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Finanz-TippsGeldpolitik

Geldpolitische Maßnahmen der EZB stimulieren die Wirtschaft

Preise, Produktion und Inflationserwartungen werden durch die unkonventionellen Maßnahmen der Europäischen Zentralbank gestützt. Sowohl der Euroraum als Ganzes als auch Deutschland allein profitieren, wie eine aktuelle Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) zeigt. DIW-Ökonom Dr. Malte Rieth resümiert: "Unsere Untersuchung zeigt, dass die Maßnahmen der EZB sehr effektiv waren."

Geldpolitische Maßnahmen der EZB stimulieren die Wirtschaft
Berlin, 10.03.2016 (diw) - Die geldpolitischen Maßnahmen der Europäischen Zentralbank (EZB) zur Bekämpfung der Finanz- und Schuldenkrise haben gewirkt. Die Preise und das Bruttoinlandsprodukt wurden durch die sogenannten unkonventionellen Maßnahmen – also denen, die nicht nur den Leitzins betreffen – gestützt und die Inflationserwartungen stabilisiert. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), die im aktuellen Wochenbericht 08/2016 veröffentlicht worden ist. „Wir schlussfolgern aus unserer empirischen Analyse, dass die verschiedenen Maßnahmen der EZB dabei geholfen haben, ihr Mandat zu erfüllen“, so Malte Rieth, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Abteilung Makroökonomie am DIW Berlin, der die Studie zusammen mit seinen Kollegen Michael Hachula und Michele Piffer durchgeführt hat. Zu den unkonventionellen geldpolitischen Maßnahmen zählen etwa die erweiterte Kreditvergabe an Banken, der Kauf von Staatsanleihen und das OMT-Programm (Outright Monetary Transactions).

Effektive Geldpolitik für den Euroraum und Deutschland
Um die Wirkungen der Geldpolitik beurteilen zu können, hat die Forschergruppe nicht nur einzelne Programme betrachtet, sondern den durchschnittlichen Effekt der EZB-Maßnahmen berechnet. Mithilfe von Simulationen kommen die Ökonomen zu dem Schluss, dass sowohl der Euroraum insgesamt als auch Deutschland allein von den unkonventionellen Maßnahmen profitieren. „Die Befürchtung, dass eine Geldpolitik, die für Europa gut ist, Deutschland schadet, teilen wir überhaupt nicht - ganz im Gegenteil“, sagte Rieth. Durch die Politik der EZB habe die Unsicherheit im Euroraum abgenommen. In der Folge seien die Zinsen für Bundesanleihen zwar minimal gestiegen. Dies habe Deutschland aber unter dem Strich nicht geschadet. Gesamtwirtschaftliche Produktion und Preise seien in der Bundesrepublik und im Euroraum gestiegen: „Wir erklären diesen positiven Effekt vor allen Dingen dadurch, dass die deutsche Wirtschaft sowohl finanziell als auch realwirtschaftlich eng mit dem Rest des Euroraums verbunden ist.“

Risiken durch Blasenbildung auf einzelnen Finanzmärkten
Die Autoren der Studie räumen allerdings ein, dass mit der expansiven Geldpolitik auch Risiken verbunden seien. So könnten die unkonventionellen Maßnahmen der EZB die Kluft bei der Vermögensverteilung möglicherweise verschärfen. Außerdem bestehe die Gefahr, dass es in der Folge zu einer Blasenbildung auf einzelnen Finanzmärkten komme. Bei diesen Risiken müssen Banken- und Finanzaufsicht rechtzeitig gegensteuern.

Download DIW Wochenbericht 8/2016 [PDF, 32 Seiten - 961 KB]
EZB-Politik erfolgreich im Euroraum und in Deutschland

Interview zum Erfolg der EZB-Maßnahmen

Dr. Malte Rieth, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Abteilung Makroökonomie am DIW Berlin
"Unsere Untersuchung zeigt, dass die Maßnahmen der EZB sehr effektiv waren"

Interview anhören (Das Gespräch führte Erich Wittenberg)


1. Herr Rieth, Sie haben die Auswirkungen von unkonventionellen geldpolitischen Maßnahmen der EZB untersucht. Wie sind Sie dabei vorgegangen?
 
Wir haben uns in einer empirischen Untersuchung angeschaut, wie sich verschiedene Maßnahmen, die die Europäische Zentralbank (EZB) im Verlauf der letzten acht Jahre durchgeführt hat, auf die Volkswirtschaft im Euroraum und in Deutschland ausgewirkt haben. Dabei haben wir nicht nur einzelne Maßnahmen betrachtet, sondern versucht, den durchschnittlichen Effekt dieser unterschiedlichen Maßnahmen zu berechnen, indem wir ein Makromodell schätzen und das dann simulieren.


2. Wie definieren Sie eine unkonventionelle geldpolitische Maßnahme?

Wir haben eine relativ einfache Definition gewählt und versucht, alles auszuschließen, was den Leitzins der EZB betrifft, denn der ist schon 2009 fast auf null gesenkt worden. Also konnte man mit diesen Maßnahmen die Wirtschaft im Euroraum nicht weiter stimulieren und hat dann zu anderen Maßnahmen gegriffen. So hat man zum Beispiel den Banken den Zugang zu Krediten erleichtert oder teilweise Staats anleihen gekauft. Ein anderes Beispiel ist das OMT-Programm (Outright Monetary Transactions).


3. Es gibt durchaus kritische Stimmen zu einer Geldpolitik, die nicht dem Standard entspricht. Wo liegen denn theoretisch gesehen die Risiken?

Das ist ein wichtiger Punkt. Wir schauen uns vor allen Dingen die „gute Seite“ dieser Maßnahmen an, wollen aber nicht verschweigen, dass es auch Risiken gibt. Solche Risiken können zum Beispiel Verteilungswirkungen sein, weil die Mitgliedsländer in der Eurozone, aber auch verschiedene Haushalte, Personengruppen oder Unternehmen unterschiedlich von den Maßnahmen betroffen sind. Im schlimmsten Fall kann es zu einer Blasenbildung auf bestimmten Finanzmärkten kommen.


4. Welche Auswirkungen haben unkonventionelle geldpolitische Maßnahmen der EZB auf den Euroraum?

Unsere Untersuchung zeigt, dass diese Maßnahmen sehr effektiv waren. Das heißt, dass sie einen ökonomisch signifikanten Effekt hatten, sowohl auf die Preise als auch auf das Bruttoinlandsprodukt und die Inflationserwartung. Wir würden daher aus unserer empirischen Analyse schlussfolgern, dass diese verschiedenen Maßnahmen der EZB geholfen haben, ihr Mandat zu erfüllen, indem sie die Preise und die Preiserwartung stabilisiert haben.


5. Welche Konsequenzen hat das für die deutsche Wirtschaft?

Die realwirtschaftlichen Effekte unterscheiden sich in Deutschland kaum von denen, die man in anderen Euroländern beobachtet. Die Befürchtung, dass die Geldpolitik, die für Europa als Ganzes gut ist, für Deutschland schädlich ist, sehen wir überhaupt nicht, ganz im Gegenteil. Wir beobachten, dass die Reaktion der Preise und auch der Produktion in Deutschland sehr ähnlich ist wie in der Eurozone als Ganzes.


6. Welche Auswirkungen haben unkonventionelle Maßnahmen der EZB auf deutsche Staatsanleihen?

Maßnahmen, die in anderen Ländern die Zinsen senken, haben in Deutschland eher den Effekt, dass sie die Zinsen erhöhen, wenn auch nur minimal. Der Effekt, den wir hier beobachten, ist mit dem Status von Bundesanleihen als sicherer Hafen zu erklären. Die Nachfrage nach sicheren Anlagen geht zurück, wenn die EZB etwas tut, was für den Euroraum als Ganzes als positiv wahrgenommen wird. Wenn Investoren weniger deutsche Staatsanleihen nachfragen, ziehen hier die Zinsen leicht an. Interessant ist aber zu beobachten, dass die Produktion und auch die Preise in Deutschland ebenfalls steigen. Wir erklären diesen positiven Effekt vor allen Dingen dadurch, dass die deutsche Wirtschaft sowohl finanziell als auch realwirtschaftlich eng mit dem Rest Europas verbunden ist.


7. Was bedeuten Ihre Ergebnisse für die Beurteilung der EZB-Politik der letzten Jahre?

Basierend auf unserer Analyse kommen wir zu dem Schluss, dass die Politik der EZB sehr effektiv war. Sie hat der Wirtschaft einen Schub gegeben und der EZB geholfen, vor allem die Preiserwartung, aber auch die Konsumentenpreise zu stabilisieren und hat damit ein Abrutschen in eine Deflation durchaus wirksam bekämpft.