WiWi Gast schrieb am 28.07.2020:
Das ergibt ja überhaupt keinen Sinn. Du schreibst, dass Start-Ups ineffizient sein wollen. Ist da Ironie, die ich nicht sehe oder hast du dich verschrieben?
WiWi Gast schrieb am 28.07.2020:
WiWi Gast schrieb am 28.07.2020:
Wieso feiert man das unstrukturierte Arbeiten denn eigentlich so? (ernstgemeinte Frage) Ich mag es, wenn man Dinge so organisiert, dass man die dann schön nach Plan abarbeiten kann. Struktur in Abläufen ist doch eine tolle Sache – Wieso möchte man das (in Startups) nicht?
Ne, ist schon richtig was der Vorposter schreibt. Startup ist ja nicht gleich Startup und "unstrukturiert" heißt ja nicht gleich "ohne Plan". Startup bedeutet dass es keinen vordefinierten Prozess gibt und damit auch, dass das Einhalten von Deadlines schwierig ist. Das - und nur das - ist die Kunst die man als Gründer bewerkstelligen muss. Nämlich die Balance zwischen Mitarbeiteranforderung, Investorenforderung und Kundenwunsch hinzubekommen. War da noch was? Achja, das Produkt. ;-) Aber das ist tatsächlich nachgelagert, denn wenn man die drei Dinge auf eine Linie gebracht hat, erfolgt die Produktentwicklung automatisch.
Die obigen drei Dinge in Einklang zu bringen folgt aber keiner festen Struktur. Das ist der große Unterschied zum Konzern, wo alles bis ins Detail geregelt ist. Und das heißt automatisch auch, dass man Fehler macht und daraus lernt. Es geht garnicht anders.
Das gleich Muster findet man auch in der Wissenschaft, da man auch dort Neuland betritt, nicht weiß ob man Erfolg haben wird, die Idee aber auf Konferenzen präsentieren muss. Der Pitch vor Investoren oder Kunden ist nicht wirklich anders, als wenn ich einen Artikel auf einer Fachkonferenz verteidige. In beiden Fällen sitzen auf der anderen Seite genügend Leute mit Erfahrung, die meinen es besser zu wissen. Die Frage nach der perfekten Vorbereitung auf die Gründung war daher, zumindest in meinem Fall, die Promotion gewesen - sofern man sie denn auch richtig verfolgt. Es geht auch in der Wissenschaft nicht darum, etwas weltbewegendes zu entwickeln sondern die Idee dahinter zu verkaufen. Aus dem selben Grund werden nur wenige Cracks in der Forschung Professor, wie andererseits nur wenige IT'ler Gründer. Das versteht man aber erst mit der Zeit.
Denn so etwas lernst man nur in der "Praxis" und nicht in dem man zu irgendwelchen VCs oder Gründerunis geht. Selbst das tollste Netzwerk bringt einem nichts, wenn man am Ende an der Transformation scheitert und den Kunden nicht überzeugen kann. Im Vergleich dazu ist dieser, vorherige Mehrwert, marginalisiert.
Wenn man das einmal verstanden hat, hat man auch verstanden wie Startups ticken. Wo verdiene ich als IT'ler also bspw. wirklich gut in einem Startup? Nun, dort wo der Gründer/CxO/CHef/Bla Interesse daran hat mich bzw. mein Team zu entwickelt. Und zwar so dass er eine höhere Budgetierung gegenüber dem Kunden (B2B) oder der Zielgruppe (B2C) rechtfertigen kann - und zwar nur so. Einfach jährlich mehr Geld in den Performancegesprächen beantragen wie im Konzern weil... Punkt ist nicht. Wenn ich das verinnerliche, dann verdiene ich auch auf einer Einstiegsposition viel Geld, denn ich muss(!) Verantwortung übernehmen und etwas wertvolles erschaffen. Das geht primär bei Startups die wirklich Neuland betreten und dies kundennah und nicht investorennah entwickeln. Denn damit sitzen sie am längeren Hebel. Bin ich stattdessen jemand der ein bestehendes Produkt "nur" knallhart besser skalieren will, um Wettbewerber anzugreifen/auszuschalten, dann sollte klar sein, dass alle Ebenen auf Kante genäht sind. Rocket ist da ein sehr negatives Beispiel in meinen Augen, weil sie eine Heerschar von FIrmen züchten, die einfach nur so schnell wie möglich Marktanteile inihrem Segment erobern sollen. Die Fintechszene ist auch mittlerweile schwierig, weil wie Margen ohne echte Technologieentwicklung sehr gering sind. Da werden zwar große Finanzierungsrunden gefahren, aber das heißt ja nicht, dass das Geld für die Mitarbeiter ausgegeben wird. Ich habe auch als Gründer, null Anreiz in diesem Konstrukt Gehaltserhöhungen durchzuführen weil ich ja weiter wachsen muss. Keine Ahnung, woher dieser Irrglaube kommt. Die Definition von Startup geht zwar primär über die Skalierung und Reichweite, aber die Zeit für die Umsetzung bzw. Nachhaltigkeit der Entwicklung ist ja mindestens genau so wichtig. Ich sehe aber immer wieder, dass man als Gründer lieber schnell die Welt verbessern will, anstatt erstmal in der eigenen Stadt anzufangen. Ich musste das auch anfangs lernen. Als Absolvent sollte man dann daher recht schnell stutzig werden, wenn einem vollmundig die Revolution versprochen wird (Kreditech aus HH lässt grüßen), aber bitte nur für 30k brutto und Hand in Hand mit Werkstudenten, Praktikanten, Bacheloranden und Masteranden. Wenn man lernen möchte, bitte - aber es kann durchaus auch sinnvoll sein, das Produkt zu hinterfragen, an dem man dann tüftelt. Wer damit nicht umgehen kann, der ist in einem großen Unternehmen wesentlich besser aufgehoben. Und noch einmal, das ist auch nicht verwerflich. Es gibt kein Richtig oder Falsch in der Relation.
Danke listrea! Ich bin weder an echten Startups, noch in Berlin "interessiert" oder gar Zuhause, aber hab einen sehr spannenden Einblick auf das Thema Startup mitnehmen können. Aber die Art der Qualitativen Beiträge ist man ja von dir gewohnt.
Ernsthaftes Danke für die spannenden Einblicke abseits irgendwelcher sinnfreien Tier klassifizierungen von Firmen, Gymnasien, Bundesländer oder mittlerweile gar Computer (WTF?!)
Dir und deinem Unternehmen alles erdenklich gute!
Danke, wir bemühen uns. ;-) Das hat mich dann doch dazu bewogen, etwas ausführlicher zu schreiben.
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