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PraktikumMindestlohn

Ausbeutung im Praktikum: Was hat der Mindestlohn geändert?

Der Mindestlohn soll geringfügige Arbeitnehmer entlasten, aber auch Praktikanten finanziell stärken. Doch wie sieht es in der Realität tatsächlich aus? Eine Studies des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) zeigt, dass nach wie vor einige Praktikanten eine Praktikumsvergütung unter dem Mindestlohn erhalten. Manche Unternehmen werden sehr kreativ, um das Mindestlohngesetz umgehen zu können.

Ein Mann im grauen Pullover stützt sich auf einer Fensterbank ab und schaut nach draußen.

Mindestlohn für Praktika erleichtert die Bedingungen, jedoch nicht immer
Praktika sind für Studierende in den Wirtschaftswissenschaften heute fast schon Pflicht. Entweder sind sie als Pflichtpraktikum ein fester Bestandteil im Wirtschaftsstudium oder sie werden als freiwilliges Praktikum absolviert, um erste Berufserfahrungen zu sammeln. Welche Arbeitsbedingungen haben Praktikantinnen und Praktikanten? Wie wirkt der gesetzliche Mindestlohn? Wo tricksen die Arbeitgeber? Diesen Fragen geht die aktuelle Broschüre "Praktikum und Mindestlohn: Der Faktencheck" des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) nach.

Praktikum und Mindestlohn: Der Faktencheck

Viel Arbeit für wenig oder gar kein Geld – davon hört der DGB immer noch regelmäßig. Beim Mindestlohngesetz wird zwischen Freiwilligen Praktikum und Pflichtpraktikum unterschieden. Deswegen fordert DGB-Bundesjugendsekretär Florian Haggenmille

Anlässlich der Veröffentlichung einer neuen Studie der DGB-Jugend sagte Florian Haggenmiller:
„Es gibt viele Beispiele für den Missbrauch, den es nach wie vor bei Praktika gibt. Da werden freiwillige Praktika in Pflichtpraktika umgewandelt oder normale Beschäftigungsverhältnisse in Praktika. Es wird die Arbeitszeit scheinbar reduziert oder Sachleistungen auf den Lohn angerechnet –die Arbeitgeber sind sehr kreativ, wenn es darum geht, bei einem Praktikum den Mindestlohn zu umgehen. Deshalb fordert die Gewerkschaftsjugend, die Ausnahmen beim Mindestlohn gerade für freiwillige Praktika während des Studiums zu schließen und eine generelle Einführung eines Mindestentgelts für Pflichtpraktika analog dem jeweiligen BAföG-Höchstsatz. Ein Praktikum ist ein Lernverhältnis. Deshalb muss in Zukunft mehr auf die Qualität im Praktikum geschaut werden, wie zum Beispiel eine qualitativ hochwertige Betreuung und die Einhaltung des verabredeten Praktikumsvertrags.“

73 Prozent aller Praktika finden während des Studiums statt. 63 Prozent der Praktikanten sind weiblich, im Durchschnitt ist ein Praktikant 25 Jahre alt. Praktika sind Teil eines insgesamt unsicheren und belastenden Berufseinstiegs für junge Menschen, denn über 78 Prozent aller Praktikantinnen machen sich Sorgen um ihre wirtschaftliche Situation und fast ein Drittel können in ihrer Freizeit nicht richtig abschalten.

Regeln für das Greifen des Mindestlohnes für Praktikanten

Einige Unternehmen umgehen das Mindestlohngesetz
Etwas Gutes hat die Einführung des Mindestlohngesetzes: Der Durchschnittsverdienst lag vorher bei rund 4,50 Euro pro Stunde – das ist ein Zuwachs von vier Euro mehr. Dennoch versuchen einige Arbeitgeber, den Mindestlohn zu umgehen durch: Kombination von Freiwilligen Praktika und Pflichtpraktika, Umetikettierung von freiwilligen zu Pflichtpraktika, fiktive Reduzierung der Arbeitszeit.

Die Tricks einiger Unternehmen:

  1. Umwandlung von freiwilligem in Pflichtpraktikum:
    Studenten werden darum gebeten, sich von der Universität bescheinigen zu lassen, dass es sich um ein Pflichtpraktikum handelt. Dabei ist es ihnen egal, ob die Bewerber lieber ein freiwilliges Praktikum absolvieren wollen.
     
  2. Verringerung Arbeitszeit:
    Vertraglich wird eine Arbeitszeit von 20 bis 25 Stunden festgesetzt, tatsächlich müssen die Praktikanten dann aber 35 bis 40 Stunden arbeiten. Sie bekommen dennoch Mindestlohn für nur 20 Stunden.
     
  3. Umwandlung von normalen Beschäftigungsverhältnissen zum Praktikum: Bei kurzfristigen Beschäftigten, wie Ferien- und Nebenjobber, wird ein Arbeitsvertrag in einen Praktikumsvertrag mit maximal dreimonatiger Laufzeit umgewandelt.
     
  4. Anrechnungen von Sachleistungen:
    Zuschüsse zum Kantinenessen, Wasser & Co. werden genutzt, um den Mindestlohn zu senken. Real wird dann weniger bezahlt.

Denn der gesetzliche Mindestlohn besagt: Nur freiwillige Praktika ab einer Dauer von drei Monaten fallen unter das Mindestlohngesetz und somit den Anspruch von 8,50 Euro pro Stunde. Zum 1. Januar 2017 steigt der Mindestlohn auf 8,84 Euro pro Stunde. Pflichtpraktika sind grundsätzlich vom Mindestlohngesetz ausgeschlossen.

Wer auf Nummer sicher gehen möchte, ob das zukünftige Unternehmen gerecht bei der Vergabe der Praktikumsplätze und der Vergütung der eingestellten Praktikanten umgeht, findet bei der Initiative Fair Company Antworten. Zwar sind Praktika nach dem Hochschulabschluss zunehmend verpönt, doch einige Unternehmen versuchen so das Absolventengehalt zu sparen und teilweise zudem den Mindestlohn zu umgehen. Manche Unternehmen nutzen Absolventenpraktika jedoch, um zukünftigen Nachwuchskräften den probeweisen Einstieg in das Berufsleben zu ermöglichen. Alternativ existierten in renomierten Unternehmen auch Gap Year Programme für Bachelorabsolventen, die Lust auf verschiedene Praktika mit guter Bezahlung haben.

Download Praktikum und Mindestlohn [PDF, 28 Seiten – 1 MB]
Praktikum und Mindestlohn: Der Faktencheck

Weitere Informationen zum Praktikum
http://jugend.dgb.de/dgb_jugend/dein-praktikum