Gehaltserhöhung von 3.000 Euro. Es handelt sich dabei um eine Gehaltserhöhung ergänzend zum regulären Gehalts- und Prämienprozess. „Mit dieser Gehaltserhöhung würdigen wir das Engagement und die Leistung aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“, hält Senior Partner Michael Schlenk fest.

Absolventen-Gehaltsreport-2018: Absolventenhut und fliegende Geldmünzen

Absolventen-Gehaltsreport 2018/19: Höhere Einstiegsgehälter bei WiWis

Wie im Vorjahr verdienen die Wirtschaftsingenieure bei den Absolventen der Wirtschaftswissenschaften mit 48.696 Euro im Schnitt am meisten. Sie legten im StepStone Gehaltsreport für Absolventen 2018/2019 damit um 458 Euro zu. Wirtschaftsinformatiker erhalten mit 45.566 Euro (2017: 45.449 Euro) und Absolventen der Wirtschaftswissenschaften, VWL und BWL und mit 43.033 Euro (2017: 42.265 Euro) ebenfalls etwas höhere Einstiegsgehälter.

Stepstone Gehaltsreport 2018: Das Bild zeigt zwei Lego-Männchen Frau und Mann im Anzug (Wirtschaftsingenieurin und Wirtschaftsinformatiker) vor einem Computer.

StepStone Gehaltsreport 2018: Wirtschaftsingenieure und Wirtschaftsinformatiker sind Topverdiener

Fachkräfte und Führungskräfte mit einem Studienabschluss in Wirtschaftsingenieurwesen und Wirtschaftsinformatik verdienen ausgezeichnet. Mit einem durchschnittlichen Jahresgehalt von 70.231 Euro liegen die Wirtschaftsingenieur hinter Medizin und Jura auf Platz drei der zurzeit lukrativsten Studiengänge. Die Wirtschaftsinformatiker verdienen mit 69.482 Euro ähnlich gut und sind hinter den Ingenieuren auf Rang fünf im StepStone Gehaltsreport 2018. Mit einem Abschluss in BWL, VWL oder Wirtschaftswissenschaften sind die Gehälter als Key Account Manager mit 75.730 Euro und als Consultant mit 67.592 Euro am höchsten.