Interview: Lektorat und Korrektur für Diplomarbeit, Masterarbeit & Co.
Immer mehr Absolventen lassen ihre Abschlussarbeiten (Diplomarbeit, Masterarbeit, Magisterarbeit oder Dissertation) vor der Abgabe von Fachleuten prüfen oder nehmen ein Coaching in Anspruch. WiWi-TReFF befragte einen Experten zu diesem Thema.
Bewegen Sie sich damit nicht in einer Grauzone?
Nein, damit gibt es kein Problem. Sie können doch Ihre Arbeit auch von Kommilitonen gegenlesen lassen. Manche Profs empfehlen sogar von sich aus professionelle Hilfe. Die Prüfer sind ja in erster Linie daran interessiert, den fachlichen Gehalt des Ganzen zu beurteilen, ohne ständig über stilistische Unebenheiten zu stolpern. Sie wollen ihre Studierenden auch nicht wegen zu vieler Rechtschreibfehler zu einer schlechten Note verdonnern. Wir ändern nichts am faktischen oder wissenschaftlichen Gehalt. Wir optimieren Texte, das ist unser Metier - nicht nur im Hochschulbereich. Den einen oder anderen methodischen Hinweis können wir geben, Ghostwriting aber lehnen wir strikt ab, auch wenn dieser Wunsch nicht selten an uns herangetragen wird. Wir wollen unsere Kunden so betreuen, dass sie selbst zu einer besseren Leistung motiviert werden. Das Feedback zeugt davon, dass uns dies ganz gut gelingt.
Woran liegt es denn, dass die Schreibfertigkeiten der Studierenden so schlecht sind?
Ach, es geht hierbei nicht um gut oder schlecht. Häufig besteht das Problem einfach darin, dass man - auch während des Studiums - wenig mit guten Texten in Kontakt kommt. Gut schreiben zu können beruht ja praktisch immer darauf, vieles und vor allem Gutes zu lesen. Längere Texte werden aber kaum noch gelesen, Lesen ist kein Kulturgut mehr - wenn es jemals eines war. Man muss sich heute, ob in der Schule, im Studium oder im Berufsleben, schnell über vieles informieren können, das ist wichtig. Ein Problem in diesem Zusammenhang könnte aber sein, dass man verlernt, in größeren Zusammenhängen zu denken, was man für eine wissenschaftliche Arbeit ja muss. Dies beklagen auch viele Hochschullehrer. In vielen zunehmend verschulten Studiengängen wird aber gerade das gar nicht trainiert.
Nicht wenige Probanden haben zudem Schwierigkeiten, Distanz zu dem einzunehmen, was sie vermitteln wollen - das Prinzip der indirekten Rede beispielsweise scheint kaum noch bekannt zu sein. Wir stoßen aber nicht ins Horn derer, die deshalb den Deutschunterricht kritisieren - wie gesagt, es scheint eher daran zu liegen, dass so etwas im Studium nicht genügend geübt wird. Wenn unsere Kunden uns fragen, wie sie ihre Schreibfertigkeit trainieren sollen, raten wir ihnen, gute Tageszeitungen zu lesen, die können das mit der indirekten Rede noch ganz gut. Zur Rechtschreibreform sage ich jetzt mal nichts - es wird noch sehr lange dauern, bis sich die Folgen dieses Blödsinns so weit abschwächen, dass wieder alle wissen, wie man das Wort »Straße« schreibt.
Müssten die Prüfer nicht selbst darauf hinwirken, dass die Studierenden besser betreut werden?
Natürlich, Sie sehen das ja an den Studentenprotesten. Aber oft hat das nicht mit mangelndem Willen zu tun, sondern damit, dass die Prüfer selbst überfordert sind. Sie haben einfach zu wenig Zeit. Da wird dann die Betreuung der Diplomarbeit oder der Masterthesis häufig auf das Notwendige reduziert. Ein echtes Problem in diesem Zusammenhang ist, dass häufig lediglich auf der Basis einer Gliederung zusammengearbeitet wird. Die wird dann kurz vorher zusammengeschustert; in der Sprechstunde wirft der Prüfer ungefähr zehn Sekunden lang einen Blick darauf und sagt: »Das sieht ja schon gut aus. Machen Sie es mal so!« Die Probanden freuen sich und denken, sie müssten nun nur noch die einzelnen Gliederungspunkte auffüllen und hätten danach eine fertige Arbeit. Das funktioniert natürlich nicht. Denn es geht ja nicht nur darum, ein Thema in seine Aspekte zu unterteilen, sondern den Gesamtzusammenhang in den Blick zu bekommen, wir haben ja schon darüber gesprochen. Bei unseren sogenannten begleitenden Lektoraten, in denen wir den Entwicklungsprozess einer Diplomarbeit oder Masterarbeit über längere Zeit verfolgen, müssen die Probanden immer ein Exposé vorlegen, aus dem später die Einleitung hervorgeht. Darüber lässt sich ganz anders diskutieren als über eine Gliederung - man merkt sofort, wo es hakt, wo etwas nicht durchdacht ist.
Noch so ein gut gemeinter, aber sehr ungünstiger Tipp von Prüferseite ist es übrigens, die Einleitung erst am Schluss zu schreiben. Wir haben damit oft sehr viel Mühe, weil die Probanden erst gegen Ende merken, dass sie sich vergaloppiert haben.