Bei meinem Partner ist der Wunsch vor 67 nicht mehr zu arbeiten sehr groß. Zumindest kommt das in unseren Diskussionen zum zweiten Kinde immer wieder auf. Einerseits sagt er dann, dass es ja auf 1-2 Jahre (Elternzeit und Einkommenswegfall) nicht ankommt. Andererseits sagt er aber, dass er schwer abschätzen kann wie stark die familiäre Situation mit 2 Kindern ihn belastet (neben den Glücksmomenten, welche er schon sieht und auch angibt sich darüber zu freuen). Er geht sehr verkopft an die Sache. Rechnet ständig hin und her. Dabei erbringt er uns regelmäßig den Beweis, dass wir es finanziell gut schaffen werden. Auch mit einem Gehalt.
Ich denke, dass bei ihm auch Ängste dazukommen, das Tempo nicht halten zu können. Er redet ständig davon, dass ihn sein Job nervt. Gleichzeitig kann er auch nicht artikulieren, was er gerne anders hätte. Ich habe den Eindruck, dass ihn die Arbeit einfach nervt und er sich dadurch eingeschränkt fühlt. Obwohl er sich eigentlich glücklich schätzen kann. Über das Gehalt kann man sich nicht beschweren. Er hat sich über die Jahre eine Jobsituation geschaffen, wo er vergleichsweise “ruhig” arbeiten kann. Und er arbeitet 100% im Home Office (seit Corona). Manchmal glaube ich, dass ihm das permanente Home Office in Summe nicht gut tut. Dass er zu viel zu Hause rumsitzt und nur deshalb diese Gedanken aufkommen. Wenn ich ihn Frage was er dann machen möchte, kommen immer wieder ähnliche Aussagen. Sich auf die Familie und das persönliche Glück fokussieren. Zeit für die Liebsten haben, ohne den Druck des Berufslebens. Frei sein. Unabhängig sein. Gleichzeitig sagt er, dass das aber aktuell nicht greifbar ist. Manchmal sagt er auch, dass er glaubt, das der wahre Grund im Arbeits- und Berufsleben liegt. Dass er dafür nicht gemacht ist und es halt über sich ergehen lässt (oftmals sagt er dann auch, dass er das eigentlich keine Kind antun möchte und die gesamte Welt sehr bescheiden ist). Das zieht sich nun seit mehreren Jahren durch. Obwohl er regelmäßig gutes Feedback auf der Arbeit erhält, befördert wird, Chancen bekommt, möchte er am liebsten die Arbeitswelt für immer hinter sich lassen. Er stellt dann aber immer wieder fest, dass das keine Option ist und dass das ja eigentlich dafür spricht zumindest den Wunsch des 2ten Kindes zu realisieren (wenn es schon nichts wird mit früher in Rente gehen). Keine Minute später kommt dann aber, dass das ja so alles nicht geht und man in einem solchen Zustand kein zweites Kind in die Welt setzen kann. Ich verstehe nicht, warum er sich nicht mehr von seinem Herzen leiten lässt. Laut seiner Auskunft ist die Berufswelt und sowieso die ganze Welt doof und wir leben in einem verkorksten System ohne Zukunft. Ihn hätte ja auch niemand gefragt ob er das möchte und Kraft seiner Geburt ist er in dieses bescheidene System geboren und entsprechend verpflichtet und verdonnert zum Arbeiten. Viele würde sich die Finger nach einer solchen Situation lecken. Er redet alles negativ. Manchmal sagt er auch, dass er glaubt, dass es uns zu gut geht. Für mich ist das absurd und ich kann ihm in Teilen ehrlich gesagt auch nicht mehr folgen.
Ich habe ihm auch schon paar mal vorgeschlagen den Job zu wechseln. Möchte er nicht. Es geht im ja gut. Er muss sich keine Beine ausreißen. Er ist auch fest davon überzeugt, dass es ihm woanders nicht besser gehen wird und hält daher lieber an der derzeitigen Situation fest. Es ist verfahren.
Unser Alter spielt dabei auch immer wieder eine Rolle. Ich selbst bin 35. Meine Uhr tickt und es ist bekannt, dass es mit zunehmendem Alter nicht besser/leichter wird. Er wird dieses Jahr 40. Seine Uhr tickt auch. Aber gefühlt anders als meine. Das Thema 2-tes Kind bearbeiten wir nun seit ca. 4 Jahren (mal mehr intensiv, mal weniger intensiv). Es ist ein ständiges Auf und Ab. Von ihm kommt aber kein Entschluss. Stets wägt er ab. Stets überlegt er. Es ändert sich jedoch nichts. Von ihm kommt einfach kein Entschluss. Schon paar mal haben wir versucht das Thema ad acta zu legen. Selbst das bringt aber nichts. Es begleitet uns seit Jahren und ich habe den Eindruck, dass wir uns festgefahren haben.
Zwischenzeitlich merkt er selbst auch, dass es bei ihm in Bezug auf das Alter nicht besser wird. Es kommen dann inzwischen so Aussagen wie: “Wenn ich 65 bin, ist mein zweites Kinde gerade mal 25.” “Wie soll ich früher in Rente gehen, wenn ich mit 65 ggf. noch das Studium meines zweiten Kindes finanzieren muss?” “Was ist wenn ich vor 65 den Abgang mache und dann zwei Kinder zurücklasse?” Im Grund stimme ich ihm zu, dass es früher besser gewesen wäre. Was ich aber nicht verstehe ist, warum wir dann seit bald 4 Jahren über dieses Thema reden. Gibt es hier andere Väter, welche “erst” mit 40 Papa wurden bzw. ein zweites Kind bekamen und wie geht ihr damit um? Ich habe Angst, dass irgendwann die Zeit einfach entscheidet und es dann zu spät ist. Wenn ich dann von ihm höre, dass er es so oder so (mit oder ohne 2-tes Kind) bereuen wird und sich "ja nur falsch entscheiden kann", dann könnte ich ihn ohrfeigen. Er sagt, dann mache er lieber gar nichts um nichts falsch zu machen. Das geht nicht in meinen Kopf.
Hat jemand eine Tipp, wie ich meinem Mann eine Perspektive aufzeigen kann? Ich möchte ihn nicht überreden. Er sagt ja selbst, dass er es sich eigentlich wünscht. Wie kann ich ihn darin bestärken diesen Weg zu gehen?
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