Grundstückspolitik ist intransparent, in Gemeinden haben Lokalpolitiker oft ein starkes Interesse daran, wenig Bauland auszuweisen, damit z.B. eigene Immobilien an Wert gewinnen. In rot-grün regierten Großstädten hat der Bürgermeister oft ein Interesse daran, die Leute als arme Mieter enden zu lassen, um sich Wähler zu sichern.
Was ich in den Medien nie in den letzten Jahren gehört habe: Wohnungsmarkt hat fast nichts mit Kapitalismus zu tun; Angebot und Nachfrage sind dermaßen stark von intransparenter Hand gelenkt, dass man nicht von Angebot und Nachfrage sprechen kann wie z.B. beim Auto oder Fahrradmarkt. Wenn in Berlin ein Mietendeckel eingeführt ist, dann ist das doch nur eine weitere unkapitalistische Regelung, richtig, Mietendeckel ist unkapitalistisch, aber es gibt seit Jahrzehnten in fast jeder deutschen Stadt den Baulandeckel, das ist 20 000x mehr stärker antikapilastisch als der Mietendeckel über ein paar Jahre in Berlin.
Übrigens ist es nachgewiesen, dass Wähler, die Immobilienbesitzer sind, oftmals vorrangig die Partei wählen, die den Wert der eigenen Immobilie stärkt und sichert. Die Bauland-Immo-Frage ist hochgradig politisch, konservativ sein heißt oftmals in erster Linie: die CDU verhindert den Neubau, meine Immoilie gewinnt an Wert, die wähle ich, der Rest von der CDU ist oftmals bestenfalls drittrangig.
WiWi Gast schrieb am 26.12.2021:
Um ein bisschen Struktur in die Diskussion zu bringen: Es gibt verschiedene Wege, wie Bauland entstehen kann. Klassisch kommt entweder ein Eigentümer auf die Gemeinde zu und sagt, dass er Ackerland zur Verfügung stellen würde, oder die Gemeinde hat durch das strategische Flächenmanagement/ den Flächennutzungsplan schon die Idee, wo Wohnbau/Mischgebiet/Gewerbegebiet/Industriegebiet möglich sein soll.
Dann ist es aber noch ein weiter weg: Oft wollen Grundstückseigentümer, vor allem Landwirte, nicht, dass Acker zu Bauland wird (hier gibt es tatsächlich auch viele nachvollziehbare Gründe). Wenn man sich aber doch einigt, wird also ein Bebauungsplan aufgestellt. Bei Gemeinden muss der normalerweise vom Landratsamt, bei Städten von der Regierung des Bezirks abgesegnet werden. Das wird aufgrund der neuen Umweltauflagen immer schwieriger, obwohl ja schon seit Langem Ausgleichsflächen etc. geschaffen werden müssen. Sagt das Landratsamt/die Regierung aber ja, kann ein Baugebiet entstehen.
Oben hatte ja schon jemand das Thema Bauzwang angesprochen: Bei neuen Baugebieten gehört ja nicht alles der Gemeinde. Bisher hat man meistens das Modell gefunden, dass Die gesamte Nettobaulandfläche (also abzüglich Erschließungsflächen) zu 70% an der bisherigen Eigentümer und zu 30% an die Gemeinde geht. (Hier gibt es eine richterliche Rechtsprechung, nach der der Anteil der Gemeinde nicht höher sein darf.) Die Gemeinde kann nun also ihren Anteil der Grundstücke verkaufen. Nach Europarecht darf hier aber nicht rein nach Einheimischenmodell vorgegangen werden: Viele Gemeinden wollen natürlich, dass die eigenen jungen Leute die Grundstücke bekommen. Da die Gemeinde die Flächen aber vergünstigt bekommen hat, muss bei der Vergabe mindestens die Hälfte der ausschlaggebenden Merkmale auf sozialen Gesichtspunkten beruhen (Gehalt, Kinder, pflegebedürftige Eltern, etc.). Die andere Hälfte der Punkte darf für Einheimische vergeben werden (Wohnort im Gemeindegebiet, Ehrenamt, etc.). Das führt dazu, dass natürlich oft auch Auswärtige Grundstücke bekommen.
Und dann noch der Punkt Bauzwang, der oben angesprochen wurde: Auf den eigenen Grundstücken darf die Gemeinde einen Bauzwang auferlegen: Wenn der Bauwerber bsp. nach 2 Jahren keinen Rohbau und nach 4 Jahren kein fertiges Haus gebaut hat, hat die Gemeinde das Recht, das Grundstück zurückzukaufen und an jemanden zu vergeben, der es bebauen will. Damit soll Spekulation verhindert werden und das Grundstück an Leute gehen, die eben tatsächlich in der Gemeinde leben wollen.
Die privaten Grundstücke bleiben, wie von dir beobachtet, oft frei liegen. Da das den Gemeinden ein Dorn im Auge ist, versuchen aktuell viele, neue Modelle beim Flächenerwerb aufzusetzen (z.B. das Ulmer Modell).
Grundstückspolitik ist, das kann ich dir als Stadträtin sagen, tatsächlich sehr komplex. Oft gibt es nicht „die bösen Spekulanten“, sondern ganz klare Gründe, weshalb irgendwo Bauland entstehen kann oder eben nicht, oder weshalb Menschen ihre Flächen nicht hergeben. Ich hoffe, ich konnte dir ein bisschen helfen. Gib sonst gern Bescheid.
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