WiWi Gast schrieb am 23.12.2022:
Ich habe wohl den Traum vieler Studenten:
Entspannter und geregelter 40h Job, fast full remote, hohe Jobsicherheit und sechsstelliges Einkommen. Allerdings sind meine Aufgaben ziemlich stupide und langweilig. Weiterentwicklungsmöglichkeiten außerhalb der Stelle kaum gegeben. Aber deswegen kann ich auch chillen und werde top bezahlt.
Allerdings ist mir wirklich langweilig. Nicht nur im Berufsleben sondern auch sonst. Ich habe mit 18 angefangen in dem Laden zu arbeiten und habe mich über dein duales Studium in meine aktuelle Position entwickelt. Die Firma würde mich am Liebsten für die nächsten 45 Jahre festketten (O-Ton meiner Führungskraft).
Irgendwie stehe ich jetzt mit Mitte 20 da und frage mich: "Ist das wirklich das Leben"? Zu überlegen wie ich aus meinen 30 Urlaubstagen möglichst viel raushole und welche Auto ich mir in 2 Jahren kaufe?
Ich habe das Gefühl mein Leben zu "verschwenden". Ausgelöst durch meinen recht tristen und routinierten Alltag habe ich das Gefühl kaum noch Freunde am Leben zu empfinden.
Jemand schon mal in einer vergleichbaren Situation gewesen?
Ja, vergleichbare Situation gehabt und mit einem Psychologen darüber einige Sessions geredet, während ich das, was du schreibst, vorher mehrere Jahre in mich reingefressen habe und mir dachte "First-World Problems, du musst halt mit irgendwas deine Familie ernähren."
Der Ansatz ist aber extrem gefährlich, wird jedoch von vielen Leuten (auch die Kommentare hier) gestützt.
Der Kollege meinte damals zu mir: Wenn du das Bedürfnis hast, in deinem Leben etwas zu ändern, und dich dieses Bedürfnis jede Nacht in den Schlaf begleitet, solltest du nicht nur, sondern musst du etwas ändern. Wenn dann noch Bauchschmerzen, Müdigkeit oder andere Sachen hinzukommen, wird es wohl wirklich höchste Zeit.
Ergo: Falsche Projekte, Kollegen etc. hat jeder mal über einen gewissen Zeitraum, sicher kann einen das auch mal ins Bett begleiten, aber zu lange ist ungesund.
Die richtige Antwort für dich wirst nur du selber finden, da gibt es zahlreiche Methoden wie du das findest, was dich wirklich erfüllt. Ja - das klingt nach "kauf mein Buch und ich erkläre es dir in 100 Minuten" aber letztendlich ist es so: Du musst irgendwo das finden, was du gerne tust und das scheint dein Alltag dir nicht zu geben und das ist auch ok. Ob mit 20, 25 oder 40 völlig egal. Wichtig ist, dass du morgens aufstehst und dich exakt genau so fühlst, als würdest du am Nachmittag oder späten Abend dich deinem Hobby widmen! Glaube mir das geht! Ich hatte am Anfang auch Zweifel.
Bin damals auch im Bürojob untergegangen, habe das Jahre in mich reingefressen und irgendwann einen Schlussstrich gezogen. Es hat lange gedauert bis ich das gefunden habe, was mir Spaß macht: Reisen, neue Leute kennenlernen, mich in verschiedenste Prozesse reindenken und irgendwo auch ein wenig schei?e labern. Seit 5 Jahren bin ich nun im Vertrieb und überglücklich. Gehalt ist mittlerweile mit einer kleinen 2 vorne sechsstellig, was auch internen Kündigungen zwei meiner Vorgesetzten zu verdanken war. Mein größtes Lebensziel abseits meiner Familie habe ich mittlerweile erreicht: Ich kann jeden Monat einen hohen 4 stelligen Betrag an eine Organisation in Zentralafrika spenden, wo ich damals nach meinem Studium geholfen habe und was mich sehr mitgenommen hat. Für manche lächerlich - mich erfüllt das extrem.
Ich sehe diese Entwicklung auch in unserem Dorf bei den jungen Leuten sehr gut: Kinder/Jugendliche, die aus wirklichen Bauernfamilien abstammen, denken heute mit 18 nur noch daran, in welcher tollen Stadt sie denn studieren möchten und welcher Studiengang denn der beliebteste ist. Dabei übersehen viele, dass sie das (sicher nicht fix, aber zumindest in die Richtung) ihr Leben lang machen werden. Extrem wichtig ist auch, dass Kinder auf ein Gymnasium gehen und kaum darauf gehört wird, was eigentlich empfohlen wird.
Andererseits sehe ich Leute die das, was wir nicht mehr wollten, also Überstunden im Büro sitzen, mit Bravour und einer enormen Disziplin und Motivation durchziehen. Meine Frau zum Beispiel mag ihren Job im Rechnungswesen. Sie legt eben wert auf einen krisenfesten Job und 35 Stunden die Woche, um auch nach dem Mutterschutz jetzt wieder möglichst viel Zeit mit unserem kleinen Sohnemann zu verbringen. Das ist mir natürlich auch wichtig, aber zu lange zu Hause gehe ich wieder unter; ich brauche draußen einfach Abwechslung, Kunden und Bestätigung. Mittlerweile leite ich ein Team mit 24 Vertrieblern, bei denen ich mich bei fast allen wiedersehe. Vertrieb lernt man ja nicht in dem Sinne das man eine Ausbildung oder Studium dafür macht, sondern alle kommen irgendwo aus einer unterschiedlichen Richtung des technischen Bereichs und hatten auf Programmierung oder andere administrative Funktionen keine Lust (mehr).
Geh mal in dich hinein und notier dir das, was du gerne machst. Daraus kannst du vielleicht irgendwie eine Richtung ableiten, in die es beruflich gehen sollte. Wenn du wirkliche Probleme damit bekommst (mit deiner aktuellen Situation) kann ich dir nur empfehlend, bei deinem Hausarzt mal nach Möglichkeiten eines Gesprächspartners nachzufragen. Der wird dir da helfen. Ich hatte damals großen Scham dorthin zu gehen, aber er sagte mir doch dann tatsächlich, dass es selbst in unserem 3k Einwohner Kaff viele solcher Probleme gibt, gerade seit Covid.
Ganz viel Erfolg und eine schöne Urlaubszeit - 2023 wird dann wohl dein Jahr :-)
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