Fenster schließen

Druckansicht http://www.wiwi-treff.de/Off-and-Online-Marketing/Bundestagswahl/Wahl-Die-Marketing-Lehre-in-der-Politik/Artikel-352/drucken

Off & Online-MarketingPolitik-Marketing

Wahl: Die Marketing-Lehre in der Politik

Anlässlich der Bundestagswahl stellt sich die Frage, inwieweit die Erkenntnisse der Marketing-Lehre mittlerweile in der Politik Anwendung finden.

Riesen Wahlplakat des DGB in Berlin für eine "Gute Rente".

Das Ziel und der Ausgangspunkt der Politik sind die demokratische Machtgewinnung und -erhaltung. Ausgehend von einem normativen Fundament aus politischen Werten und Überzeugungen kommen wettbewerbsgerichtete Strategien der Anpassung, der Kooperation und des Konflikts zum Einsatz. Dies liegt zum einen in der Gewaltenteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden begründet. Um eine absolute Mehrheit zu erreichen, ist zum anderen in der Regel eine Koalitionsbildung erforderlich.

Hinsichtlich der strategischen Marktabdeckung finden insbesondere bei den kleineren Parteien wie Bündnis 90/Die Grünen und der FDP differenzierte Marktbearbeitungsstrategien Anwendung, die auf spezifische Interessen einzelner Interessengruppen ausgerichtet sind. Um ein möglichst breites politisches Spektrum abzudecken, nutzen die großen Volksparteien CDU, CSU und SPD überwiegend undifferenziertere Marktbearbeitungstrategien. Kennzeichnend dafür sind stärker standardisierte, die individuellen Wählerbedürfnisse vernachlässigende Leistungsangebote. Vor dem Hintergrund der zentralen Bedeutung der Wähler, die bis kurz vor der Wahl unentschlossenen sind, ist zunehmend eine Bewegung der Volksparteien in die politische Mitte zu beobachten. Auch die lange Zeit charakteristische Unterscheidung der CDU/CSU mit angebotsorientierter Politik (bessere Rahmenbedingungen der Wirtschaft; Unternehmensbesteuerung und Sozialabgaben senken) und der SPD mit nachfrageorientierter Politik (private Steuern senken, um die Kaufkraft zu stärken) ist kaum mehr gegeben.

Den Spagat zwischen der Gewinnung der Medianwähler und der Bindung der Stammwähler am Rande des politischen Spektrums versuchen die Volksparteien über ein entsprechend abgestimmtes Leistungsangebot aus Parteiprogramm und politischen Spitzenrepräsentanten zu schaffen. Die Aufteilung der Wahlberechtigten in homogene Interessen- bzw. Meinungscluster und die Identifikation entsprechender Wählerpotenziale ist dabei die Grundlage und erinnert an die Marktsegmentierung.

 


Leistungs-Mix
Das Angebot der Parteien besteht im Kern aus einem Leistungsbündel aus Parteiprogramm, politischen Spitzenrepräsentanten und Versprechen an große Interessenverbände. Eine Besonderheit stellt die fehlende Verpflichtung dar, die (Wahl-/)Versprechen einzulösen. Die Komplexität politischer Prozesse verhindert mitunter zudem, die Einhaltung der Leistungsversprechen zu beurteilen. Die Leistungsangebote der Parteien sind somit in die Kategorie der Vertrauensgüter einzuordnen. Vor dem Hintergrund der Vierjahreszyklen von Wahlen und dem damit verbundenen hohen Risiko haben vertrauensbildende Maßnahmen im Politik-Marketing eine besondere Bedeutung.

Kommunikations-Mix
Die Vertrauensbildung ist dementsprechend das vorrangige Ziel der Kommunikationspolitik. Das wichtigste Instrument ist dabei die Öffentlichkeitsarbeit mit den Wahlkampftouren in den Monaten vor der Wahl, welche durch die räumliche Nähe Vertrauen schaffen. Die FDP setzte bei der Wahlkampftour (Guido-Mobil) mit Badeschlappen und Frisbeescheiben eine Art verkaufsfördernde Maßnahmen ein. Aber auch die steigende Bedeutung der Multimedia-Kommunikation zeigt sich in den Kanzlerduellen und den umfassenden Internetauftritten der Parteien. Die CDU nutzt in diesem Wahlkampf mit einem breit angelegten Mailing von Stoiberpostkarten auch das Direktmarketing sehr intensiv. Direkt vor den Wahlen werden zudem verstärkt die TV- und Plakatwerbung genutzt.

 

 


Kontrahierungs/Preis-Mix
Als nichtmonetäre Elemente können der Gang zur Wahlurne und das zeitliche Engagement der Mitglieder in ihren Parteien betrachtet werden. Monetäre Elemente sind Spenden, Mitgliederbeiträge, staatliche Förderungen und Diäten. Bedingt durch das politische System und die Grundgesetze (die Lenkung in vielen Bereichen vorschreiben) existiert kein Nachfrage- und Angebotsmechanismus für die Leistung Politik und dementsprechend auch kein wirkliches Preis-Mix.

Distributions-Mix
Das Ergebnis der Leistung gelangt z.B. über Steueränderungen, höhere Bafög-Zahlungen oder den Bildungskredit, durch die Umsetzung des neuen Hochschulrahmengesetzes über die Landesregierungen oder teilweise über die Parteibasis, den Außendienst vor Ort, zum Wähler.

Fazit:
Weite Teile der Marketinglehre finden in der Politik heute bereits Anwendung, auch wenn gegenüber wirtschaftlichen Austauschbeziehungen große Unterschiede bestehen. Wie bei den meisten komplexen Leistungen hat die vertrauensbildende Funktion der Marke besondere Bedeutung. Neben der Parteimarke mit ihren Grundwerten ist es vor allem die Politikermarke in Form des Kanzler- und Spitzenkandidaten, die Vertrauen schaffen und als Orientierung dienen soll.