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Probleme mit BerufseinstiegZeitarbeit

Re: Arbeitslosigkeit-> Ausweg Drückerkolonne

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WiWi Gast

Arbeitslosigkeit-> Ausweg Drückerkolonne

Wer kann mir weiterhelfen?

Finde keinen normalen Job mehr, bin völlig verzweifelt und
habe eine Angebot in ner Drückerkolonne mitzumachen
und Zeitschriftenabbos zu verticken?

Was meint ihr, sollte man das machen oder eher nicht?

MfG Euer Horst

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WiWi Gast

Re: Arbeitslosigkeit-> Ausweg Drückerkolonne

ja das ist eine echte alternative, ich würds machen

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WiWi Gast

Re: Arbeitslosigkeit-> Ausweg Drückerkolonne

Zeitarbeit! Die suchen händeringend, ich habs gemacht, ein Jahr über Zeitarbeit und jetzt einen unbefristeten Vertrag mit 40K Gehalt bekommen. So einfach. Bewirb dich bei TimeConsult in Frankfurt, die suchen.

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WiWi Gast

Re: Arbeitslosigkeit-> Ausweg Drückerkolonne

Hast Du's schon mal bei "Deutschland sucht den Superstar"
versucht?
Ist vielleicht auch eine Alternative!!!!!

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WiWi Gast

Re: Arbeitslosigkeit-> Ausweg Drückerkolonne

"Händeringend" mit Berufserfahrung. Wenn man die, so wie ich nicht vorweisen kann, sieht es auch nicht besonders aus bei denen. Das mit der Drückerkolonne würde ich sein lassen.

Gibt doch mal ein paar Infos zu deinem Hintergrund.

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WiWi Gast

Re: Arbeitslosigkeit-> Ausweg Drückerkol

gestern bei zdf-reporter kam ein netter beitrag zu drückerkolonnen. da kannst du auch genausogut dein geld auf der männer-bahnhofstoilette verdienen

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WiWi Gast

Re: Arbeitslosigkeit-> Ausweg Drückerkol

Unter Chefduzen kann man einiges darüber nachlesen.

Du machst Dich damit todunglücklich! Lass' es bleiben und verdiene Dein Geld lieber mit einem unterbezahlten Job im Zeitarbeitsbereich.

Lass' Dich auch nicht "übergangsweise" auf so etwas ein!

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WiWi Gast

Re: Arbeitslosigkeit-> Ausweg Drückerkol

Ja, das ist eine sehr gute Idee wie mein Vorredner schrieb, denn VORWERK bietet Traineestellen an!!! Steig doch bei denen mit ein.
Das ist eine vielleicht bessere Alternative. Und obendrein erschließt die lauter neue Geschäftskontakte und wer weiß, vielleicht wirbt dich einer ab. Das ist eine echte Perspektive.

Viel Glück und berichte dann mal...

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WiWi Gast

Re: welche qualis hast du?

Hallo ich bins Horst,

danke für eure vielen netten Antworten, ich habe an ner FH studiert. Ich steige ab morgen in der Kolonne mit ein.

Wenn ich das jetzt ein paar Jahre mache, kriege ich dann auch einen neuen Job vielleicht in einem beratungsunternehmen, habe dann ja genug Leute schon an der Haustür beraten und erfahrungen gesammelt?

Also freu mich auf eure antowrten

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WiWi Gast

Re: welche qualis hast du?

so läuft der hase...

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WiWi Gast

Re: welche qualis hast du?

Horst bleib wie du bist und lasse dich nciht unter druck setzen, hörst du, deine mami

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WiWi Gast

Re: welche qualis hast du?

irgendein Saftladen wie Enterprise wird dich sicher nehmen oder ?
schau mal in den Hartz 4 Thread rein, dort werden Leuten wie Dir vorschläge gemacht, z.b. kann man durch Onlinespiele nebenbei Geld verdienen, angeblich bis zu 800 Euro + ALG2.
An solche Beispiele denke ich immer, wenn Politiker sagen, dass wir mehr Akademiker brauchen.

Handwerkerthreadstarter

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WiWi Gast

Re: welche qualis hast du?

Naja, nicht jeder der hier postet ist "Akademiker"

Ich zB. auch nicht.

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WiWi Gast

Re: welche qualis hast du?

WWKVers. bietet für Vertriebskräfte bis 3000,- ¤ Garantie mtl. auf 8 J. (unverrechenbar) zzgl. hohe Abschluss- und Differenzprov. & bis 2500,- ¤ mtl. f. Orga Aufbau; Kompositagent. bis 5000,- ¤ mtl., Bezirksdirektion Tel. 030-315 92 90 Herr Ernecke

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WiWi Gast

Re: welche qualis hast du?

Horst min jung, leve dich net unter druck setzen, hat du dat verstanden, fang net inner druckerkolonne an

werd lieber hartz 4 empfänger

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WiWi Gast

Re: Arbeitslosigkeit->Ausweg Drückerkolo

hallo horst,

ich bitte dich steig nicht bei diesen firmen ein:

Beifahrer/Produktionshelfer
m./w. von 18-26 Jahren zum sofortigen
Arbeitsbeginn gesucht! Verdienst-
möglichkeiten ca. 450,– ¤ wöchentl.,
Steigerung möglich, FS kann evtl. ge-
macht werden. Anrufe Mo.-Fr. 9-17 Uhr
Tel. 0611/97 77 43 55

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WiWi Gast

Re: Arbeitslosigkeit->Ausweg Drückerkolo

DRÜCKER-KOLONNE

Ich hatte eine der vielen, nicht genau definierten Anzeigen im lokalen Stellenmarkt rot angestrichen, die mit Festanstellung und 400 Euro wöchentlich, sowie der Möglichkeit, den Führerschein zu machen, meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte. Die Tätigkeit wurde Beifahrer/Produktionshelfer genannt, und da junge Leute zwischen 18 und 25 Jahren gesucht wurden, gern auch ungelernte Kräfte, und ich keinen Lappen besaß, hielt ich mich für genau richtig für den Job. Also rief ich an, unterhielt mich ein bisschen mit der übertrieben höflichen Dame am anderen Ende der Leitung, und bekam bezüglich der Tätigkeit schwammige Aussagen bei denen ein paar Worte fielen wie Papierkram und leichte Schreibarbeiten, was sich wirklich nicht allzu schwer anhörte. Ich müsste nur bereit sein, meine Wohnung nur alle drei Wochen mal für ein Wochenende wiederzusehen, dafür aber auch in von der Firma bezahlten Hotels übernachten, durch ganz Deutschland an der Seite irgendeines Herrn im Firmenwagen gurken, und dafür saftige 400 netto die Woche bekommen, nur sollte ich noch einmal darüber nachdenken, mit Freundin und Eltern die Sache abklären, und mich dann erneut melden. Es hörte sich für mich perfekt an; außer meinen engsten Freunden, die aufs ganze Bundesgebiet verteilt waren, hatte ich niemanden, der mich hier gebunden hätte, ich reiste gern und viel, und wenn ich dem dauerhaft nachgehen konnte, kombiniert mit überdurchschnittlicher Bezahlung, was wollte ich mehr? Nach einigen fehlgeschlagenen Versuchen hatte ich dann wieder die Frau und ihr Personalbüro an der Strippe, machte einen Termin aus, zu dem ich gleich meine für zwei Wochen gepackte Reisetasche, sowie Perso und Foto mitnehmen sollte. Ich wollte es nicht so recht glauben, daß es so einfach sein sollte, eine solche hochbezahlte Anstellung zu bekommen, ohne richtiges Vorstellungsgespräch, nur durch telefonische Absprache, und so versuchte ich, einen Tag vor meiner Abreise, Informationen über diese Firma herauszubekommen. Eine Recherche im Internet brachte bis auf ein Hotel im Taunus nichts weiter. Im aktuellen Telefonbuch stand die GmbH aber, auch wenn dort nur Name und Nummern standen, keine Branchenbeschreibung oder ähnliches, immerhin versteckte man sich nicht vor der Öffentlichkeit. Was mich allerdings stutzig machte war, daß in der Ausgabe des vorhergehenden Jahres man nicht verzeichnet war, und die Anzeige im Stellenmarkt nicht von der der Firma geschaltet war, bei der man beim Wählen der angegeben Nummer herauskam. Mit diesen kleinen Ungereimtheiten im Hinterkopf stellte ich mir eine kleine Liste mit Fragen zusammen, die ich bei meinem Gespräch noch stellen wollte. Zum vereinbarten Termin saß ich dann in einem fast leeren Büro, vor einem billigen Schreibtisch, der aussah, als würde er alten Stasi-Beständen entstammen, hinter dem ein gekünstelt lockerer Kettenraucher saß, der, ohne es zu merken, seine Redewendungen und Sprüche stets wiederholte, und mir dabei erklärte, bei der zu vergebenden Arbeit handele es sich um das Werben von Mitgliedern für einen relativ unbekannten Rettungsverein, die nach Leistung bezahlt werden würde. Damit war schon mal die Frage nach Festanstellung geklärt, doch auch mit Honorar-basierter Bezahlung konnte ich mich abfinden, immerhin würde ich den Leuten nicht Staubsauger oder Versicherungen aufquatschen, sondern Rettungsdienste für den Notfall, was ich zu dem Zeitpunkt moralisch nicht verwerflich fand. Ich erkundigte mich dann, wer denn nun der Fahrer sei, den ich zu unterstützen hatte, was denn seine Aufgabe war, und was genau meine Rolle dabei sein sollte. Mir wurde mitgeteilt, daß besagter Fahrer gleichzeitig auch mein Chef sei, den ich für zwei oder drei Tage begleiten würde, und dann, unabhängig von ihm, selber in ausgewählten Ortschaften, heute nicht mehr in ganz Deutschland, sondern nur noch speziell in Sachsen und Brandenburg, Mitglieder werben würde. Die erste Unterkunft würde eine Jugendherberge sein, mit extra Haushälterin, die sich um alles kümmern würde. Auch damit war ich einverstanden, zwar war aus ganz Deutschland nur noch ein Gebiet im Osten, und aus dem Hotel eine gemietete Herberge geworden, aber ich sah die Option, neue Städte zu sehen, vielleicht neue Leute zu treffen, und meinem kleinen Hobby, der Fotografie, sicherlich gut nachgehen zu können. Nach dem Lesen und Unterschreiben diverser Erklärungen und Belehrungen, in denen ich mich unter anderem auch bereit erklären mußte, mein Rückfahrticket für den Fall, daß ich vor Ablauf der zweiwöchigen Probezeit nach Hause fahren wollte, selbst zu bezahlen. Dies stellte ich mir nicht als Problem vor, selbst wenn es mir nicht gefiel, die vierzehn Tage könnte ich trotzdem dort bleiben, das Geld einstreichen und dann wieder mit gesponserter Karte nach Hause fahren. Nun sollte ich auf die Rückseite eins der Zettel eine handschriftliche Erklärung schreiben, in der ich zusammenfassen sollte, was meine Aufgabe sein würde. Doch statt selbst etwas zu dichten, wurde mir ein Satz diktiert: Ich gehe von Haus zu Haus, werbe Mitglieder für XYZ und werde nach Leistung bezahlt. Daß mir beim vorangegangen Telefongespräch nach Anfrage eifrigst erklärt wurde, ich müßte nicht "Klinken putzen" gehen, nahm ich zähneknirschend hin, ich brauchte nun einmal Geld, und dies sah so aus, als käme man mit einer fairen Sache schnell an viel davon. Als die Formalitäten geklärt waren, wurde ich ins Nebenzimmer geleitet, wo auch schon mein zukünftiger Chef zusammen mit einer anderen, soeben gemachten, weiblichen Rekrutierung auf mich wartete. Er erklärte mir nochmal dasselbe, was mir der Geschäftsführer der Firma, in deren Räumen ich mich befand, Minuten zuvor dargelegt hatte, fragte mich, ob ich wirklich dabei sein wolle, bei seinem tollen "Team", man wolle sich nämlich keine Mitarbeiter leisten, die schon nach zwei Tagen wieder nach Hause wollten, und ich sprach das Jawort. Wir nahmen unsere Taschen und stiegen zu dritt in einen Gruppenwagen, fuhren los, aus der Stadt heraus in Richtung irgendeines sächsischen Kaffs, in dem, wie sich später herausstellte, das "Team" bereits befand. Auf dem Wege befragte ich Herrn Fahrer ein wenig zu der Firma, aus der wir gerade gekommen waren, beziehungsweise ihrer Verbindung zu der Organisation, in die ich mich bald eingliedern würde. Er erklärte mir, daß es sich um eine reine Personalvermittlung handelte, die dem Chef der Agentur, unter dessen Obhut ich mich nun offenbar befand, die Arbeitskräfte zuspielte, und dafür Geld kassierte. Deshalb wollten also diese Leute nicht, daß man die Probezeit freiwillig verkürzte. Neben mir lag die Bild-Zeitung.
Einige Minuten, nachdem wir in dem brandenburgischen Städtchen angekommen waren, kamen zwei Jungs und ein Mädchen, alle nicht älter als 22, in auffälligen, roten Westen auf uns zugeschlendert. Wir stellten uns vor, und als die Sprache auf das Viertel kam, in dem ich wohnte, fragte schon der erste "Viele Ausländer, oder?", was ich nicht so ganz beantworten konnte, weil ich nie besonders darauf geachtet hatte. Mir wurde dann mitgeteilt, daß derjenige, dem ich "über die Schulter schauen" dürfe, aus eben demselben Stadtteil stamme, und er in aller Kürze eintreffen müßte. Wenig später fuhr dann auch schon der gleiche Kastenwagen vor, mit dem wir an diesen Ort kutschiert worden waren, und ein stämmiger Kerl sprang heraus, der mit markigen Sprüchen sofort geradezu um sich warf. Nach einer Runde Small Talk stieg jeder in eines der beiden Autos und fuhr in eine abgesprochene Richtung. Ich saß allein mit dem Schwätzer in einem Wagen, und während wir noch nicht einmal ausgeparkt hatten, begann er bereits, von seinen Millionen Liebschaften mit den verschiedensten Frauen zu erzählen. Unter anderem faselte er von 60-jährigen, von stundenlangen Orgien, und wie scharf er doch erst wurde, wenn sie nicht mehr wollte, usw. usf.. Nie hatte ich jemanden derart übertrieben prahlen gehört.
Wir passierten zwei Mädchen, mein Chauffeur drehte um, und scheiterte beim Versuch, ihre Nummer zu ergattern, dann rasten wir weiter durch das Dorf, hin zu einem neuen "Werber", dessen auffälige Weste schon auf einen Kilometer Entfernung zu erkennen gab, um wen es sich handelte, blieben in einer Hofeinfahrt stehen und tratschten erneut. Der Neue, recht vertölpelt aussehende Kollege hatte sich in einem Garten in der Nähe Birnen gepflückt, die wir nun zusammen verputzten, während unsere Konversation ausschließlich von Frauen, ihren Brüsten, und wieviel, wann, wo, wer handelte. Jedesmal, wenn eine Person weiblichen Geschlechts vorbeilief, wurde laut gegröhlt und grell gepfiffen, und immer, wenn es gerade kein mehr oder minder hübsches Mädchen war, daß passierte, wurde Hass versprüht und böse Worte genuschelt. Als wir beendet hatten, machte sich das Großmaul auf den Weg gen irgendwo, und ich durfte statt ihm, dem soeben kennengelernten Mitarbeiter bei der Arbeit zu sehen, bekam noch eine der lächerlichen Westen verliehen, und fand mich alsbald vor der ersten Haustür wieder. Hier wollte er mir erstmal zeigen, wie man mit alten Leuten redet, doch als dann gerade der Sohn der alten Dame im Hause war, die eine oder andere Frage stellte, fing er alsbald an zu stammeln, und als er endlich begriff, daß aus diesem Haushalt kein Schein zu holen war, ging er einfach, ohne sich zu verabschieden, und ich musste folgen. Während wir so von Tür zu Tür zogen, sah und hörte ich eine Menge Absonderliches. Der Tagesablauf dieser Lusche, mit der ich mich abgeben musste, bestand im Wesentlichen darin, auf die Straße zu spucken, Hasstiraden auf diejenigen loszulassen, die nicht auf seine dillettantischen Werbeversuche hereinfielen, und andauernd über Sex zu faseln und zu phantasieren. Der Begriff "Frau" war in seinem Wortschatz durch "Fotze" ersetzt, sein Lieblingsspruch war "Andere gehen in den Puff, wir gehen an die Tür", und in die wahre Bedeutung der drei Buchstaben auf seinem Rücken weihte er mich auch ein: "Ich ficke alle". Mir wurde immer schlechter. Und beim Gedanken an die vorhergesagte Abendunterhaltung wurde mir speiübel: Einen Splatterfilm würde man sich anschauen, mit richtig viel Blut und so.
Ich konnte mir wahrlich Besseres vorstellen, als mit einem Pack hirnverbrannter Versager in einem Zimmer zu hocken, und mir einen, dem Niveau entsprechenden Horrorstreifen anzusehen. Wo war ich hier hineingeraten? Die Abgründe menschlichen Schwachsinns zeigten sich mir in jedem Wort, daß dieser Typ von sich gab. Er prollte, prahlte, und wollte allgemein hart und stark wirken, doch wenn er einmal abweisende Einwände, oder gar geistreiche Fragen von den Anwohnern gestellt bekam, wurde er auf lümmelhafte Weise pampig und frech, quengelte vor sich hin, und wenn die Tür wieder einmal berechtigterweise vor seiner Nase zurück ins Schloß fiel, zeigte er den Mittelfinger verließ leise motzend das Haus. Es war zum Heulen. Nicht genug, daß ich mich auf eine triebgestörte Horde faschistoider Herdentiere eingelassen hatte, denen der Begriff "Humanität" in ihrem begrenzten Denken ein Fremdwort war, und damit meine romantische Vorstellung, den Leuten mit dieser Arbeit etwas "Gutes" tun zu können, ausradiert worden, sondern noch dazu wollten sie meinen gesamten Tagesablauf bestimmen, vom Frühstück bis zur Freizeitgestaltung am Abend sollte alles von anderen geregelt sein, war schon vorher festgelegt und unabdingbar. Sie nannten es WG-Leben, ich nannte es Auslöschung des Individuums. Meinen Plan, vielleicht noch ein paar Fotos zu schiessen, begrub ich schonmal.
Wenn diese Leute wenigstens umgänglicher wären, wenn sie etwas hätten, was sie auf irgendeine Weise auszeichnete, aber es gab da gar nichts, was sie vor meiner Verurteilung zu Bauerntrampeln bewahrt hätte. Die Krönung war noch gewesen, daß der Possenreisser vorhin, bevor er weggefahren war, noch eine SMS hatte tippen wollen, und mich allen Ernstes gefragt hatte, wie denn das Wort "stören" geschrieben würde: mit oder ohne "H". Ich sagte: "Ohne", woraufhin er kurz überlegte, und dann sagte: "Nein, mit", und ich schwieg.
Der andere Typ, mit dem ich nun unterwegs war, hatte es nicht genau gewusst, aber auch eher für ein "stöhren" plädiert. Kurz vor Feierabend hatte er in meinem Beisein einer jungen Frau, unter Zuhilfenahme seines ärmlichen Charmes und unter Ausnützung ihrer kleinlauten Persönlichkeit, noch einen "Schein" andrehen können. Als wir danach wieder auf der Straße standen, gab er vor mir feierlich zu, ihm würde an diesem Job vor allem seine Autorität gefallen, man war eine Respektsperson, jemand, vor dem die Leute Angst hatten. Aha. Eine Minute später standen wir vor der nächsten Haustür, in unseren billigen Westen, vor einem Herrn um die vierzig Jahre, der uns mit intelligenten Augen gutmütig musterte, und dann, als mein Kollege seinen Text herunterstotterte, denselben Witz zum Millionsten Mal sprach, sich verhaspelte, nochmal anfing, dabei unentwegt den Boden anstarrte, während seine Finger hinter seinem Rücken nervös miteinander spielten, stieg ein Schmunzeln in seine Gesichtszüge, daß er nur schwerlich zu verdecken vermochte. Es sah wirklich so aus, als würde er gleich losprusten müssen, und auch ich konnte, köstlichst amüsiert, mein Lachen nur mit äußester Anstrengung unterdrücken, musste mich gar zur Seite drehen und auf den Bürgersteig starren, um mich nicht auf dem Boden zu kugeln. Autorität? Respekt? Angst? Hier war das genaue Gegenteil. Die großen Töne, die er in meiner alleinigen Gegenwart gespuckt hatte, versackten dieser Gurke nun im Halse, und heraus kam ein unverständliches Kauderwelsch, daß immer leiser wurde, je hoffnungsloser sich das Gespräch entwickelte. Es war weder autoritär noch respekt- oder gar angsteinflößend, es war einfach nur abschäumigste Armut, die sich mein Partner hier leistete. Als der Mann sich für das Gespräch bedankte und einfach die Tür schloß, war ich ein wenig erleichtert, denn nun wußte ich wenigstens, daß es in dieser Stadt doch noch normale Menschen gab, die unser Treiben sofort durchschauen, uns leise auslachen und ohne Gezeter loswerden konnten. Als der Werbetag zu Ende ging, liefen wir zum Treffpunkt und wurden vom Prahlhannes aufgelesen. Nun gabelten wir noch insgesamt vier andere Kollegen aus der unmittelbaren Umgebung auf, hefteten uns an die Rücklichter des vorherfahrenden, ebenfalls vollen Transporters, und fuhren gen "Heimat". Während der Tour durch Brandenburg und Sachsen wurde im Wagen entweder über Sex, "Fotzen", oder geworbene und nicht geworbene Mitglieder gesprochen, während man vorbeilaufenden Frauen hinterherhupte, -brüllte und -pfiff, und alle anderen Menschen aus dem Fenster heraus wüst und dreist beschimpft wurden (unter anderem ist mir ein Satz in Erinnerung geblieben, den das Großmaul einer gebrechlichen alten Dame im Vorbeifahren zurief: "Mensch Oma, wird Zeit das du stirbst, dann gehts dir besser"). Inmitten dieses Albtraums saß ich, und machte mir bereits Gedanken, wie ich dieser Hölle am bequemsten entfliehen konnte, während ich gezwungenermaßen meinen Mund zu einem Lächeln verzog, wenn wieder mal ein platter Witz fiel. Mir fiel nichts Besseres ein, als einfach direkt nach dem Aussteigen meine Koffer zu greifen, nach dem Bahnhof zu fragen, und mich, ohne auf irgendwelches Gerede einzugehen, dorthin zu begeben. Nach anderthalb Stunden Fahrt erreichten wir ein Dorf im sächsischen Hinterland, etwa zwanzig Kilometer entfernt von Dresden, und hielten an einer Gaststätte. Niemand hatte mir gesagt, daß wir vor der Heimkehr erstmal essen wollten, und so stieg ich aus, sah kein Jugendherbergs-ähnliches Gebäude um mich herum, keiner machte Anstalten, in irgendeine Richtung zu gehen, und so wurde ich verunsichert, wollte dennoch zu meinen Taschen, die noch im Kofferaum des anderen Transporters lagen, fragte den Fahrer, ob ich denn meine Sachen nehmen könnte, doch er antwortete nur unwirsch mit einem kurzen "Nein, jetzt wird gegessen". Ich traute mich angesichts der anfeindenden Antwort nicht weiter zu fragen, und wartete stattdessen darauf, daß sich irgendetwas tat. Als die beiden Anführer/Fahrer ein paar Telefongespräche und SMS-Versände getätigt hatten, gingen allemann nacheinander in das langweilige Lokal, setzten sich an reservierte Tische, und bestellten - alle das Gleiche. Nur die Getränke waren frei zu wählen. Ich saß wieder neben dem Labermaul, und er erklärte mir, daß für die nächsten zwei Wochen, der Probezeit, die Mahlzeiten auf Kosten des Hauses gehen würden, danach aber selbst gezahlt werden müsste. Das Essen wurde serviert: Nudeln mit Gulasch. Nicht unbedingt der größte Gaumenschmaus, aber ich konnte mir Schlimmeres vorstellen. Als sich dann herausstellte, daß die Tagesmenüs dieses Restaurants aus ganzen drei verschiedenen Mahlzeiten bestanden, graute mir schon davor, alle drei Tage dasselbe essen zu müssen. Mit einem flauen Gefühl im Magen schluckte ich die Bissen, schmeckte kaum etwas, und überlegte weiter, wie ich dem Ganzen am Besten entrinnen könnte, zumal die Geschmacklosigkeit dieser Leute nicht mal vor der locker fünfzigjährigen Bedienung halt machte. Sie wurde Ziel endloser platter Witze und plumper Andeutungen, und allgemein rotierte bei Tisch das Thema nur wieder um Sex, außer das zwischendurch immer mal wieder einer der anderen Neulinge, der seit zwei Tagen zum "Team" gehörte, zum Objekt homophobischer Komik wurde. Alles lachte, und mir wurde schlechter. Ich saß da auf meinem Stühlchen und wünschte mich ganz weit weg, am besten in die normale Welt. Als das Abendessen beendet war, verliessen alle wie auf Knopfdruck die Lokalität, zwengten sich wieder in die Transporter, und wir fuhren in den letzten Sonnenstrahlen des Tages dorthin, was unsere Basis genannt wurde, von der aus, jeden Morgen aufs Neue, gestartet werden sollte. Ihr Standort hatte sich, entgegen meinen Information von immer wechselnden Übernachtungsstellen, seit zwei Jahren, also seit Existenz der Firma(?), nicht verändert. Wir hielten vor einem dreistöckigen Fachwerkhaus an, ich fasste all meinen Mut zusammen, stieg aus, wollte hinüber zu meinen Taschen gehen und abhauen, doch zu meiner Entmutigung sah ich den Fahrer des Wagens Rucksack und Reisetasche schon zur Eingangstür tragen, und meine Sicherheit schwand dahin, mein wackliger Plan zerbrach, bevor ich in ausgeführt hatte. Natürlich hätte ich ihm einfach meine Sachen entreissen können und auf die Wegbeschreibung zum Bahnhof beharren können, doch ich wollte mich dem Gerede und der Weichklopferei dieser Leute nicht aussetzen, zumal hier die ganze Mannschaft versammelt war, und ich ihnen nicht einfach sagen konnte, daß ein Umgang mit ihrer Art Mensch für mich eigentlich unerträglich war, daß ich zwar in meiner finanziellen Not sogar bereit wäre, im Namen einer fadenscheinigen Organisation die Menschen von ihrem Allgemeinwohl zu überzeugen, nicht aber dazu, meine Zeit pausenlos mit einem Haufen Schwachmaten verbringen zu müssen. So blieb ich still, prüfte, während einer der Anführer drei Schlösser der Eingangstür öffnete und wir daneben warteten, die Fenster im Erdgeschoss auf Fluchttauglichkeit, und mich schauderte. Sämtliche Klinken waren entfernt worden, keines würde zu öffnen sein. Doch selbst wenn die Fensteröffner noch vorhanden gewesen sein wären; als wir eintraten, stand ich in einem langgezogenen Gang, der in einem Treppenaufgang mündete, und die Zugänge zu den angrenzenden Räumen waren mit Holzplatten verbarrikadiert, genauso wie die Hintertür zum Hof. Hier zogen alle ihre Schuhe aus, die Haustür wurde wieder abgeschlossen, und wir gingen die einzige Richtung, die man einschlagen konnte, nämlich hin zur Treppe, hoch in den ersten Stock. Oben wälzte sich auf dem durchtretenen Teppich ein Schäferhund, der, wie mir nebenbei erzählt wurde, bis vor kurzem noch Läuse gehabt hatte. Angenehm. Napf und Decke des Köters lagen direkt vor mir. Auf diesem Stockwerk befanden sich Unterkünfte und Küche. Mein Zimmer wurde mir gezeigt; es war etwa 10qm groß, links an der Wand ein Schrank, mit dem Poster einer (wie sollte es auch anders sein) nackten Frau daran geheftet, ein Tisch davor, dahinter bis zur Zimmerwand ein Doppelbett, demgegenüber ein Einzelbett, davor ein Schrank, der zwischen Bett und Tür stand, und an den Wänden hingen Plaketten und Schilder im Stil von "Nüchtern siehst du scheisse aus". Mir wurde der untere Teil des Doppelbettes zugeteilt. Ich stellte meine Taschen vor mein Schlafgemach, und begab mich nach oben in den zweiten Stock, hier sollte "Papierkram" erledigt werden. Nach Ende der Treppe stand ich in einem Vorraum, der durch zwei Türen von angrenzendem Flur und Räumen getrennt wurde. Vor mir standen sich zwei durchgesessene Sofas schräg gegenüber, in der Mitte ein Tisch mit leeren Bierflaschen und einem überfüllten Aschenbecher darauf, hinter der linken Couch befand sich ein verriegeltes Fenster mit vertrockneten Topfpflanzen auf seinem Brett. An den Türen zu meiner Rechten hingen Zettel, auf die in billigstem Tintenstrahl das Firmenlogo gedruckt war; eine Art Doppelkreis mit einem Punkt in der Mitte, der Name des höchsten Chefs darüber, und untendrunter in der gleichen, jeglicher Ästhetik entbehrenden Schriftart das Wort "Werbeagentur". Aha. So sah also eine Agentur für Werbung im sächsischen Land aus. Eine gemietete, veraltete Jugendherberge, ein verlauster Köter, verriegelte und verschlagene Türen und Fenster, Gestank von Katzenkot, und eine Ansammlung gescheiterter Versager, die sich von zwei proletenhaften Schwätzern wie Sklaven herumkommandieren liessen. Mittendrin war ich. Ich fragte mich, warum sie überhaupt sagten, man könne jederzeit gehen. Warum war die Tür verriegelt, warum nahmen sie allen die Handys weg, wenn man ausfuhr, warum war das Erdgeschoß bis auf den Durchgang zur Treppe unbegehbar? Doch wenn ich danach fragen würde, hätten sie sicher irgendeine passende Antwort dazu parat, die vielleicht auch zutreffen könnte, doch den Nebeneffekt, wenn nicht sogar den Hauptzweck, den würden sie verschweigen. Jedenfalls ließen wir uns nun nieder, der Prahlhannes, das Mädchen, daß mit mir zusammen hier rein gerutscht war, und ich, wir saßen nun im Treppenhaus auf den gammeligen Sperrmüll-Sofas, und fingen an, uns ein wenig zu unterhalten. Gewohnt niveaulos driftete das Gespräch von flachen Scherzen, über schmarotzende Asylbewerber, über kranke Homosexualität, bis hin zu Schlägereien und weiblichen Formen, bis mir mitgeteilt wurde, daß gleich jemand mit den vielen Zetteln erscheinen würde, die auszufüllen waren. Mir war ganz und gar nicht wohl dabei. Bisher hatten sie nur meinen Namen, nichts anderes, und ich hatte nicht vor, diesen Primaten auch nur eine Zahl meiner Telefonnummer oder auch nur einen Buchstaben meiner Adresse zu verraten, also merkte ich beiläufig an, daß ich mir gar noch nicht so sicher sei, ob ich diese Arbeit überhaupt noch machen wolle. Sofort verfinsterte sich die Miene des Proleten. Mit kalter Stimme und versteinertem Gesicht fragte er mich langsam, wie er daß denn verstehen solle, ich hätte doch genau gewusst, was mich erwarten würde, als ich losgefahren war, hätte doch zugesagt, zumindest zwei Wochen zu bleiben, und warum zu Teufel wollte ich jetzt schon den Schwanz einziehen? Ich nuschelte ein wenig herum, und er rief seinen Partner dazu. Mit ebenso feindlicher Stimmlage forderte er mich auf, den Satz zu wiederholen, den ich auf die Rückseite des Bogens bei der Personalvermittlung geschrieben hatte. Ich betete ihn herunter, revidierte dann meine vorher getane Andeutung, ja, ja, die zwei Wochen würde ich machen, klar, und entschied mich, nicht noch einmal meinen Unwillen gegenüber dieser Situation, dieser dreckigen Unterkunft, und vor allem gegenüber diesen Menschen anzudeuten. Ich konnte diesen Leuten nunmal nicht einfach ins Gesicht sagen, daß ich sie grenzenlos verbohrt und kurzsichtig fand, und mich jedes einzelne ihrer Worte bis zum Letzten aneekelte. Nein, es musste einen anderen Weg geben, irgendwie musste ich eine geeignete Lösung finden. Aber aus diesem Haus gab es kein Entrinnen. Wenn ich hinaus gehen wollte, hatte ich die Chefs um Erlaubnis zu fragen, und wenn sie dann meine Taschen sehen würden... nein, diesen quälenden Wortgefechten wollte ich mich nicht aussetzen, zumal ich sehr wahrscheinlich sowieso weichgeklopft werden würde, und dann doch wieder in diesem Loch versacken würde. So schossen meine Gedanken hektisch umher, auf der Suche nach einem gesunden Aus- und Abgang, während der Proll neben mir schon wieder angefangen hatte, seine Sprüche zu machen, und ein Mädchen, daß sich mittlerweile neben mich gesetzt hatte, mit falschem Charme ergebnislos versuchte zu betören. Als irgendwann alle auszufüllenden Papiere herangebracht worden waren, begaben wir uns ins Wohnzimmer des "Geschäftsführers" dieser "Werbeagentur". Hier lief ein Fernseher, der ungefähr meiner Körpergröße entsprach, daneben standen zwei Decoder, eine riesige Anlage die mit Surround-Boxen schallte, und aus dem Nebenzimmer ertönte das Rauschen einer Amateurfunkeranlage. Zwei Kätzchen strichen zwischen dem massiven Wohnzimmertisch und dem Ledersofa umher. Wir setzten uns auf das dicke Ecksofa, und zuerst wurde mir eine Seite Text diktiert, die der sogenannte "Grundspruch" sein sollte. Es handelte sich dabei um den vorgefertigten Text, den man bei jeder Haustüre aufsagen sollte, und der das inhaltlich wichtigste kompakt aussagte, um den Gegenüber so schnell wie möglich zur Unterschrift zu bringen. Diesen Spruch sollte ich am Abend auswendig lernen, damit ich ihn am nächsten Tag schon einmal selbst anwenden könne. Als ich den Zettel beschrieben und eingesteckt hatte, mußte ich den Personalausweis rausrücken, und zum zweiten Mal an diesem Tag wurde meine Adresse, Telefonnummer, Geburtsdatum, Ausweisnummer usw. penibel genau abgeschrieben. Dazu wurde ich noch nach Namen, Nummer und Anschrift meiner Eltern gefragt, zwecks Benachrichtigung, falls mir etwas zustieße. Ich gab falsche Daten an. Dann musste ich noch einige Zettel unterschreiben, unter anderem auch eine Bestätigung, daß ich für die nächsten zwei Wochen schon einen Vorschuß im Werte von 216 Euros in bar erhalten hatte, und daß ich ab sofort freier Handelsvertreter im Auftrage der Rettungsfirma sein würde. Es war der reinste Hohn: Ich war das Gegenteil von frei, und für die Unterkunft in diesem dreckigen Loch musste man sogar noch 20 Steine pro Tag an den Oberboss entrichten.
Als die Schreibarbeiten erledigt waren, begaben wir uns in den Aufenthaltsraum, wo sich drei der Mitartbeiter aufhielten, die dann rüde dazu aufgefordert wurden, den Raum zu verlassen, und von denen einer zur Strafe, weil er zu lange fürs Verlassen brauchte, die nächste Woche zum Kloputzen eingeteilt wurde. Dann wurde uns ein zehnminütiger Werbefilm der Rettungsfirma gezeigt, in dem noch einmal eingehend alle Argumente, mit denen man auf die Menschen zugehen sollte, auf billigste Art und Weise breit getreten wurde. Als der Streifen zuende war, fragte ich aus einer instinktiven Ahnung heraus nach der Toilette. Soe würde mir in Bälde gezeigt werden, jetzt wäre sowieso schon bald Schlafenszeit, und wir könnten uns ab sofort beschäftigen, mit was wir wollten.
Wir gingen wieder hinunter in den ersten Stock, wo zwei kleine, mit PVC verkleidete Räume waren, die jeweils eine Kloschüssel, ein Waschbecken und einen Lichtschalter hatten. In einem der beiden verschwand ich, um zu pissen. Hier kam mir dann die Idee, mal auf den Klodeckel zu steigen, und aus dem Fenster zu schauen, ob sich hier nicht eventuell eine Fluchtmöglichkeit bot. Ich steckte meinen Kopf durch das winzige Loch in der Wand, und entdeckte zu meiner Erleichterung links unter mir eine Art Schuppen, der ein Flachdach hatte, von dem aus man im Notfall recht einfach die Straße erreichen müßte. Dies behielt ich als letzten Ausweg im Hinterkopf, dann suchte ich das Zimmer auf, in dem ich schlafen sollte. Als ich in das Kämmerchen trat, befanden sich schon fünf andere darin. Ich setzte mich hin, blickte um mich, sah ein paar Bierdosen, und begriff, was sie hier taten. Sie führten doch tatsächlich gerade eine Art Rollenspiel durch. Einer war der Vertreter, der andere potentielles Mitglied, und Ersterer mußte den anderen mit schlagkräftigen Argumenten zur Einwilligung und Unterschrift bewegen, welcher aber mit allen möglichen Zweifeln und Einwänden konterte. Sie trainierten hier tatsächlich ihr Verkaufsgespräch, und hatten nichts besseres zu tun, als nebenher noch Bier zu trinken. Den ganzen Abend klopfte jemand an die Türe, bat den Vertreter hereinzukommen, und löcherte ihn mit Fragen, die der tolle Rettungsmann nach bestem Können beantwortete, während alle anderen drumherum standen, und sich das Ganze anhörten, immer mal wieder über diesen und jenen Versprecher, oder diese und jene Dummheit lachend.
Ich sah dem Schauspiel eine Weile zu, und auf einmal bemerkte ich mit Entsetzen, daß ich langsam die Distanz zu ihnen verlor, daß ich anfing, mitzulachen, daß ich begann, auf ihr Niveau abzusinken. Was mir am Nachmittag und nach der Ankunft noch wie von einem anderen Stern vorgekommen war, wurde mittlerweile zur Normalität, zum Alltag. Zu meinem Alltag. Als ich das begriff, als ich sah, daß meine Distanz zu diesen engstirnigen, verbohrten Affen langsam schwand, da schrillten in meinem Hirn sämtliche Alarmglocken.
Nicht eine Sekunde länger durfte ich mit diesen Leuten zusammen sein, schon gar nicht ganze zwei Wochen, ich müsste noch in der selben Nacht flüchten, und wenn mir nichts anderes blieb, auch gern durchs Klofenster. Das Flachdach links darunter wurde Gegenstand meiner Überlegung. Noch war ich mir nicht sicher, ob ich es wirklich machen sollte, doch als ich alle Möglichkeiten, die sich mir boten, eingehend prüfte, erschien mir die stille Flucht durch die Toilette noch am Gesündesten, vor allem für mich. Ich hätte auch bis zum nächsten Morgen schlafen können, dann den beiden Bossen Bescheid geben können, ich wolle aufhören und das Haus sofort verlassen, doch ich konnte mir nur allzu gut vorstellen, wie schwierig sich das gestalten würde. Zuersteinmal hätte ich einen geeigneten Zeitpunkt dafür finden müssen. Allenmann wurden morgens um halb sechs geweckt, mussten sich bis halb sieben fertig gemacht und geduscht haben, dann würde es Frühstück geben, und dann würden allemann schon wieder in den beiden Transportern sitzen, und wieder in irgendein brandenburgisches Kaff fahren. In diesem straff organisierten Zeitplan erschien kein Moment dazu günstig, mein Anliegen zu unterbreiten. Und selbst wenn ich einen solchen fand, ich konnte mir nur allzu gut vorstellen, wie er in kurzen Zwischengesprächen und lauter anderen Kleinigkeiten soweit in die Länge gezogen und zerschmolzen werden würde, bis er nicht mehr so geeignet war, und ich sah mich schon dort stehen, schwitzend, während meinem Wunsch keine Aufmerksamkeit geschenkt werden würde, bis er schließlich weichgekocht sein würde, und dann die beiden Chefs in der gleichen, autoritär-drohenden Manier mich bearbeiten würden, bis mein Wille entgültig zersetzt wäre. Ihre psychische Folter bis zum Ende durchzustehen würde enorme Willensstärke erforden, und ich hatte keine Lust, mich all dem auszusetzen. Und wer weiß, vielleicht würden sie es wirklich schaffen, mich dazubehalten, keine Ahnung, was sie noch für Geschütze auffahren würden und was ihre weiteren Methoden waren, ich jedenfalls wollte es nicht herausfinden. Stattdessen wollte ich lieber still und heimlich abhauen, und entschied mich so auch endgültig dafür. ich dachte noch ein wenig darüber nach, während im Zimmer das dämliche Rollenspiel die ganze Zeit weitergeführt wurde, und allmählich kam meine Flucht in meinem Geiste zur Form. Ich müßte mich in Kleidern schlafen legen, wachbleiben, bis allemann schliefen, dann einfach meine Taschen greifen und durchs Klofenster in die Freiheit entschlüpfen. Dabei fiel mir ein, daß meine Schuhe ja noch unten am Eingang standen, und ich konnte mich nicht mehr genau daran erinnern, ob nicht zwischen Treppenhaus und Durchgang noch eine Trennwand war, die meine Latschen von mir trennen könnte. Wenn das der Fall wäre, könnte ich meine Pläne direkt begraben, und wenn nicht, der Umstand, daß sie dort unten standen, und nicht direkt bei mir, machte die Sache schwieriger, als ich es zuerst gedacht hatte. Zuerst müsste ich mich davon vergewissern, daß der Zugang zu den Schuhen nicht versperrt war. Zu diesem Zwecke öffnete ich meine Reisetasche, entnahm ein Handtuch, schlenderte hinaus auf den Gang, ins Treppenhaus, und als sich keiner in der Nähe befand, schlich ich die Treppe zum Erdgeschoss hinunter. Zu meinem Glück war nichts zwischen mir und den Schuhen, ich könnte sie also später holen.
Ich lief die Treppe zurück hinauf, weiter in den zweiten Stock, erkundigte mich bei einem der Luschen die dort saßen nach der Dusche, musste davor noch 15 Minuten warten, und trat dann hinein. Ich befand mich in einem langen, schmalen Räumchen, dessen Wände gekachelt waren, und aus nichts weiter bestand als einer alten Badewann in der linken Mitte, an deren Rand ein paar Handtücher trockneten, aber erblickte keinen Duschraum, oder wenigstens einen Duschkopf. Ich verschloß erstmal die Tür, schritt dann auf dem nassen Boden weiter in den Raum, zog dann die Strümpfe aus, und schaute mich um. Am hinteren Ende dieses schmalen Etwas, daß diese Leute Bad nannten, befand sich ein Loch, daß sich bei näherer Betrachtung als Abflusswanne aus Beton herausstellte, und etwa zwei Meter darüber schaute ein kleines metallenes Ding aus der Wand. Dies war also Dusche und Duschkopf. Dann erkannte ich auch den Hahn, der zu meiner Erleichterung sogar die Möglichkeit bot, die Wassertemperatur zu regulieren. Schnell zog ich mich aus, stand für ein paar Minuten regungslos unter dem wärmenden Strahl, drehte dann das Wasser ab, zog mich wieder an, und ging nach unten. Hier hatte sich nichts geändert. Nach wie vor saß man, mit Bierdosen in den Händen herum, und sah zu, wie einer, der wohl erst seit zwei Tagen dabei war, seinem Gegenüber unverständliches Zeug entgegennuschelte. Das nasse Handtuch hängte ich über die Bettkante, dann aber, als ich mal wieder für ein paar Minuten Zigarettenpause allein gelassen wurde, stopfte ich es eiligst wieder in die Tasche, verschloß sie gründlich und abfahrbereit, und stellte sie hinter den rechten Schrank, damit sie von dem Einzelbett aus nicht gesehen werden konnte. Nun prüfte ich, wie laut das Bett war, wenn ich mich bewegte; wand ich mich zur Seite, blieb es halbwegs ruhig, doch wenn ich aufstand, egal wie ich es auch anstellte, knarzte und knackte meine Stätte schlimmer als jeder Wecker. Das war natürlich nicht so gut, doch es musste auch so gehen, mir würde nichts anderes übrig bleiben. Ich legte mich zurück auf die Matratze, zog die Decke über meine Hosenbeine und spielte den Ermüdeten. Bald kamen meine Zimmergenossen zurück, und nach ein bisschen Konversation über Sinn und Unsinn der Polizei, die doch sowieso immer zu kommen würde, nur weil sie immer erstmal ihren Kaffee austrinken würden bevor sie ausrückten, wurde das Licht ausgeknipst, und man sagte sich gute Nacht. Nun war Ruhe, und ich fing an, mir meinen Plan soweit zusammenschmieden, daß ich kaum Gefahr lief, bei meinem Ausbruch aus diesem Knast aufzufallen. Er sah folgendes vor: Zuerst würde ich, wenn beide meiner Zimmerkollegen eingeschlafen waren, aufstehen, meinen Rucksack von seiner Stellung hinter meinem Bett greifen, dann den Raum zu verlassen, ein Stockwerk tiefer meine Schuhe zu holen, zurück ins Zimmer zu gehen, und wieder auf schlafend zu machen, damit, falls mich jemand bei meinem Treiben bemerkt hatte, dieser keinen Verdacht schöpfte. Eine Weile würde ich so warten, dann wieder aufstehen, die dicke Tasche zu schnappen, und nur noch durchs Fenster zu entkommen. Auch eventuelle Überraschungen kalkulierte ich mit ein; wenn einer der beiden Schlafenden aufwachen und mich fragen würde, wohin ich denn mit dem Rucksack wolle, würde ich sagen, ich wolle ins Bad, könne nicht schlafen und würde mich waschen wollen, und in dem Rucksack wäre die benötigte Seife, und so weiter. Wenn mich jemand dabei überraschen würde, wie ich die Treppe hinab zum Ausgang ging, könnte ich sagen, ich wolle nur mal raus an die frische Luft, Zigaretten zu holen, und in dem Fall könnte ich dann sogar enttäuscht/erbost darüber zurückkehren, daß ich die Tür verschlossen vorgefunden hatte. In dem Falle hätte ich auch ein weiteres Argument für den Fall, daß irgendwas schiefginge, und ich mich am nächsten Morgen doch irgendwie rausboxen müßte. Andere Situationen erschienen mir dagegen sehr heikel, und ich konnte noch nicht einschätzen, wie ich reagieren müßte. Wenn mich jemand im Flur mit den Schuhen antreffen würde, oder schlimmer noch, wenn ich dabei überrascht werden würde, wie ich mit beiden Taschen und angezogenen Schuhen schon im Flur stand. Bei den Schuhen könnte ich immer noch sagen, daß ich nur mal eben raus wollte, aber in zweitem Falle würde mir wahrscheinlich nichts anderes übrig bleiben, als an der Person vorbei auf die Toilette zu rennen, sie abzuschließen, und so schnell wie möglich erst durchs Fenster das Haus zu verlassen, und dann über Schleichwege auch das Dorf hinter mir zu lassen. Aber dies waren alles Momente, in denen ich mich erst bei ihrem Eintreten für die geeignetste Reaktion entscheiden müßte, wobei ich aber sehnlichst hoffte, mich nicht mit derartigem auseinandersetzen zu müssen. So lag ich wach, und das Läuten der Kirchturmglocken direkt gegenüber teilte mir jede Viertelstunde die aktuelle Uhrzeit mit. Ich brannte darauf, die Minuten vorüberziehen zu hören, damit ich endlich starten konnte, und jede Sekunde Wartezeit machte die Spannung unerträglicher. Dieser Plan könnte klappen, soviel wußte ich, und ich wollte ihn durchsetzen, solange ich noch den Mut und die Kraft dazu spürte. Während ich so dalag, schaute ich beunruhigt auf die nervösen Bewegungen meines Gegenübers. Irgendetwas schien ihm vom Schlafe abzuhalten, jedenfalls drehte und wendete er sich immer wieder ungeduldig in seiner Decke, und immer wenn ich vermutete, nun sei er eingeschlafen, fing er doch wieder an, sich mit den Fingern im Gesicht rumzufummeln und sich unruhig hin- und her zu wälzen. Aus dem Dunkel heraus sah ich ihm unentwegt dabei zu, und versuchte dabei, meine eigene Atmung lang und gleichmäßig zu halten, auf daß er annehmen müßte, ich würde längst schlafen. Und dann schlug die Uhr die zweite Stunde. Nun mußte es geschehen, auch wenn der Kerl gegenüber immer noch keine richtige Ruhe gab. Kurz wartete ich noch ab, zog dann die Decke zur Seite, und streckte mein Bein aus. Das Bett knackte und knirschte, und bevor ich überhaupt auf dem Boden stand, fuhr mein Gegenüber herum, und starrte mich im Dunkeln an. Ich ignorierte ihn, machte auf schlaftrunken, taumelte in Richtung Tür, drehte mich zur Seite, nahm den Rucksack in die Hand, und trat hinaus auf den Flur. Ich hatte Glück; diese Leute hatten ihre dreckige Kleidung zum Waschen vor die Türen gelegt, und so konnte ich meinen Rucksack unter ein paar miefenden Wäschestücken. Nun ging ich den Gang entlang zum Treppenhaus. Ein Licht sprang an, doch keine Hand, sondern nur ein Bewegungsmelder hatte es angeschaltet. Das passte zu allem anderen in diesem Gefängnis; man konnte nicht mal entscheiden, ob man im Dunkeln oder im Hellen latschen wollte.
Ich schritt die Treppen hinab, und noch bevor ich ihren Absatz erreicht hatte, vernahm ich ein bedrohliches Knurren. Dann stand ich ihm Gang und blickte zur Türe. Der verlauste Schäferhund starrte mich wachsam und mit aufgesperrten Ohren an, und er knurrte umso lauter, je näher ich ihm kam. Glücklicherweise standen meine Schuhe einige Meter von dem Köter entfernt, so daß ich sie, nachdem ich mich unter leisem, beruhigendem Flüstern an sie herangeschlichen hatte, aufnehmen konnte, und langsam wieder zur Treppe schritt. Zu meiner Erleichterung bellte er nicht, oder schlug sonstwie Alarm, doch selbst wenn, meine Ausrede, Zigaretten holen zu wollen, hätte immer noch gepasst. So ging ich unbeschadet und unentdeckt wieder nach oben, stopfte die Schuhe zum dem Rucksack unter dem Wäscheberg, trat wieder ins Zimmer, wo der nervöse Typ im Einzelbett mich sofort wieder anglotzte, legte mich auf meine Stätte, drehte mich um, und er tat dasselbe. Nun lag ich wieder hier, Teil eins meiner Mission war erfüllt, Teil zwei würde bald starten. Teil drei, der vorsehen sollte, wie ich vorgehen würde, wenn ich erstmal draussen war, hatte ich noch nicht bedacht. Die Uhr schlug halb drei, und ich hielt den Zeitpunkt für gekommen, den endgültigen Ausbruch nun zu wagen. Erneut stand ich auf, wieder begleitet vom unvermeidbaren Kreischen des verdammten Bettes, und sofort blickte mich Herr Hyperaktiv wieder an, und noch dazu gähnte jetzt der Junge über mir, der sich die ganze Zeit über kaum geregt hatte, vor sich hin. Mir blieb trotz allem nichts anderes über, als zur Türe zu gehen, sie leise zu öffnen, und mich in den Flur zu stellen. Ich drehte mich um, beobachtete den, der über mir geschlafen hatte, bei seinen Streckübungen, wußte, daß er mich, so auf dem Rücken liegend, nicht sehen konnte, daß auch der andere dazu nicht in der Lage war, denn es stand ein leer Schrank zwischen ihm und mir, und direkt vor mir war meine Reisetasche, die ich nun sanft und geräuschlos aufhob und in den Flur stellen konnte. Leise schloß ich die Tür, kramte die Schuhe hervor, zog sie an, schnappte Rucksack und Tasche, ging schnellen Schrittes in Richtung Klos, sah die unvermeidbare Lampe mir entgegenstrahlen, verschwand im linken Raum, zog die Tür zu doch schloß sie nicht ab, denn niemand hatte mich gesehen, und auch wenn die beiden Gurken irgendwann bemerken würden, daß ich nicht mehr zurückkehrte, - ich wäre längst über alle Berge.
Und so warf ich die Taschen, auf der Kloschüssel stehend, aus dem engen Fensterchen hinüber auf das Schuppendach, zwängte mich selbst hinterher, verlor fast das Gleichgewicht und sah mich schon auf den Boden zurasen, sprang dann aber im letzten Moment nach links zu meinen Taschen, und landete unversehrt auf der Dachpappe. Sofort legte ich den Rucksack an, schwang den Riemen der Reisetasche quer über meine Brust, lief zur Kante dieses Daches, und wollte nicht fassen, was ich sah. Hier war kein Ausweg, hier war keine Straße, hier war nichts, auf daß ich mal eben hätte springen können; vor mir floß ein Bach, der gerade Hochwasser führte, und deshalb eher ein reißender Strom war, und der übergangslos mit Haus- und Schuppenwand abschloß. Ich blickte mich um, doch gegenüber war ein weiteres Gebäuse, neben mir der Knast, und schräg hinter floß das Wasser, unter mir ein Innenhof, der weder Tür noch Tor besaß. Entlang des Wasserlaufs verlief eine hohe Mauer, die das Bachbett vom Innenhof trennte, und deren Höhe ich auf etwa drei Meter schätzte. Sie fing direkt am Ende des Schuppens an, und war maximal 40 Zentimeter breit. Ich sah zu ihrem Ende, doch konnte in dem dortigen Dunkel nicht erkennen, ob ich wenigstens dort irgendwie abhauen konnte. Ich fing schon an zu verzweifeln. Nicht genug, daß man unter Einsatz seiner Gesundheit überhaupt erst nach draussen kam, nein, selbst wenn man es geschafft hatte, schaute man meterweit in die Tiefe, und war wiederum nur gefangen. Sollte ich umkehren? Lieber noch wollte ich es riskieren. Trotz der glitschigen Mauer und trotz der Tiefe, in die ich hinabstürzen konnte, musste ich doch einen Blick ans andere Seite dieses Innenhofes werfen, damit ich immerhin nicht sagen konnte, ich hätte nicht alles versucht. Also balancierte ich zitternd auf der brüchigen Mauerkante entlang, und legte so Meter um Meter zurück. Ich konnte mich nicht entscheiden, in welche Richtung ich lieber fallen würde, wenn ich tatsächlich das Gleichgewicht verlieren sollte. Zu meiner Linken ging es hinab in Sturzfluten, in denen ich entweder erfroren oder ersoffen wäre, zu meiner Rechten ging es hinunter auf gepflasterten Steinboden, wo ich mir wahrscheinlich alle Knochen gebrochen hätte. Aber mir passierte nichts, die 30 oder 40 Meter legte ich unbeschadet zurück, und mit Freude sah ich am Ende der Mauer eine kleine Gasse, die ich leicht hinabspringen konnte, und die mich auf die nächste Straße führen würde, von wo aus ich wenigstens irgendwo hin, Hauptsache weg von hier, rennen könnte. Ein letztes Mal blickte ich zurück, schaute auf das friedliche, dunkle Haus, daß mir in diesem Moment eher wie ein schwarzer Moloch vorkam, und sprang dann beherzt hinunter in das Gässchen, rannte auf die anliegende Straße, weiter geradeaus auf eine Anhöhe hinauf, vorbei an gelbglühenden Lampen, immer weiter, wollte weg vom Licht, in Angst, daß mir doch jemand folgen würde, und erreichte bald, erschöpft, aber glücklich, einen Feldweg, dessen Lauf ich ersteinmal folgte.
Mich fröstelte ein wenig, also zog ich meine Jacke aus der dicken Tasche, und streifte sie über. Wie sollte ich weitermachen? An der Himmelsrichtung brauchte ich mich nicht zu orientieren, wenn ich es auf die Weise probieren würde, wäre ich in einer Woche eine verhungerte Leiche in irgendeinem vergessenen Stück Mischwald. Der Bahnhof erschien mir da ein besseres Ziel. Am Nachmittag hatte ich mich bereits erkundigt, ob in diesem Dort irgendwo eine Station existierte, damit ich auch all die Bekanntschaften, die ich an den Haustüren kennenlernen würde, auch mal besuchen könne. Es war bejaht worden, und jetzt wollte ich dorthin. Der Feldweg verlief parallel zu einer langen Häuserreihe, und als die Häuser endeten, sah ich eine Fabrik, eine Produktionshalle, in der noch Licht brannte. Dorthin ging ich, rief durch ein offenes Tür einen Arbeiter zu mir, und fragte nach dem Weg zum Bahnhof. Natürlich war er in entgegengesetzter Richtung, circa einen Kilometer entfernt. Ich bedankte mich höflichst, und ging die breite Straße durch das winzige Industriegebiet zurück zu den Wohnhäusern, wo ich in die erste Seitenstraße einbog, so daß ich, für den Fall, daß man mich doch noch suchte, noch schnell in einen Vorgarten hechten konnte, falls ein Auto vorbeifahren würde. Ein paar Minuten lief ich so, sah dann zwei Rücklichter in einer Hauseinfahrt abgeschaltet werden, blieb stehen, wartete auf den, der ausstieg, und fragte ihn ebenfalls nach dem Bahnhof. Nach Auskunft bedankte ich mich wieder artig, lief weiter, und nach einigen Metern fuhr der junge Mann hinter mir her, blieb neben mir stehen, und schon fand ich mich im Auto zur Bahnstation wieder. Ich erzählte ihm von meinem Erlebnis, brauchte dafür die ganze Fahrt, gab ihm noch den Hinweis mit, nie in seinem ganzen Leben mit irgendwelchen fremden Leuten, die um irgendwelches Geld für irgendetwas betteln, Geschäfte zu machen.
So stand ich dann, um Punkt drei Uhr, am Bahnsteig dieses Kaffs und ging zum Abfahrtsplan. Der erste Zug würde erst in anderthalb Stunden fahren. Da ich auf keinen Fall an dieser Station bleiben und auf ihn warten wollte, fing ich an, die Bahnlinie entlang zu laufen um zum nächsten Bahnhof zu gelangen. Auf dem Weg ereilte mich zweimal, inmitten des tiefsten, dunkelsten Waldes die Wahnvorstellung, von wilden Tieren umringt zu werden, und in meiner Angst schrie ich dann wie am Spieß, nur um dann zu bemerken, daß ich doch wieder nur gegen einen schwarzen Busch angebrüllt hatte. Hier schoß ich auch die ersten Fotos meiner mißratenen Reise. Als ich das nächste Dorf erreicht hatte, wanderte ich wieder auf festen Straßen, streckte den paar vorbeifahrenden Autos den Daumen entgegen, keines nahm mich mit, und so fragte ich eine Zeitungszustellerin nach dem Weg zum Bahnhof.
Ich folgte der Beschreibung, versuchte auf dem Weg dorthin, einem Bäcker frische Backware zu stibitzen, was leider mißlang, und stand dann, nach knapp anderthalb Stunden Fußmarsch, am Bahnsteig. Nun hatte ich ein kleines Problem: Fünf Minuten später würde der Zug kommen, und ich besaß kein Geld, und bis ich mal eine Bank finden würde, wäre der Zug schon längst abgefahren, und ich müsste eine weitere Stunde in dieser Kälte verbringen. Ich blieb also wo ich war, und stieg einfach ein. Eigentlich hatte ich beim Einsteigen den Schaffner fragen wollen, ob er mich nicht bis Dresden (der nächsten, größeren Stadt) würde mitfahren lassen, da ich mir ab dort sowieso ein Ticket lösen würde, doch als der Zug angehalten hatte, war niemand ausgestiegen und hatte mit seinem Pfeifchen geträllert, und so saß ich nun im Wagon, ohne Karte, dafür aber mit Heizung um die Füße. Nach einer Viertelstunde kam dann die Schaffnerin, die ich nur fragte, ob sie nicht ein Auge zudrücken könnte, da ich nicht mehr die Zeit gehabt hatte, zur Bank zu laufen usw., doch sie wurde nur schnippisch, schüttelte den Kopf, und keifte mir so unfreundlich wie nur möglich ins Gesicht, ich möge doch bitte sofort nachlösen oder die nächste Station aussteigen. Also stieg ich aus. Mit den 50 Cent, die ich noch besaß, war eine Fahrkarte nicht bezahlt, und so stand ich nun, mittlerweile schon halb sechs Uhr morgens irgendwo kurz vor Dresden, und entschied mich, eine Bank zu suchen. Ich fragte mich durch, hob Geld ab, kaufte mir noch drei trockene Brötchen, schoß ein paar Fotos von der aufgehenden Morgensonne, und latschte zurück zum Bahnhof. Wieder holte ich mir keine Fahrkarte, und fuhr so unbehelligt bis in die Dresdner Innenstadt, wo ich noch einen kurzen Aufenthalt hatte, dann mein Zug einfuhr, ich einstieg, und beseelt frohlockte, als ich merkte, wie er sich in Bewegung setzte. Es war mittlerweile kurz vor sieben, die Sonne blinzelte mir hinter den Wolken zu, und ich empfand so, als ob ich jahrelang kein Licht gesehen hätte, und jetzt erst wieder, staunend wie ein Kind, zum ersten Mal wieder Zeuge der Welt sein durfte. Ich saß allein im Abteil, unendlich müde zwar, aber an Schlaf war nicht zu denken. Lieber holte ich die Kamera hervor, und hielt diesen wunderbaren Morgen aus dem Zugfenster heraus fest. Ich sah schöne Altbauten an mir vorbeiziehen, überflutete Felder, lange Baumreihen, und gönnte mir noch einen Becher Kaffee, der mir von einer Dame gereicht wurde, die ich innerlich für ihren festen, geregelten Job, mit festem Gehalt am Ende des Monats auf ihrem Konto beglückwünschte, und sie für ihre trainierte Gutmütigkeit, für ihren gemäßigten Alltag, für all ihre Normalität fast schon liebte, jetzt, da ich der Hölle, die ich durchlebt hatte, entkommen war. Den Rest der Fahrt schrieb ich in das Büchlein, daß ich mir eigentlich zur Niederschrift meiner Reiseberichte aus deutschen Städten zugelegt hatte, diese Geschichte, und als ich kurz vor zehn in meine Wohnung trat, ließ ich mich noch kurz von meiner schönsten Musik umspülen, legte mich dann glücklich auf meine wohlige Matratze, zog die wärmende Decke über mich, und schlief ein.

Wenn ich es heute betrachte, war dies etwas, daß man Grenzerfahrung nennt. Es hat mich geformt, meinen Willen gestärkt, und schlußendlich meine Persönlichkeit zu ihrer vollen Entfaltung gebracht. Ich musste mich erst in den Flammen des Hasses winden, um den wahren Wert der Liebe in Vollem zu erkennen. Wenn heute in der Zeitung irgendwelche Anzeigen stehen, in denen mit wenig Arbeit für viel Geld geworben wird, weiß ich, was dahinter steckt, und blättere weiter. Wenn heute jemand an meiner Tür klopft, der auf irgendeine Weise mein Geld haben will, ich schicke ihn zum Teufel; mag sein Anliegen noch so moralisch klingen, und mag sein Geschwätz noch so tugendhaft erscheinen - es geht ihm doch nur ums Geld, um nichts anderes als daß, und solchen Leuten schenke ich heute nur noch meine Verachtung.

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WiWi Gast

Re: Arbeitslosigkeit->Ausweg Drückerkolo

WOW!

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WiWi Gast

Re: Arbeitslosigkeit->Ausweg Drückerkolo

Allerdings WOW. Ich habs nicht gelesen, war aber echt ein langer text.

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WiWi Gast

Re: Arbeitslosigkeit->Ausweg Drückerkolo

Das hast du nicht wirklich selbst erlebt, oder? und wenn doch: warum findet jemand, der so gut schreiben kann, keinen besseren Job?
Echt genial erzählt.

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WiWi Gast

Re: Arbeitslosigkeit->Ausweg Drückerkolo

Horst ming leve jong, lot dat sein met de druckerkolonne,
hörst du!!!

Werd leve Bundeskanzler...

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WiWi Gast

Re: Arbeitslosigkeit->Ausweg Drückerkolo

Wow, ich habe den Text gelesen. Krass was du da erlebt hast...

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WiWi Gast

Re: Arbeitslosigkeit->Ausweg Drückerkolo

Sehr krasse Erfahrung!
Super geschrieben!

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WiWi Gast

Re: Arbeitslosigkeit->Ausweg Drückerkolo

Technisch solider, jedoch ein wenig langatmiger Roman. Vor allem in der zweiten Hälfte des Romans fällt auf, dass die Beschreibung der Umwelt zu reinen Selbstzweck verkommt.

Der Autor (wobei ich auf eine Autorin tippe) sollte die Umgebungsbeschreibungen dosierter einsetzen. Eine spärliche Handlung kann nun mal nicht dadurch (übertriebene/inflationäre) ersetzt werden.

Ausserdem sollte man nicht an der Handlungsabfolge tricksen, nur um Spannung rein zu bringen. Das ist meistens ein Stilmittel billiger Spielfilme:

Irgendwann merkt nämlich der Leser, dass die in der Gruppe intellektuell überlegene Hauptperson längst hätte gehen können. Also nächstes mal darauf achten, nicht den Bogen zu überspannen (Stichwort: Spannungsbogen :-)

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WiWi Gast

Re: Arbeitslosigkeit->Ausweg Drückerkolo

Was mich noch interessieren würde...die Jungens hatten doch deine Adresse (Perso) + Telefonnumer...Kam da nie was von denen??

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WiWi Gast

Re: Arbeitslosigkeit->Ausweg Drückerkolo

und da beschweren sich noch welche über lidl....da ist ja lidl das paradies...

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WiWi Gast

Re: Arbeitslosigkeit->Ausweg Drückerkolo

Wer hat noch Erfahrungen mit diesem milieu gemacht?

Stefanie

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AMOK

Re: Arbeitslosigkeit->Ausweg Drückerkolo

Naja statt mich nachts in irgendwelchen sächsischen Wäldern rumzupirschen hätte man auch ruhig" ich gehe jetzt" sagen können :-D Wenn man nicht genug Eier ..ähh nein Mut hat sollte man abgesehen vom Klinkenputzen jeden Job meiden bei dem man Kontakt mit Menschen hat.

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WiWi Gast

Re: Arbeitslosigkeit->Ausweg Drückerkolo

eine Frage an den, der die Erfahrung in der Drückerkolone gemacht hat : Hast du eine Ausbildung / Studium ?

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WiWi Gast

Re: Arbeitslosigkeit->Ausweg Drückerkolo

Wie sah es mit der Bezrahlung aus

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WiWi Gast

Re: Arbeitslosigkeit->Ausweg Drückerkolo

  1. Es ist der Versuch eines "Wirtschafts"Romans gewesen.
  2. In der Drückerkolonne verdient man bei so einem Produkt ca. 1.000 - 1.400 Euro Brutto / Monat.
  3. Mit der Arbeit in einer Drückerkolonne schiesst Ihr Euch selbst in die Depression. Ihr werdet die Selbstachtung verlieren und driftet immer weiter von "normalen" Vollzeitstellen ab, da Euch auch das Selbstvertrauen täglich flöten geht.
  4. Wenn Ihr wirklich Geld braucht, dann lieber als Gigolo.
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WiWi Gast

Re: Arbeitslosigkeit->Ausweg Drückerkolo

zu 4. ) oder man macht eine technische Ausbildung. Anscheinend gibt es zurzeit sogar Architekten, die lieber nach dem Studium eine Handwerksausbildung machen, statt dauer Praktikant zu sein.

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WiWi Gast

Re: Arbeitslosigkeit->Ausweg Drückerkolo

Nette Geschichte, etwas lang und leider ohne Leerzeilen, aber unterhaltsam. Und übrigens ist der Autor sicher keine Frau (die Vermutung wurde weiter oben geäußert), Frauen sagen nicht "ich verschwand, um zu pissen". Soviel dazu *g*

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WiWi Gast

Re: Arbeitslosigkeit->Ausweg Drückerkolo

ich dachte Du wärst eine Fälschung!!!!
Kannst Du beweisen, dass Du der echte bist????
:-)
aber übrigens,
Du kannst doch trotzdem weiter schreiben. In jedem
Land gibt es doch Internetcafe's oder nimm einen Laptop mit.
Was soll nur ohne Dich aus uns werden :-((

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WiWi Gast

Re: Arbeitslosigkeit->Ausweg Drückerkolo

Endlich ist der Handwerksclown Geschichte...

Thanks God...

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WiWi Gast

Re: Arbeitslosigkeit->Ausweg Drückerkolo

Der Text liest sich gut. Allerdings ist der Inhalt ein wenig übertrieben und schon nach wenigen Absätzen wurde mir klar, dass es sich hier nicht um ein reales Erlebnis handeln kann. Würde jemand wirklich so etwas erleben und so feige handeln, dann bräuchte sich dieser jemand nicht zu wundern keinen Job zu finden. Zeugt nämlich nicht gerade von charakterlicher Stärke. Ich nehme auch mal stark an, der Autor war nicht beim Bund ;-) Dort hätte er nämlich die Erfahrung mit niveaulosen Diskussionen 9 Monate durchlebt und wäre gegen so etwas abgehärtet ;-)

Trotzdem viel Glück noch beim Schreiben. Talent ist durchaus vorhanden

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WiWi Gast

Re: Arbeitslosigkeit->Ausweg Drückerkolo

Oder 9 Monate dieses Forum lesen...die Diskussionen sind oft ähnlich...

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WiWi Gast

Re: Arbeitslosigkeit->Ausweg Drückerkolo

@vorvorposter: du bist wohl kein Vertrauter anspruchsvoller Literatur (z.B. javier Marias: Morgen in der Schlacht denk an mich.), dann wüsstest du, dass dieses Verhalten zutiefts menschlich ist (bei halbwegs intelligenten Menschen, Dumme kommen nicht auf verstrickte Ideen) und nicht allzu viel mit Feigheit zu tun hat. Dass man damit keinen Job bekommt, ist eine sehr absurde Aussage. Durch die Surrealität der Unternehmung war dieses ERlebnis keine normale ERfahrung in der Arbeitswelt, sondern ist vielmehr zum Privaten geworden und kann daher nicht mit Verhalten im Job verglichen werden!

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WiWi Gast

Re: Arbeitslosigkeit->Ausweg Drückerkolo

was hast Du denn geraucht !!!!!

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WiWi Gast

Re: Arbeitslosigkeit->Ausweg Drückerkolo

langsam bekomme ich interesse am drückergeschäft...bier und fo****gespräche...

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WiWi Gast

Re: Arbeitslosigkeit->Ausweg Drückerkolo

Tut mir echt leid wenn Du ein solches Verhalten als normal empfindest. In meinen Augen zeugt das nur von zu wenig Selbstvertrauen und geistiger Unreife. Wer sich in solch einer Situation nicht durchsetzen kann nicht ganz normal im Kopf sein.

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WiWi Gast

Re: Arbeitslosigkeit->Ausweg Drückerkolo

habe den Text auch gelesen. Mich wundert es auch, daß sich
die Drückertypen, die ja schließlich Deine Personalien hatten,
nicht mehr gemeldet haben, nicht einmal telefonisch.
Da war doch auch geldmäßig noch einiges zu regeln.
War da nicht die Rede von einem Vorschluß den es für die
ersten 14 Tag gab?? (irgendetwas von über 200 Euro???
Kenne die Stelle nicht mehr genau).

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WiWi Gast

Re: Arbeitslosigkeit->Ausweg Drückerkolo

Die Drückertypen haben sich schon nochmal bei mir gemeldet.
Ergebnis:

Einer von denen liegt unter der Erde und ich sitze im Knast, weil ich ihn erschossen habe.

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WiWi Gast

Re: Arbeitslosigkeit->Ausweg Drückerkolo

seit wann gibt es im Knast Internet????

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WiWi Gast

Re: Arbeitslosigkeit->Ausweg Drückerkolo

Schon mal was von Knasturlaub gehört, du Lappen...

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WiWi Gast

Re: Arbeitslosigkeit->Ausweg Drückerkolo

In der Drückerkolonne arbeiten Verkäufer im Außendienst, die oft außerhalb der gesetzlichen Regelungen für Haustürgeschäfte und ohne die für sie geltenden Schutzbestimmungen des Handelsvertreterrechtes zumeist Finanzdienstleistungen, Zeitschriften-Abonnements, Telefonanschlüsse oder vorgeblich gemeinnützige Spenden einwerben und sich dabei unmoralischer oder krimineller Methoden bedienen!!!

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WiWi Gast

Re: Arbeitslosigkeit->Ausweg Drückerkolo

Ich will jetzt auch zum 01.04.07 in einem Unternehmen als Beifahrer/Produktionshelfer einsteigen.

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WiWi Gast

Re: Arbeitslosigkeit->Ausweg Drückerkolo

....And the oscar goes to.....wow,..super story...megaaffengeil....

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WiWi Gast

Re: Arbeitslosigkeit->Ausweg Drückerkolo

was hat den Beifahrer/Produktionshelfer mit Drückerkolonne
zu tun????

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WiWi Gast

Re: Arbeitslosigkeit->Ausweg Drückerkolo

Das ist ein Drückerjob, die müssen es tarnen um Leute anzulocken...

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WiWi Gast

Re: Arbeitslosigkeit->Ausweg Drückerkolo

Diese Art von Arbeit ist immer noch besser als zur "Generation Praktikum" zu gehören.

Lieber Horst, es war die richtige Entscheidung.

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WiWi Gast

Re: Arbeitslosigkeit->Ausweg Drückerkolo

Ich habe ähnliche Erfahrungen gemacht, nur dass ich fast drei Jahre in der Drückerkolonne war. Es war eine harte Zeit aber es gab auch schöne Zeiten. Vor neun Jahren bin ich ausgestiegen, hab jetzt einen festen Job und eine Familie.

Lasst die Finger von Drückerkolonnen!!!

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WiWi Gast

Re: Arbeitslosigkeit->Ausweg Drückerkolone

ich wurde es nicht machen war selber in einer druckerkolone man hat danach nur schulden

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WiWi Gast

Re: Arbeitslosigkeit->Ausweg Drückerkolone

Gehts noch? Hochschulstudium und dann in der Drückerkolonne arbeiten? lol

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WiWi Gast

Re: Arbeitslosigkeit->Ausweg Drückerkolone

Super Story, toll geschrieben!

Mit Feigheit hat das nichts zu tun. Wer glaubt dort einfach sagen zu können: Ich gehe jetzt, hat sich gewaltig geschnitten.
Sie mögen noch so dumm sein, die können mit massig Gemeinheiten aufwarten. Kannst ja gerne deine Rechte runterbeten und 100mal darauf bestehen jetzt gehen zu können. Dann komst du in dein Gemach zurück und deine Sporttasche ist weg. Jetzt kannst du mit Polizei und Anwalt drohen... witzigerweise interessiert das keinen. (durchkommen tun sie damit - die fallen sich nicht gegenseitig in den Rücken).
Oder so'n Schrank stellt sich einfach in die Tür und lässt dich nicht vorbei... was machst du nun? Kannst ihm ja eine batschen - dann haste halt die Horde auf die einrennen, bzw. der eine Typ haut dich als Akademiker eh in 0,nix weg. Reden - hehe, der macht sich einen Spaß daraus und profiliert sich sogar noch vor versammelter Manschaft.
Es macht ihm übrigens nichts aus geschlagene 2-3 Stunden im Türrahmen zu stehen und dir Beleidigungen an den Kopf zu knallen.

Was würdest du tun? Integrität und Durchsetzungsvermögen hast du schinebar ja...

Gerade diejenigen die aus dem behüteten Umfeld kommen schaffen es nicht mit so einer Situation fertig zu werden!

Klinkenputzer != Drückerkolonne.
Die Wesser GmbH in Stuttgart z.B. ist eine echt seriöse Firma mit fairen Konditionen und guter Bezahlung! Einziges Manko - 6 Tage/ Woche. Dafür reicht das Grundgehalt locker aus um seine Ausgaben zu decken und noch ein wenig zu sparen. Man wird am Umsatz angemessen beteiligt und kann gutes Geld verdienen, wenn man gut ist. Reich wird man hier selbstverständlich nicht. Als Ferienjob oder Übergang sicherlich nicht das Schlechteste, wenn man sein Verkaufstalent üben möchte.

antworten
WiWi Gast

Re: Arbeitslosigkeit->Ausweg Drückerkolo

Das ist ja eine halbe Studienarbeit. In Arial 12 und 1,5 Zeilenabstand ergibt das 20 Seiten DIN A4. Soviel wie 1000 Bengalen in einem Jahr zusammen schreiben.

Lounge Gast schrieb:

DRÜCKER-KOLONNE

Ich hatte eine der vielen, nicht genau definierten Anzeigen
im lokalen Stellenmarkt rot angestrichen, die mit
Festanstellung und 400 Euro wöchentlich, sowie der
Möglichkeit, den Führerschein zu machen, meine Aufmerksamkeit
auf sich gezogen hatte. Die Tätigkeit wurde
Beifahrer/Produktionshelfer genannt, und da junge Leute
zwischen 18 und 25 Jahren gesucht wurden, gern auch
ungelernte Kräfte, und ich keinen Lappen besaß, hielt ich
mich für genau richtig für den Job. Also rief ich an,
unterhielt mich ein bisschen mit der übertrieben höflichen
Dame am anderen Ende der Leitung, und bekam bezüglich der
Tätigkeit schwammige Aussagen bei denen ein paar Worte fielen
wie Papierkram und leichte Schreibarbeiten, was sich wirklich
nicht allzu schwer anhörte. Ich müsste nur bereit sein, meine
Wohnung nur alle drei Wochen mal für ein Wochenende
wiederzusehen, dafür aber auch in von der Firma bezahlten
Hotels übernachten, durch ganz Deutschland an der Seite
irgendeines Herrn im Firmenwagen gurken, und dafür saftige
400 netto die Woche bekommen, nur sollte ich noch einmal
darüber nachdenken, mit Freundin und Eltern die Sache
abklären, und mich dann erneut melden. Es hörte sich für mich
perfekt an; außer meinen engsten Freunden, die aufs ganze
Bundesgebiet verteilt waren, hatte ich niemanden, der mich
hier gebunden hätte, ich reiste gern und viel, und wenn ich
dem dauerhaft nachgehen konnte, kombiniert mit
überdurchschnittlicher Bezahlung, was wollte ich mehr? Nach
einigen fehlgeschlagenen Versuchen hatte ich dann wieder die
Frau und ihr Personalbüro an der Strippe, machte einen Termin
aus, zu dem ich gleich meine für zwei Wochen gepackte
Reisetasche, sowie Perso und Foto mitnehmen sollte. Ich
wollte es nicht so recht glauben, daß es so einfach sein
sollte, eine solche hochbezahlte Anstellung zu bekommen, ohne
richtiges Vorstellungsgespräch, nur durch telefonische
Absprache, und so versuchte ich, einen Tag vor meiner
Abreise, Informationen über diese Firma herauszubekommen.
Eine Recherche im Internet brachte bis auf ein Hotel im
Taunus nichts weiter. Im aktuellen Telefonbuch stand die GmbH
aber, auch wenn dort nur Name und Nummern standen, keine
Branchenbeschreibung oder ähnliches, immerhin versteckte man
sich nicht vor der Öffentlichkeit. Was mich allerdings
stutzig machte war, daß in der Ausgabe des vorhergehenden
Jahres man nicht verzeichnet war, und die Anzeige im
Stellenmarkt nicht von der der Firma geschaltet war, bei der
man beim Wählen der angegeben Nummer herauskam. Mit diesen
kleinen Ungereimtheiten im Hinterkopf stellte ich mir eine
kleine Liste mit Fragen zusammen, die ich bei meinem Gespräch
noch stellen wollte. Zum vereinbarten Termin saß ich dann in
einem fast leeren Büro, vor einem billigen Schreibtisch, der
aussah, als würde er alten Stasi-Beständen entstammen, hinter
dem ein gekünstelt lockerer Kettenraucher saß, der, ohne es
zu merken, seine Redewendungen und Sprüche stets wiederholte,
und mir dabei erklärte, bei der zu vergebenden Arbeit handele
es sich um das Werben von Mitgliedern für einen relativ
unbekannten Rettungsverein, die nach Leistung bezahlt werden
würde. Damit war schon mal die Frage nach Festanstellung
geklärt, doch auch mit Honorar-basierter Bezahlung konnte ich
mich abfinden, immerhin würde ich den Leuten nicht
Staubsauger oder Versicherungen aufquatschen, sondern
Rettungsdienste für den Notfall, was ich zu dem Zeitpunkt
moralisch nicht verwerflich fand. Ich erkundigte mich dann,
wer denn nun der Fahrer sei, den ich zu unterstützen hatte,
was denn seine Aufgabe war, und was genau meine Rolle dabei
sein sollte. Mir wurde mitgeteilt, daß besagter Fahrer
gleichzeitig auch mein Chef sei, den ich für zwei oder drei
Tage begleiten würde, und dann, unabhängig von ihm, selber in
ausgewählten Ortschaften, heute nicht mehr in ganz
Deutschland, sondern nur noch speziell in Sachsen und
Brandenburg, Mitglieder werben würde. Die erste Unterkunft
würde eine Jugendherberge sein, mit extra Haushälterin, die
sich um alles kümmern würde. Auch damit war ich
einverstanden, zwar war aus ganz Deutschland nur noch ein
Gebiet im Osten, und aus dem Hotel eine gemietete Herberge
geworden, aber ich sah die Option, neue Städte zu sehen,
vielleicht neue Leute zu treffen, und meinem kleinen Hobby,
der Fotografie, sicherlich gut nachgehen zu können. Nach dem
Lesen und Unterschreiben diverser Erklärungen und
Belehrungen, in denen ich mich unter anderem auch bereit
erklären mußte, mein Rückfahrticket für den Fall, daß ich vor
Ablauf der zweiwöchigen Probezeit nach Hause fahren wollte,
selbst zu bezahlen. Dies stellte ich mir nicht als Problem
vor, selbst wenn es mir nicht gefiel, die vierzehn Tage
könnte ich trotzdem dort bleiben, das Geld einstreichen und
dann wieder mit gesponserter Karte nach Hause fahren. Nun
sollte ich auf die Rückseite eins der Zettel eine
handschriftliche Erklärung schreiben, in der ich
zusammenfassen sollte, was meine Aufgabe sein würde. Doch
statt selbst etwas zu dichten, wurde mir ein Satz diktiert:
Ich gehe von Haus zu Haus, werbe Mitglieder für XYZ und werde
nach Leistung bezahlt. Daß mir beim vorangegangen
Telefongespräch nach Anfrage eifrigst erklärt wurde, ich
müßte nicht "Klinken putzen" gehen, nahm ich zähneknirschend
hin, ich brauchte nun einmal Geld, und dies sah so aus, als
käme man mit einer fairen Sache schnell an viel davon. Als
die Formalitäten geklärt waren, wurde ich ins Nebenzimmer
geleitet, wo auch schon mein zukünftiger Chef zusammen mit
einer anderen, soeben gemachten, weiblichen Rekrutierung auf
mich wartete. Er erklärte mir nochmal dasselbe, was mir der
Geschäftsführer der Firma, in deren Räumen ich mich befand,
Minuten zuvor dargelegt hatte, fragte mich, ob ich wirklich
dabei sein wolle, bei seinem tollen "Team", man wolle sich
nämlich keine Mitarbeiter leisten, die schon nach zwei Tagen
wieder nach Hause wollten, und ich sprach das Jawort. Wir
nahmen unsere Taschen und stiegen zu dritt in einen
Gruppenwagen, fuhren los, aus der Stadt heraus in Richtung
irgendeines sächsischen Kaffs, in dem, wie sich später
herausstellte, das "Team" bereits befand. Auf dem Wege
befragte ich Herrn Fahrer ein wenig zu der Firma, aus der wir
gerade gekommen waren, beziehungsweise ihrer Verbindung zu
der Organisation, in die ich mich bald eingliedern würde. Er
erklärte mir, daß es sich um eine reine Personalvermittlung
handelte, die dem Chef der Agentur, unter dessen Obhut ich
mich nun offenbar befand, die Arbeitskräfte zuspielte, und
dafür Geld kassierte. Deshalb wollten also diese Leute nicht,
daß man die Probezeit freiwillig verkürzte. Neben mir lag die
Bild-Zeitung.
Einige Minuten, nachdem wir in dem brandenburgischen
Städtchen angekommen waren, kamen zwei Jungs und ein Mädchen,
alle nicht älter als 22, in auffälligen, roten Westen auf uns
zugeschlendert. Wir stellten uns vor, und als die Sprache auf
das Viertel kam, in dem ich wohnte, fragte schon der erste
"Viele Ausländer, oder?", was ich nicht so ganz beantworten
konnte, weil ich nie besonders darauf geachtet hatte. Mir
wurde dann mitgeteilt, daß derjenige, dem ich "über die
Schulter schauen" dürfe, aus eben demselben Stadtteil stamme,
und er in aller Kürze eintreffen müßte. Wenig später fuhr
dann auch schon der gleiche Kastenwagen vor, mit dem wir an
diesen Ort kutschiert worden waren, und ein stämmiger Kerl
sprang heraus, der mit markigen Sprüchen sofort geradezu um
sich warf. Nach einer Runde Small Talk stieg jeder in eines
der beiden Autos und fuhr in eine abgesprochene Richtung. Ich
saß allein mit dem Schwätzer in einem Wagen, und während wir
noch nicht einmal ausgeparkt hatten, begann er bereits, von
seinen Millionen Liebschaften mit den verschiedensten Frauen
zu erzählen. Unter anderem faselte er von 60-jährigen, von
stundenlangen Orgien, und wie scharf er doch erst wurde, wenn
sie nicht mehr wollte, usw. usf.. Nie hatte ich jemanden
derart übertrieben prahlen gehört.
Wir passierten zwei Mädchen, mein Chauffeur drehte um, und
scheiterte beim Versuch, ihre Nummer zu ergattern, dann
rasten wir weiter durch das Dorf, hin zu einem neuen
"Werber", dessen auffälige Weste schon auf einen Kilometer
Entfernung zu erkennen gab, um wen es sich handelte, blieben
in einer Hofeinfahrt stehen und tratschten erneut. Der Neue,
recht vertölpelt aussehende Kollege hatte sich in einem
Garten in der Nähe Birnen gepflückt, die wir nun zusammen
verputzten, während unsere Konversation ausschließlich von
Frauen, ihren Brüsten, und wieviel, wann, wo, wer handelte.
Jedesmal, wenn eine Person weiblichen Geschlechts vorbeilief,
wurde laut gegröhlt und grell gepfiffen, und immer, wenn es
gerade kein mehr oder minder hübsches Mädchen war, daß
passierte, wurde Hass versprüht und böse Worte genuschelt.
Als wir beendet hatten, machte sich das Großmaul auf den Weg
gen irgendwo, und ich durfte statt ihm, dem soeben
kennengelernten Mitarbeiter bei der Arbeit zu sehen, bekam
noch eine der lächerlichen Westen verliehen, und fand mich
alsbald vor der ersten Haustür wieder. Hier wollte er mir
erstmal zeigen, wie man mit alten Leuten redet, doch als dann
gerade der Sohn der alten Dame im Hause war, die eine oder
andere Frage stellte, fing er alsbald an zu stammeln, und als
er endlich begriff, daß aus diesem Haushalt kein Schein zu
holen war, ging er einfach, ohne sich zu verabschieden, und
ich musste folgen. Während wir so von Tür zu Tür zogen, sah
und hörte ich eine Menge Absonderliches. Der Tagesablauf
dieser Lusche, mit der ich mich abgeben musste, bestand im
Wesentlichen darin, auf die Straße zu spucken, Hasstiraden
auf diejenigen loszulassen, die nicht auf seine
dillettantischen Werbeversuche hereinfielen, und andauernd
über Sex zu faseln und zu phantasieren. Der Begriff "Frau"
war in seinem Wortschatz durch "Fotze" ersetzt, sein
Lieblingsspruch war "Andere gehen in den Puff, wir gehen an
die Tür", und in die wahre Bedeutung der drei Buchstaben auf
seinem Rücken weihte er mich auch ein: "Ich ficke alle". Mir
wurde immer schlechter. Und beim Gedanken an die
vorhergesagte Abendunterhaltung wurde mir speiübel: Einen
Splatterfilm würde man sich anschauen, mit richtig viel Blut
und so.
Ich konnte mir wahrlich Besseres vorstellen, als mit einem
Pack hirnverbrannter Versager in einem Zimmer zu hocken, und
mir einen, dem Niveau entsprechenden Horrorstreifen
anzusehen. Wo war ich hier hineingeraten? Die Abgründe
menschlichen Schwachsinns zeigten sich mir in jedem Wort, daß
dieser Typ von sich gab. Er prollte, prahlte, und wollte
allgemein hart und stark wirken, doch wenn er einmal
abweisende Einwände, oder gar geistreiche Fragen von den
Anwohnern gestellt bekam, wurde er auf lümmelhafte Weise
pampig und frech, quengelte vor sich hin, und wenn die Tür
wieder einmal berechtigterweise vor seiner Nase zurück ins
Schloß fiel, zeigte er den Mittelfinger verließ leise motzend
das Haus. Es war zum Heulen. Nicht genug, daß ich mich auf
eine triebgestörte Horde faschistoider Herdentiere
eingelassen hatte, denen der Begriff "Humanität" in ihrem
begrenzten Denken ein Fremdwort war, und damit meine
romantische Vorstellung, den Leuten mit dieser Arbeit etwas
"Gutes" tun zu können, ausradiert worden, sondern noch dazu
wollten sie meinen gesamten Tagesablauf bestimmen, vom
Frühstück bis zur Freizeitgestaltung am Abend sollte alles
von anderen geregelt sein, war schon vorher festgelegt und
unabdingbar. Sie nannten es WG-Leben, ich nannte es
Auslöschung des Individuums. Meinen Plan, vielleicht noch ein
paar Fotos zu schiessen, begrub ich schonmal.
Wenn diese Leute wenigstens umgänglicher wären, wenn sie
etwas hätten, was sie auf irgendeine Weise auszeichnete, aber
es gab da gar nichts, was sie vor meiner Verurteilung zu
Bauerntrampeln bewahrt hätte. Die Krönung war noch gewesen,
daß der Possenreisser vorhin, bevor er weggefahren war, noch
eine SMS hatte tippen wollen, und mich allen Ernstes gefragt
hatte, wie denn das Wort "stören" geschrieben würde: mit oder
ohne "H". Ich sagte: "Ohne", woraufhin er kurz überlegte, und
dann sagte: "Nein, mit", und ich schwieg.
Der andere Typ, mit dem ich nun unterwegs war, hatte es nicht
genau gewusst, aber auch eher für ein "stöhren" plädiert.
Kurz vor Feierabend hatte er in meinem Beisein einer jungen
Frau, unter Zuhilfenahme seines ärmlichen Charmes und unter
Ausnützung ihrer kleinlauten Persönlichkeit, noch einen
"Schein" andrehen können. Als wir danach wieder auf der
Straße standen, gab er vor mir feierlich zu, ihm würde an
diesem Job vor allem seine Autorität gefallen, man war eine
Respektsperson, jemand, vor dem die Leute Angst hatten. Aha.
Eine Minute später standen wir vor der nächsten Haustür, in
unseren billigen Westen, vor einem Herrn um die vierzig
Jahre, der uns mit intelligenten Augen gutmütig musterte, und
dann, als mein Kollege seinen Text herunterstotterte,
denselben Witz zum Millionsten Mal sprach, sich verhaspelte,
nochmal anfing, dabei unentwegt den Boden anstarrte, während
seine Finger hinter seinem Rücken nervös miteinander
spielten, stieg ein Schmunzeln in seine Gesichtszüge, daß er
nur schwerlich zu verdecken vermochte. Es sah wirklich so
aus, als würde er gleich losprusten müssen, und auch ich
konnte, köstlichst amüsiert, mein Lachen nur mit äußester
Anstrengung unterdrücken, musste mich gar zur Seite drehen
und auf den Bürgersteig starren, um mich nicht auf dem Boden
zu kugeln. Autorität? Respekt? Angst? Hier war das genaue
Gegenteil. Die großen Töne, die er in meiner alleinigen
Gegenwart gespuckt hatte, versackten dieser Gurke nun im
Halse, und heraus kam ein unverständliches Kauderwelsch, daß
immer leiser wurde, je hoffnungsloser sich das Gespräch
entwickelte. Es war weder autoritär noch respekt- oder gar
angsteinflößend, es war einfach nur abschäumigste Armut, die
sich mein Partner hier leistete. Als der Mann sich für das
Gespräch bedankte und einfach die Tür schloß, war ich ein
wenig erleichtert, denn nun wußte ich wenigstens, daß es in
dieser Stadt doch noch normale Menschen gab, die unser
Treiben sofort durchschauen, uns leise auslachen und ohne
Gezeter loswerden konnten. Als der Werbetag zu Ende ging,
liefen wir zum Treffpunkt und wurden vom Prahlhannes
aufgelesen. Nun gabelten wir noch insgesamt vier andere
Kollegen aus der unmittelbaren Umgebung auf, hefteten uns an
die Rücklichter des vorherfahrenden, ebenfalls vollen
Transporters, und fuhren gen "Heimat". Während der Tour durch
Brandenburg und Sachsen wurde im Wagen entweder über Sex,
"Fotzen", oder geworbene und nicht geworbene Mitglieder
gesprochen, während man vorbeilaufenden Frauen
hinterherhupte, -brüllte und -pfiff, und alle anderen
Menschen aus dem Fenster heraus wüst und dreist beschimpft
wurden (unter anderem ist mir ein Satz in Erinnerung
geblieben, den das Großmaul einer gebrechlichen alten Dame im
Vorbeifahren zurief: "Mensch Oma, wird Zeit das du stirbst,
dann gehts dir besser"). Inmitten dieses Albtraums saß ich,
und machte mir bereits Gedanken, wie ich dieser Hölle am
bequemsten entfliehen konnte, während ich gezwungenermaßen
meinen Mund zu einem Lächeln verzog, wenn wieder mal ein
platter Witz fiel. Mir fiel nichts Besseres ein, als einfach
direkt nach dem Aussteigen meine Koffer zu greifen, nach dem
Bahnhof zu fragen, und mich, ohne auf irgendwelches Gerede
einzugehen, dorthin zu begeben. Nach anderthalb Stunden Fahrt
erreichten wir ein Dorf im sächsischen Hinterland, etwa
zwanzig Kilometer entfernt von Dresden, und hielten an einer
Gaststätte. Niemand hatte mir gesagt, daß wir vor der
Heimkehr erstmal essen wollten, und so stieg ich aus, sah
kein Jugendherbergs-ähnliches Gebäude um mich herum, keiner
machte Anstalten, in irgendeine Richtung zu gehen, und so
wurde ich verunsichert, wollte dennoch zu meinen Taschen, die
noch im Kofferaum des anderen Transporters lagen, fragte den
Fahrer, ob ich denn meine Sachen nehmen könnte, doch er
antwortete nur unwirsch mit einem kurzen "Nein, jetzt wird
gegessen". Ich traute mich angesichts der anfeindenden
Antwort nicht weiter zu fragen, und wartete stattdessen
darauf, daß sich irgendetwas tat. Als die beiden
Anführer/Fahrer ein paar Telefongespräche und SMS-Versände
getätigt hatten, gingen allemann nacheinander in das
langweilige Lokal, setzten sich an reservierte Tische, und
bestellten - alle das Gleiche. Nur die Getränke waren frei zu
wählen. Ich saß wieder neben dem Labermaul, und er erklärte
mir, daß für die nächsten zwei Wochen, der Probezeit, die
Mahlzeiten auf Kosten des Hauses gehen würden, danach aber
selbst gezahlt werden müsste. Das Essen wurde serviert:
Nudeln mit Gulasch. Nicht unbedingt der größte Gaumenschmaus,
aber ich konnte mir Schlimmeres vorstellen. Als sich dann
herausstellte, daß die Tagesmenüs dieses Restaurants aus
ganzen drei verschiedenen Mahlzeiten bestanden, graute mir
schon davor, alle drei Tage dasselbe essen zu müssen. Mit
einem flauen Gefühl im Magen schluckte ich die Bissen,
schmeckte kaum etwas, und überlegte weiter, wie ich dem
Ganzen am Besten entrinnen könnte, zumal die
Geschmacklosigkeit dieser Leute nicht mal vor der locker
fünfzigjährigen Bedienung halt machte. Sie wurde Ziel
endloser platter Witze und plumper Andeutungen, und allgemein
rotierte bei Tisch das Thema nur wieder um Sex, außer das
zwischendurch immer mal wieder einer der anderen Neulinge,
der seit zwei Tagen zum "Team" gehörte, zum Objekt
homophobischer Komik wurde. Alles lachte, und mir wurde
schlechter. Ich saß da auf meinem Stühlchen und wünschte mich
ganz weit weg, am besten in die normale Welt. Als das
Abendessen beendet war, verliessen alle wie auf Knopfdruck
die Lokalität, zwengten sich wieder in die Transporter, und
wir fuhren in den letzten Sonnenstrahlen des Tages dorthin,
was unsere Basis genannt wurde, von der aus, jeden Morgen
aufs Neue, gestartet werden sollte. Ihr Standort hatte sich,
entgegen meinen Information von immer wechselnden
Übernachtungsstellen, seit zwei Jahren, also seit Existenz
der Firma(?), nicht verändert. Wir hielten vor einem
dreistöckigen Fachwerkhaus an, ich fasste all meinen Mut
zusammen, stieg aus, wollte hinüber zu meinen Taschen gehen
und abhauen, doch zu meiner Entmutigung sah ich den Fahrer
des Wagens Rucksack und Reisetasche schon zur Eingangstür
tragen, und meine Sicherheit schwand dahin, mein wackliger
Plan zerbrach, bevor ich in ausgeführt hatte. Natürlich hätte
ich ihm einfach meine Sachen entreissen können und auf die
Wegbeschreibung zum Bahnhof beharren können, doch ich wollte
mich dem Gerede und der Weichklopferei dieser Leute nicht
aussetzen, zumal hier die ganze Mannschaft versammelt war,
und ich ihnen nicht einfach sagen konnte, daß ein Umgang mit
ihrer Art Mensch für mich eigentlich unerträglich war, daß
ich zwar in meiner finanziellen Not sogar bereit wäre, im
Namen einer fadenscheinigen Organisation die Menschen von
ihrem Allgemeinwohl zu überzeugen, nicht aber dazu, meine
Zeit pausenlos mit einem Haufen Schwachmaten verbringen zu
müssen. So blieb ich still, prüfte, während einer der
Anführer drei Schlösser der Eingangstür öffnete und wir
daneben warteten, die Fenster im Erdgeschoss auf
Fluchttauglichkeit, und mich schauderte. Sämtliche Klinken
waren entfernt worden, keines würde zu öffnen sein. Doch
selbst wenn die Fensteröffner noch vorhanden gewesen sein
wären; als wir eintraten, stand ich in einem langgezogenen
Gang, der in einem Treppenaufgang mündete, und die Zugänge zu
den angrenzenden Räumen waren mit Holzplatten
verbarrikadiert, genauso wie die Hintertür zum Hof. Hier
zogen alle ihre Schuhe aus, die Haustür wurde wieder
abgeschlossen, und wir gingen die einzige Richtung, die man
einschlagen konnte, nämlich hin zur Treppe, hoch in den
ersten Stock. Oben wälzte sich auf dem durchtretenen Teppich
ein Schäferhund, der, wie mir nebenbei erzählt wurde, bis vor
kurzem noch Läuse gehabt hatte. Angenehm. Napf und Decke des
Köters lagen direkt vor mir. Auf diesem Stockwerk befanden
sich Unterkünfte und Küche. Mein Zimmer wurde mir gezeigt; es
war etwa 10qm groß, links an der Wand ein Schrank, mit dem
Poster einer (wie sollte es auch anders sein) nackten Frau
daran geheftet, ein Tisch davor, dahinter bis zur Zimmerwand
ein Doppelbett, demgegenüber ein Einzelbett, davor ein
Schrank, der zwischen Bett und Tür stand, und an den Wänden
hingen Plaketten und Schilder im Stil von "Nüchtern siehst du
scheisse aus". Mir wurde der untere Teil des Doppelbettes
zugeteilt. Ich stellte meine Taschen vor mein Schlafgemach,
und begab mich nach oben in den zweiten Stock, hier sollte
"Papierkram" erledigt werden. Nach Ende der Treppe stand ich
in einem Vorraum, der durch zwei Türen von angrenzendem Flur
und Räumen getrennt wurde. Vor mir standen sich zwei
durchgesessene Sofas schräg gegenüber, in der Mitte ein Tisch
mit leeren Bierflaschen und einem überfüllten Aschenbecher
darauf, hinter der linken Couch befand sich ein verriegeltes
Fenster mit vertrockneten Topfpflanzen auf seinem Brett. An
den Türen zu meiner Rechten hingen Zettel, auf die in
billigstem Tintenstrahl das Firmenlogo gedruckt war; eine Art
Doppelkreis mit einem Punkt in der Mitte, der Name des
höchsten Chefs darüber, und untendrunter in der gleichen,
jeglicher Ästhetik entbehrenden Schriftart das Wort
"Werbeagentur". Aha. So sah also eine Agentur für Werbung im
sächsischen Land aus. Eine gemietete, veraltete
Jugendherberge, ein verlauster Köter, verriegelte und
verschlagene Türen und Fenster, Gestank von Katzenkot, und
eine Ansammlung gescheiterter Versager, die sich von zwei
proletenhaften Schwätzern wie Sklaven herumkommandieren
liessen. Mittendrin war ich. Ich fragte mich, warum sie
überhaupt sagten, man könne jederzeit gehen. Warum war die
Tür verriegelt, warum nahmen sie allen die Handys weg, wenn
man ausfuhr, warum war das Erdgeschoß bis auf den Durchgang
zur Treppe unbegehbar? Doch wenn ich danach fragen würde,
hätten sie sicher irgendeine passende Antwort dazu parat, die
vielleicht auch zutreffen könnte, doch den Nebeneffekt, wenn
nicht sogar den Hauptzweck, den würden sie verschweigen.
Jedenfalls ließen wir uns nun nieder, der Prahlhannes, das
Mädchen, daß mit mir zusammen hier rein gerutscht war, und
ich, wir saßen nun im Treppenhaus auf den gammeligen
Sperrmüll-Sofas, und fingen an, uns ein wenig zu unterhalten.
Gewohnt niveaulos driftete das Gespräch von flachen Scherzen,
über schmarotzende Asylbewerber, über kranke Homosexualität,
bis hin zu Schlägereien und weiblichen Formen, bis mir
mitgeteilt wurde, daß gleich jemand mit den vielen Zetteln
erscheinen würde, die auszufüllen waren. Mir war ganz und gar
nicht wohl dabei. Bisher hatten sie nur meinen Namen, nichts
anderes, und ich hatte nicht vor, diesen Primaten auch nur
eine Zahl meiner Telefonnummer oder auch nur einen Buchstaben
meiner Adresse zu verraten, also merkte ich beiläufig an, daß
ich mir gar noch nicht so sicher sei, ob ich diese Arbeit
überhaupt noch machen wolle. Sofort verfinsterte sich die
Miene des Proleten. Mit kalter Stimme und versteinertem
Gesicht fragte er mich langsam, wie er daß denn verstehen
solle, ich hätte doch genau gewusst, was mich erwarten würde,
als ich losgefahren war, hätte doch zugesagt, zumindest zwei
Wochen zu bleiben, und warum zu Teufel wollte ich jetzt schon
den Schwanz einziehen? Ich nuschelte ein wenig herum, und er
rief seinen Partner dazu. Mit ebenso feindlicher Stimmlage
forderte er mich auf, den Satz zu wiederholen, den ich auf
die Rückseite des Bogens bei der Personalvermittlung
geschrieben hatte. Ich betete ihn herunter, revidierte dann
meine vorher getane Andeutung, ja, ja, die zwei Wochen würde
ich machen, klar, und entschied mich, nicht noch einmal
meinen Unwillen gegenüber dieser Situation, dieser dreckigen
Unterkunft, und vor allem gegenüber diesen Menschen
anzudeuten. Ich konnte diesen Leuten nunmal nicht einfach ins
Gesicht sagen, daß ich sie grenzenlos verbohrt und
kurzsichtig fand, und mich jedes einzelne ihrer Worte bis zum
Letzten aneekelte. Nein, es musste einen anderen Weg geben,
irgendwie musste ich eine geeignete Lösung finden. Aber aus
diesem Haus gab es kein Entrinnen. Wenn ich hinaus gehen
wollte, hatte ich die Chefs um Erlaubnis zu fragen, und wenn
sie dann meine Taschen sehen würden... nein, diesen quälenden
Wortgefechten wollte ich mich nicht aussetzen, zumal ich sehr
wahrscheinlich sowieso weichgeklopft werden würde, und dann
doch wieder in diesem Loch versacken würde. So schossen meine
Gedanken hektisch umher, auf der Suche nach einem gesunden
Aus- und Abgang, während der Proll neben mir schon wieder
angefangen hatte, seine Sprüche zu machen, und ein Mädchen,
daß sich mittlerweile neben mich gesetzt hatte, mit falschem
Charme ergebnislos versuchte zu betören. Als irgendwann alle
auszufüllenden Papiere herangebracht worden waren, begaben
wir uns ins Wohnzimmer des "Geschäftsführers" dieser
"Werbeagentur". Hier lief ein Fernseher, der ungefähr meiner
Körpergröße entsprach, daneben standen zwei Decoder, eine
riesige Anlage die mit Surround-Boxen schallte, und aus dem
Nebenzimmer ertönte das Rauschen einer Amateurfunkeranlage.
Zwei Kätzchen strichen zwischen dem massiven Wohnzimmertisch
und dem Ledersofa umher. Wir setzten uns auf das dicke
Ecksofa, und zuerst wurde mir eine Seite Text diktiert, die
der sogenannte "Grundspruch" sein sollte. Es handelte sich
dabei um den vorgefertigten Text, den man bei jeder Haustüre
aufsagen sollte, und der das inhaltlich wichtigste kompakt
aussagte, um den Gegenüber so schnell wie möglich zur
Unterschrift zu bringen. Diesen Spruch sollte ich am Abend
auswendig lernen, damit ich ihn am nächsten Tag schon einmal
selbst anwenden könne. Als ich den Zettel beschrieben und
eingesteckt hatte, mußte ich den Personalausweis rausrücken,
und zum zweiten Mal an diesem Tag wurde meine Adresse,
Telefonnummer, Geburtsdatum, Ausweisnummer usw. penibel genau
abgeschrieben. Dazu wurde ich noch nach Namen, Nummer und
Anschrift meiner Eltern gefragt, zwecks Benachrichtigung,
falls mir etwas zustieße. Ich gab falsche Daten an. Dann
musste ich noch einige Zettel unterschreiben, unter anderem
auch eine Bestätigung, daß ich für die nächsten zwei Wochen
schon einen Vorschuß im Werte von 216 Euros in bar erhalten
hatte, und daß ich ab sofort freier Handelsvertreter im
Auftrage der Rettungsfirma sein würde. Es war der reinste
Hohn: Ich war das Gegenteil von frei, und für die Unterkunft
in diesem dreckigen Loch musste man sogar noch 20 Steine pro
Tag an den Oberboss entrichten.
Als die Schreibarbeiten erledigt waren, begaben wir uns in
den Aufenthaltsraum, wo sich drei der Mitartbeiter
aufhielten, die dann rüde dazu aufgefordert wurden, den Raum
zu verlassen, und von denen einer zur Strafe, weil er zu
lange fürs Verlassen brauchte, die nächste Woche zum
Kloputzen eingeteilt wurde. Dann wurde uns ein zehnminütiger
Werbefilm der Rettungsfirma gezeigt, in dem noch einmal
eingehend alle Argumente, mit denen man auf die Menschen
zugehen sollte, auf billigste Art und Weise breit getreten
wurde. Als der Streifen zuende war, fragte ich aus einer
instinktiven Ahnung heraus nach der Toilette. Soe würde mir
in Bälde gezeigt werden, jetzt wäre sowieso schon bald
Schlafenszeit, und wir könnten uns ab sofort beschäftigen,
mit was wir wollten.
Wir gingen wieder hinunter in den ersten Stock, wo zwei
kleine, mit PVC verkleidete Räume waren, die jeweils eine
Kloschüssel, ein Waschbecken und einen Lichtschalter hatten.
In einem der beiden verschwand ich, um zu pissen. Hier kam
mir dann die Idee, mal auf den Klodeckel zu steigen, und aus
dem Fenster zu schauen, ob sich hier nicht eventuell eine
Fluchtmöglichkeit bot. Ich steckte meinen Kopf durch das
winzige Loch in der Wand, und entdeckte zu meiner
Erleichterung links unter mir eine Art Schuppen, der ein
Flachdach hatte, von dem aus man im Notfall recht einfach die
Straße erreichen müßte. Dies behielt ich als letzten Ausweg
im Hinterkopf, dann suchte ich das Zimmer auf, in dem ich
schlafen sollte. Als ich in das Kämmerchen trat, befanden
sich schon fünf andere darin. Ich setzte mich hin, blickte um
mich, sah ein paar Bierdosen, und begriff, was sie hier
taten. Sie führten doch tatsächlich gerade eine Art
Rollenspiel durch. Einer war der Vertreter, der andere
potentielles Mitglied, und Ersterer mußte den anderen mit
schlagkräftigen Argumenten zur Einwilligung und Unterschrift
bewegen, welcher aber mit allen möglichen Zweifeln und
Einwänden konterte. Sie trainierten hier tatsächlich ihr
Verkaufsgespräch, und hatten nichts besseres zu tun, als
nebenher noch Bier zu trinken. Den ganzen Abend klopfte
jemand an die Türe, bat den Vertreter hereinzukommen, und
löcherte ihn mit Fragen, die der tolle Rettungsmann nach
bestem Können beantwortete, während alle anderen drumherum
standen, und sich das Ganze anhörten, immer mal wieder über
diesen und jenen Versprecher, oder diese und jene Dummheit
lachend.
Ich sah dem Schauspiel eine Weile zu, und auf einmal bemerkte
ich mit Entsetzen, daß ich langsam die Distanz zu ihnen
verlor, daß ich anfing, mitzulachen, daß ich begann, auf ihr
Niveau abzusinken. Was mir am Nachmittag und nach der Ankunft
noch wie von einem anderen Stern vorgekommen war, wurde
mittlerweile zur Normalität, zum Alltag. Zu meinem Alltag.
Als ich das begriff, als ich sah, daß meine Distanz zu diesen
engstirnigen, verbohrten Affen langsam schwand, da schrillten
in meinem Hirn sämtliche Alarmglocken.
Nicht eine Sekunde länger durfte ich mit diesen Leuten
zusammen sein, schon gar nicht ganze zwei Wochen, ich müsste
noch in der selben Nacht flüchten, und wenn mir nichts
anderes blieb, auch gern durchs Klofenster. Das Flachdach
links darunter wurde Gegenstand meiner Überlegung. Noch war
ich mir nicht sicher, ob ich es wirklich machen sollte, doch
als ich alle Möglichkeiten, die sich mir boten, eingehend
prüfte, erschien mir die stille Flucht durch die Toilette
noch am Gesündesten, vor allem für mich. Ich hätte auch bis
zum nächsten Morgen schlafen können, dann den beiden Bossen
Bescheid geben können, ich wolle aufhören und das Haus sofort
verlassen, doch ich konnte mir nur allzu gut vorstellen, wie
schwierig sich das gestalten würde. Zuersteinmal hätte ich
einen geeigneten Zeitpunkt dafür finden müssen. Allenmann
wurden morgens um halb sechs geweckt, mussten sich bis halb
sieben fertig gemacht und geduscht haben, dann würde es
Frühstück geben, und dann würden allemann schon wieder in den
beiden Transportern sitzen, und wieder in irgendein
brandenburgisches Kaff fahren. In diesem straff organisierten
Zeitplan erschien kein Moment dazu günstig, mein Anliegen zu
unterbreiten. Und selbst wenn ich einen solchen fand, ich
konnte mir nur allzu gut vorstellen, wie er in kurzen
Zwischengesprächen und lauter anderen Kleinigkeiten soweit in
die Länge gezogen und zerschmolzen werden würde, bis er nicht
mehr so geeignet war, und ich sah mich schon dort stehen,
schwitzend, während meinem Wunsch keine Aufmerksamkeit
geschenkt werden würde, bis er schließlich weichgekocht sein
würde, und dann die beiden Chefs in der gleichen,
autoritär-drohenden Manier mich bearbeiten würden, bis mein
Wille entgültig zersetzt wäre. Ihre psychische Folter bis zum
Ende durchzustehen würde enorme Willensstärke erforden, und
ich hatte keine Lust, mich all dem auszusetzen. Und wer weiß,
vielleicht würden sie es wirklich schaffen, mich
dazubehalten, keine Ahnung, was sie noch für Geschütze
auffahren würden und was ihre weiteren Methoden waren, ich
jedenfalls wollte es nicht herausfinden. Stattdessen wollte
ich lieber still und heimlich abhauen, und entschied mich so
auch endgültig dafür. ich dachte noch ein wenig darüber nach,
während im Zimmer das dämliche Rollenspiel die ganze Zeit
weitergeführt wurde, und allmählich kam meine Flucht in
meinem Geiste zur Form. Ich müßte mich in Kleidern schlafen
legen, wachbleiben, bis allemann schliefen, dann einfach
meine Taschen greifen und durchs Klofenster in die Freiheit
entschlüpfen. Dabei fiel mir ein, daß meine Schuhe ja noch
unten am Eingang standen, und ich konnte mich nicht mehr
genau daran erinnern, ob nicht zwischen Treppenhaus und
Durchgang noch eine Trennwand war, die meine Latschen von mir
trennen könnte. Wenn das der Fall wäre, könnte ich meine
Pläne direkt begraben, und wenn nicht, der Umstand, daß sie
dort unten standen, und nicht direkt bei mir, machte die
Sache schwieriger, als ich es zuerst gedacht hatte. Zuerst
müsste ich mich davon vergewissern, daß der Zugang zu den
Schuhen nicht versperrt war. Zu diesem Zwecke öffnete ich
meine Reisetasche, entnahm ein Handtuch, schlenderte hinaus
auf den Gang, ins Treppenhaus, und als sich keiner in der
Nähe befand, schlich ich die Treppe zum Erdgeschoss hinunter.
Zu meinem Glück war nichts zwischen mir und den Schuhen, ich
könnte sie also später holen.
Ich lief die Treppe zurück hinauf, weiter in den zweiten
Stock, erkundigte mich bei einem der Luschen die dort saßen
nach der Dusche, musste davor noch 15 Minuten warten, und
trat dann hinein. Ich befand mich in einem langen, schmalen
Räumchen, dessen Wände gekachelt waren, und aus nichts weiter
bestand als einer alten Badewann in der linken Mitte, an
deren Rand ein paar Handtücher trockneten, aber erblickte
keinen Duschraum, oder wenigstens einen Duschkopf. Ich
verschloß erstmal die Tür, schritt dann auf dem nassen Boden
weiter in den Raum, zog dann die Strümpfe aus, und schaute
mich um. Am hinteren Ende dieses schmalen Etwas, daß diese
Leute Bad nannten, befand sich ein Loch, daß sich bei näherer
Betrachtung als Abflusswanne aus Beton herausstellte, und
etwa zwei Meter darüber schaute ein kleines metallenes Ding
aus der Wand. Dies war also Dusche und Duschkopf. Dann
erkannte ich auch den Hahn, der zu meiner Erleichterung sogar
die Möglichkeit bot, die Wassertemperatur zu regulieren.
Schnell zog ich mich aus, stand für ein paar Minuten
regungslos unter dem wärmenden Strahl, drehte dann das Wasser
ab, zog mich wieder an, und ging nach unten. Hier hatte sich
nichts geändert. Nach wie vor saß man, mit Bierdosen in den
Händen herum, und sah zu, wie einer, der wohl erst seit zwei
Tagen dabei war, seinem Gegenüber unverständliches Zeug
entgegennuschelte. Das nasse Handtuch hängte ich über die
Bettkante, dann aber, als ich mal wieder für ein paar Minuten
Zigarettenpause allein gelassen wurde, stopfte ich es eiligst
wieder in die Tasche, verschloß sie gründlich und
abfahrbereit, und stellte sie hinter den rechten Schrank,
damit sie von dem Einzelbett aus nicht gesehen werden konnte.
Nun prüfte ich, wie laut das Bett war, wenn ich mich bewegte;
wand ich mich zur Seite, blieb es halbwegs ruhig, doch wenn
ich aufstand, egal wie ich es auch anstellte, knarzte und
knackte meine Stätte schlimmer als jeder Wecker. Das war
natürlich nicht so gut, doch es musste auch so gehen, mir
würde nichts anderes übrig bleiben. Ich legte mich zurück auf
die Matratze, zog die Decke über meine Hosenbeine und spielte
den Ermüdeten. Bald kamen meine Zimmergenossen zurück, und
nach ein bisschen Konversation über Sinn und Unsinn der
Polizei, die doch sowieso immer zu kommen würde, nur weil sie
immer erstmal ihren Kaffee austrinken würden bevor sie
ausrückten, wurde das Licht ausgeknipst, und man sagte sich
gute Nacht. Nun war Ruhe, und ich fing an, mir meinen Plan
soweit zusammenschmieden, daß ich kaum Gefahr lief, bei
meinem Ausbruch aus diesem Knast aufzufallen. Er sah
folgendes vor: Zuerst würde ich, wenn beide meiner
Zimmerkollegen eingeschlafen waren, aufstehen, meinen
Rucksack von seiner Stellung hinter meinem Bett greifen, dann
den Raum zu verlassen, ein Stockwerk tiefer meine Schuhe zu
holen, zurück ins Zimmer zu gehen, und wieder auf schlafend
zu machen, damit, falls mich jemand bei meinem Treiben
bemerkt hatte, dieser keinen Verdacht schöpfte. Eine Weile
würde ich so warten, dann wieder aufstehen, die dicke Tasche
zu schnappen, und nur noch durchs Fenster zu entkommen. Auch
eventuelle Überraschungen kalkulierte ich mit ein; wenn einer
der beiden Schlafenden aufwachen und mich fragen würde, wohin
ich denn mit dem Rucksack wolle, würde ich sagen, ich wolle
ins Bad, könne nicht schlafen und würde mich waschen wollen,
und in dem Rucksack wäre die benötigte Seife, und so weiter.
Wenn mich jemand dabei überraschen würde, wie ich die Treppe
hinab zum Ausgang ging, könnte ich sagen, ich wolle nur mal
raus an die frische Luft, Zigaretten zu holen, und in dem
Fall könnte ich dann sogar enttäuscht/erbost darüber
zurückkehren, daß ich die Tür verschlossen vorgefunden hatte.
In dem Falle hätte ich auch ein weiteres Argument für den
Fall, daß irgendwas schiefginge, und ich mich am nächsten
Morgen doch irgendwie rausboxen müßte. Andere Situationen
erschienen mir dagegen sehr heikel, und ich konnte noch nicht
einschätzen, wie ich reagieren müßte. Wenn mich jemand im
Flur mit den Schuhen antreffen würde, oder schlimmer noch,
wenn ich dabei überrascht werden würde, wie ich mit beiden
Taschen und angezogenen Schuhen schon im Flur stand. Bei den
Schuhen könnte ich immer noch sagen, daß ich nur mal eben
raus wollte, aber in zweitem Falle würde mir wahrscheinlich
nichts anderes übrig bleiben, als an der Person vorbei auf
die Toilette zu rennen, sie abzuschließen, und so schnell wie
möglich erst durchs Fenster das Haus zu verlassen, und dann
über Schleichwege auch das Dorf hinter mir zu lassen. Aber
dies waren alles Momente, in denen ich mich erst bei ihrem
Eintreten für die geeignetste Reaktion entscheiden müßte,
wobei ich aber sehnlichst hoffte, mich nicht mit derartigem
auseinandersetzen zu müssen. So lag ich wach, und das Läuten
der Kirchturmglocken direkt gegenüber teilte mir jede
Viertelstunde die aktuelle Uhrzeit mit. Ich brannte darauf,
die Minuten vorüberziehen zu hören, damit ich endlich starten
konnte, und jede Sekunde Wartezeit machte die Spannung
unerträglicher. Dieser Plan könnte klappen, soviel wußte ich,
und ich wollte ihn durchsetzen, solange ich noch den Mut und
die Kraft dazu spürte. Während ich so dalag, schaute ich
beunruhigt auf die nervösen Bewegungen meines Gegenübers.
Irgendetwas schien ihm vom Schlafe abzuhalten, jedenfalls
drehte und wendete er sich immer wieder ungeduldig in seiner
Decke, und immer wenn ich vermutete, nun sei er
eingeschlafen, fing er doch wieder an, sich mit den Fingern
im Gesicht rumzufummeln und sich unruhig hin- und her zu
wälzen. Aus dem Dunkel heraus sah ich ihm unentwegt dabei zu,
und versuchte dabei, meine eigene Atmung lang und gleichmäßig
zu halten, auf daß er annehmen müßte, ich würde längst
schlafen. Und dann schlug die Uhr die zweite Stunde. Nun
mußte es geschehen, auch wenn der Kerl gegenüber immer noch
keine richtige Ruhe gab. Kurz wartete ich noch ab, zog dann
die Decke zur Seite, und streckte mein Bein aus. Das Bett
knackte und knirschte, und bevor ich überhaupt auf dem Boden
stand, fuhr mein Gegenüber herum, und starrte mich im Dunkeln
an. Ich ignorierte ihn, machte auf schlaftrunken, taumelte in
Richtung Tür, drehte mich zur Seite, nahm den Rucksack in die
Hand, und trat hinaus auf den Flur. Ich hatte Glück; diese
Leute hatten ihre dreckige Kleidung zum Waschen vor die Türen
gelegt, und so konnte ich meinen Rucksack unter ein paar
miefenden Wäschestücken. Nun ging ich den Gang entlang zum
Treppenhaus. Ein Licht sprang an, doch keine Hand, sondern
nur ein Bewegungsmelder hatte es angeschaltet. Das passte zu
allem anderen in diesem Gefängnis; man konnte nicht mal
entscheiden, ob man im Dunkeln oder im Hellen latschen wollte.
Ich schritt die Treppen hinab, und noch bevor ich ihren
Absatz erreicht hatte, vernahm ich ein bedrohliches Knurren.
Dann stand ich ihm Gang und blickte zur Türe. Der verlauste
Schäferhund starrte mich wachsam und mit aufgesperrten Ohren
an, und er knurrte umso lauter, je näher ich ihm kam.
Glücklicherweise standen meine Schuhe einige Meter von dem
Köter entfernt, so daß ich sie, nachdem ich mich unter
leisem, beruhigendem Flüstern an sie herangeschlichen hatte,
aufnehmen konnte, und langsam wieder zur Treppe schritt. Zu
meiner Erleichterung bellte er nicht, oder schlug sonstwie
Alarm, doch selbst wenn, meine Ausrede, Zigaretten holen zu
wollen, hätte immer noch gepasst. So ging ich unbeschadet und
unentdeckt wieder nach oben, stopfte die Schuhe zum dem
Rucksack unter dem Wäscheberg, trat wieder ins Zimmer, wo der
nervöse Typ im Einzelbett mich sofort wieder anglotzte, legte
mich auf meine Stätte, drehte mich um, und er tat dasselbe.
Nun lag ich wieder hier, Teil eins meiner Mission war
erfüllt, Teil zwei würde bald starten. Teil drei, der
vorsehen sollte, wie ich vorgehen würde, wenn ich erstmal
draussen war, hatte ich noch nicht bedacht. Die Uhr schlug
halb drei, und ich hielt den Zeitpunkt für gekommen, den
endgültigen Ausbruch nun zu wagen. Erneut stand ich auf,
wieder begleitet vom unvermeidbaren Kreischen des verdammten
Bettes, und sofort blickte mich Herr Hyperaktiv wieder an,
und noch dazu gähnte jetzt der Junge über mir, der sich die
ganze Zeit über kaum geregt hatte, vor sich hin. Mir blieb
trotz allem nichts anderes über, als zur Türe zu gehen, sie
leise zu öffnen, und mich in den Flur zu stellen. Ich drehte
mich um, beobachtete den, der über mir geschlafen hatte, bei
seinen Streckübungen, wußte, daß er mich, so auf dem Rücken
liegend, nicht sehen konnte, daß auch der andere dazu nicht
in der Lage war, denn es stand ein leer Schrank zwischen ihm
und mir, und direkt vor mir war meine Reisetasche, die ich
nun sanft und geräuschlos aufhob und in den Flur stellen
konnte. Leise schloß ich die Tür, kramte die Schuhe hervor,
zog sie an, schnappte Rucksack und Tasche, ging schnellen
Schrittes in Richtung Klos, sah die unvermeidbare Lampe mir
entgegenstrahlen, verschwand im linken Raum, zog die Tür zu
doch schloß sie nicht ab, denn niemand hatte mich gesehen,
und auch wenn die beiden Gurken irgendwann bemerken würden,
daß ich nicht mehr zurückkehrte, - ich wäre längst über alle
Berge.
Und so warf ich die Taschen, auf der Kloschüssel stehend, aus
dem engen Fensterchen hinüber auf das Schuppendach, zwängte
mich selbst hinterher, verlor fast das Gleichgewicht und sah
mich schon auf den Boden zurasen, sprang dann aber im letzten
Moment nach links zu meinen Taschen, und landete unversehrt
auf der Dachpappe. Sofort legte ich den Rucksack an, schwang
den Riemen der Reisetasche quer über meine Brust, lief zur
Kante dieses Daches, und wollte nicht fassen, was ich sah.
Hier war kein Ausweg, hier war keine Straße, hier war nichts,
auf daß ich mal eben hätte springen können; vor mir floß ein
Bach, der gerade Hochwasser führte, und deshalb eher ein
reißender Strom war, und der übergangslos mit Haus- und
Schuppenwand abschloß. Ich blickte mich um, doch gegenüber
war ein weiteres Gebäuse, neben mir der Knast, und schräg
hinter floß das Wasser, unter mir ein Innenhof, der weder Tür
noch Tor besaß. Entlang des Wasserlaufs verlief eine hohe
Mauer, die das Bachbett vom Innenhof trennte, und deren Höhe
ich auf etwa drei Meter schätzte. Sie fing direkt am Ende des
Schuppens an, und war maximal 40 Zentimeter breit. Ich sah zu
ihrem Ende, doch konnte in dem dortigen Dunkel nicht
erkennen, ob ich wenigstens dort irgendwie abhauen konnte.
Ich fing schon an zu verzweifeln. Nicht genug, daß man unter
Einsatz seiner Gesundheit überhaupt erst nach draussen kam,
nein, selbst wenn man es geschafft hatte, schaute man
meterweit in die Tiefe, und war wiederum nur gefangen. Sollte
ich umkehren? Lieber noch wollte ich es riskieren. Trotz der
glitschigen Mauer und trotz der Tiefe, in die ich
hinabstürzen konnte, musste ich doch einen Blick ans andere
Seite dieses Innenhofes werfen, damit ich immerhin nicht
sagen konnte, ich hätte nicht alles versucht. Also
balancierte ich zitternd auf der brüchigen Mauerkante
entlang, und legte so Meter um Meter zurück. Ich konnte mich
nicht entscheiden, in welche Richtung ich lieber fallen
würde, wenn ich tatsächlich das Gleichgewicht verlieren
sollte. Zu meiner Linken ging es hinab in Sturzfluten, in
denen ich entweder erfroren oder ersoffen wäre, zu meiner
Rechten ging es hinunter auf gepflasterten Steinboden, wo ich
mir wahrscheinlich alle Knochen gebrochen hätte. Aber mir
passierte nichts, die 30 oder 40 Meter legte ich unbeschadet
zurück, und mit Freude sah ich am Ende der Mauer eine kleine
Gasse, die ich leicht hinabspringen konnte, und die mich auf
die nächste Straße führen würde, von wo aus ich wenigstens
irgendwo hin, Hauptsache weg von hier, rennen könnte. Ein
letztes Mal blickte ich zurück, schaute auf das friedliche,
dunkle Haus, daß mir in diesem Moment eher wie ein schwarzer
Moloch vorkam, und sprang dann beherzt hinunter in das
Gässchen, rannte auf die anliegende Straße, weiter geradeaus
auf eine Anhöhe hinauf, vorbei an gelbglühenden Lampen, immer
weiter, wollte weg vom Licht, in Angst, daß mir doch jemand
folgen würde, und erreichte bald, erschöpft, aber glücklich,
einen Feldweg, dessen Lauf ich ersteinmal folgte.
Mich fröstelte ein wenig, also zog ich meine Jacke aus der
dicken Tasche, und streifte sie über. Wie sollte ich
weitermachen? An der Himmelsrichtung brauchte ich mich nicht
zu orientieren, wenn ich es auf die Weise probieren würde,
wäre ich in einer Woche eine verhungerte Leiche in
irgendeinem vergessenen Stück Mischwald. Der Bahnhof erschien
mir da ein besseres Ziel. Am Nachmittag hatte ich mich
bereits erkundigt, ob in diesem Dort irgendwo eine Station
existierte, damit ich auch all die Bekanntschaften, die ich
an den Haustüren kennenlernen würde, auch mal besuchen könne.
Es war bejaht worden, und jetzt wollte ich dorthin. Der
Feldweg verlief parallel zu einer langen Häuserreihe, und als
die Häuser endeten, sah ich eine Fabrik, eine
Produktionshalle, in der noch Licht brannte. Dorthin ging
ich, rief durch ein offenes Tür einen Arbeiter zu mir, und
fragte nach dem Weg zum Bahnhof. Natürlich war er in
entgegengesetzter Richtung, circa einen Kilometer entfernt.
Ich bedankte mich höflichst, und ging die breite Straße durch
das winzige Industriegebiet zurück zu den Wohnhäusern, wo ich
in die erste Seitenstraße einbog, so daß ich, für den Fall,
daß man mich doch noch suchte, noch schnell in einen
Vorgarten hechten konnte, falls ein Auto vorbeifahren würde.
Ein paar Minuten lief ich so, sah dann zwei Rücklichter in
einer Hauseinfahrt abgeschaltet werden, blieb stehen, wartete
auf den, der ausstieg, und fragte ihn ebenfalls nach dem
Bahnhof. Nach Auskunft bedankte ich mich wieder artig, lief
weiter, und nach einigen Metern fuhr der junge Mann hinter
mir her, blieb neben mir stehen, und schon fand ich mich im
Auto zur Bahnstation wieder. Ich erzählte ihm von meinem
Erlebnis, brauchte dafür die ganze Fahrt, gab ihm noch den
Hinweis mit, nie in seinem ganzen Leben mit irgendwelchen
fremden Leuten, die um irgendwelches Geld für irgendetwas
betteln, Geschäfte zu machen.
So stand ich dann, um Punkt drei Uhr, am Bahnsteig dieses
Kaffs und ging zum Abfahrtsplan. Der erste Zug würde erst in
anderthalb Stunden fahren. Da ich auf keinen Fall an dieser
Station bleiben und auf ihn warten wollte, fing ich an, die
Bahnlinie entlang zu laufen um zum nächsten Bahnhof zu
gelangen. Auf dem Weg ereilte mich zweimal, inmitten des
tiefsten, dunkelsten Waldes die Wahnvorstellung, von wilden
Tieren umringt zu werden, und in meiner Angst schrie ich dann
wie am Spieß, nur um dann zu bemerken, daß ich doch wieder
nur gegen einen schwarzen Busch angebrüllt hatte. Hier schoß
ich auch die ersten Fotos meiner mißratenen Reise. Als ich
das nächste Dorf erreicht hatte, wanderte ich wieder auf
festen Straßen, streckte den paar vorbeifahrenden Autos den
Daumen entgegen, keines nahm mich mit, und so fragte ich eine
Zeitungszustellerin nach dem Weg zum Bahnhof.
Ich folgte der Beschreibung, versuchte auf dem Weg dorthin,
einem Bäcker frische Backware zu stibitzen, was leider
mißlang, und stand dann, nach knapp anderthalb Stunden
Fußmarsch, am Bahnsteig. Nun hatte ich ein kleines Problem:
Fünf Minuten später würde der Zug kommen, und ich besaß kein
Geld, und bis ich mal eine Bank finden würde, wäre der Zug
schon längst abgefahren, und ich müsste eine weitere Stunde
in dieser Kälte verbringen. Ich blieb also wo ich war, und
stieg einfach ein. Eigentlich hatte ich beim Einsteigen den
Schaffner fragen wollen, ob er mich nicht bis Dresden (der
nächsten, größeren Stadt) würde mitfahren lassen, da ich mir
ab dort sowieso ein Ticket lösen würde, doch als der Zug
angehalten hatte, war niemand ausgestiegen und hatte mit
seinem Pfeifchen geträllert, und so saß ich nun im Wagon,
ohne Karte, dafür aber mit Heizung um die Füße. Nach einer
Viertelstunde kam dann die Schaffnerin, die ich nur fragte,
ob sie nicht ein Auge zudrücken könnte, da ich nicht mehr die
Zeit gehabt hatte, zur Bank zu laufen usw., doch sie wurde
nur schnippisch, schüttelte den Kopf, und keifte mir so
unfreundlich wie nur möglich ins Gesicht, ich möge doch bitte
sofort nachlösen oder die nächste Station aussteigen. Also
stieg ich aus. Mit den 50 Cent, die ich noch besaß, war eine
Fahrkarte nicht bezahlt, und so stand ich nun, mittlerweile
schon halb sechs Uhr morgens irgendwo kurz vor Dresden, und
entschied mich, eine Bank zu suchen. Ich fragte mich durch,
hob Geld ab, kaufte mir noch drei trockene Brötchen, schoß
ein paar Fotos von der aufgehenden Morgensonne, und latschte
zurück zum Bahnhof. Wieder holte ich mir keine Fahrkarte, und
fuhr so unbehelligt bis in die Dresdner Innenstadt, wo ich
noch einen kurzen Aufenthalt hatte, dann mein Zug einfuhr,
ich einstieg, und beseelt frohlockte, als ich merkte, wie er
sich in Bewegung setzte. Es war mittlerweile kurz vor
sieben, die Sonne blinzelte mir hinter den Wolken zu, und ich
empfand so, als ob ich jahrelang kein Licht gesehen hätte,
und jetzt erst wieder, staunend wie ein Kind, zum ersten Mal
wieder Zeuge der Welt sein durfte. Ich saß allein im Abteil,
unendlich müde zwar, aber an Schlaf war nicht zu denken.
Lieber holte ich die Kamera hervor, und hielt diesen
wunderbaren Morgen aus dem Zugfenster heraus fest. Ich sah
schöne Altbauten an mir vorbeiziehen, überflutete Felder,
lange Baumreihen, und gönnte mir noch einen Becher Kaffee,
der mir von einer Dame gereicht wurde, die ich innerlich für
ihren festen, geregelten Job, mit festem Gehalt am Ende des
Monats auf ihrem Konto beglückwünschte, und sie für ihre
trainierte Gutmütigkeit, für ihren gemäßigten Alltag, für all
ihre Normalität fast schon liebte, jetzt, da ich der Hölle,
die ich durchlebt hatte, entkommen war. Den Rest der Fahrt
schrieb ich in das Büchlein, daß ich mir eigentlich zur
Niederschrift meiner Reiseberichte aus deutschen Städten
zugelegt hatte, diese Geschichte, und als ich kurz vor zehn
in meine Wohnung trat, ließ ich mich noch kurz von meiner
schönsten Musik umspülen, legte mich dann glücklich auf meine
wohlige Matratze, zog die wärmende Decke über mich, und
schlief ein.

Wenn ich es heute betrachte, war dies etwas, daß man
Grenzerfahrung nennt. Es hat mich geformt, meinen Willen
gestärkt, und schlußendlich meine Persönlichkeit zu ihrer
vollen Entfaltung gebracht. Ich musste mich erst in den
Flammen des Hasses winden, um den wahren Wert der Liebe in
Vollem zu erkennen. Wenn heute in der Zeitung irgendwelche
Anzeigen stehen, in denen mit wenig Arbeit für viel Geld
geworben wird, weiß ich, was dahinter steckt, und blättere
weiter. Wenn heute jemand an meiner Tür klopft, der auf
irgendeine Weise mein Geld haben will, ich schicke ihn zum
Teufel; mag sein Anliegen noch so moralisch klingen, und mag
sein Geschwätz noch so tugendhaft erscheinen - es geht ihm
doch nur ums Geld, um nichts anderes als daß, und solchen
Leuten schenke ich heute nur noch meine Verachtung.

antworten
WiWi Gast

Re: Arbeitslosigkeit-> Ausweg Drückerkolonne

Und wer solche Romane fullquotet, sollte zur Strafe lebenslang aus dem internet verbannt werden!

Lieber hartz4 als Drückerkolonne. Und wenn du wirklich der geborene Vertriebler bist, findet sich überall besseres!

antworten
WiWi Gast

Re: Arbeitslosigkeit-> Ausweg Drückerkolonne

Hmm, warum nicht selbstständig machen und eine Pickeldrückerkolonne gründen? Marktlücke!!!!

antworten
WiWi Gast

Re: Arbeitslosigkeit-> Ausweg Drückerkolonne

"...neben mir lag eine BILD-Zeitung" --> Brüller, dieses im Grunde genommen belanglose Detail in der Story, hätte auch bei Nichterwähung keiner vermisst.
---
Mr. Hyperaktiv, der im Dunkeln rumglotzte konnte ich mir auch gut vorstellen.

antworten
WiWi Gast

Re: Arbeitslosigkeit->Ausweg Drückerkolo

Ich denke, dass 1.000 Bengalen in der Lage sind, bedeutend mehr Text zu produzieren. Ich halte den Beitrag aber auch für interessant.

Lounge Gast schrieb:

Das ist ja eine halbe Studienarbeit. In Arial 12 und 1,5
Zeilenabstand ergibt das 20 Seiten DIN A4. Soviel wie 1000
Bengalen in einem Jahr zusammen schreiben.

Lounge Gast schrieb:

DRÜCKER-KOLONNE

Ich hatte eine der vielen, nicht genau definierten
Anzeigen
im lokalen Stellenmarkt rot angestrichen, die mit
Festanstellung und 400 Euro wöchentlich, sowie der
Möglichkeit, den Führerschein zu machen, meine
Aufmerksamkeit
auf sich gezogen hatte. Die Tätigkeit wurde
Beifahrer/Produktionshelfer genannt, und da junge Leute
zwischen 18 und 25 Jahren gesucht wurden, gern auch
ungelernte Kräfte, und ich keinen Lappen besaß, hielt ich
mich für genau richtig für den Job. Also rief ich an,
unterhielt mich ein bisschen mit der übertrieben höflichen
Dame am anderen Ende der Leitung, und bekam bezüglich der
Tätigkeit schwammige Aussagen bei denen ein paar Worte
fielen
wie Papierkram und leichte Schreibarbeiten, was sich
wirklich
nicht allzu schwer anhörte. Ich müsste nur bereit sein,
meine
Wohnung nur alle drei Wochen mal für ein Wochenende
wiederzusehen, dafür aber auch in von der Firma bezahlten
Hotels übernachten, durch ganz Deutschland an der Seite
irgendeines Herrn im Firmenwagen gurken, und dafür saftige
400 netto die Woche bekommen, nur sollte ich noch einmal
darüber nachdenken, mit Freundin und Eltern die Sache
abklären, und mich dann erneut melden. Es hörte sich für
mich
perfekt an; außer meinen engsten Freunden, die aufs ganze
Bundesgebiet verteilt waren, hatte ich niemanden, der mich
hier gebunden hätte, ich reiste gern und viel, und wenn
ich
dem dauerhaft nachgehen konnte, kombiniert mit
überdurchschnittlicher Bezahlung, was wollte ich mehr?
Nach
einigen fehlgeschlagenen Versuchen hatte ich dann wieder
die
Frau und ihr Personalbüro an der Strippe, machte einen
Termin
aus, zu dem ich gleich meine für zwei Wochen gepackte
Reisetasche, sowie Perso und Foto mitnehmen sollte. Ich
wollte es nicht so recht glauben, daß es so einfach sein
sollte, eine solche hochbezahlte Anstellung zu bekommen,
ohne
richtiges Vorstellungsgespräch, nur durch telefonische
Absprache, und so versuchte ich, einen Tag vor meiner
Abreise, Informationen über diese Firma herauszubekommen.
Eine Recherche im Internet brachte bis auf ein Hotel im
Taunus nichts weiter. Im aktuellen Telefonbuch stand die
GmbH
aber, auch wenn dort nur Name und Nummern standen, keine
Branchenbeschreibung oder ähnliches, immerhin versteckte
man
sich nicht vor der Öffentlichkeit. Was mich allerdings
stutzig machte war, daß in der Ausgabe des vorhergehenden
Jahres man nicht verzeichnet war, und die Anzeige im
Stellenmarkt nicht von der der Firma geschaltet war, bei
der
man beim Wählen der angegeben Nummer herauskam. Mit diesen
kleinen Ungereimtheiten im Hinterkopf stellte ich mir eine
kleine Liste mit Fragen zusammen, die ich bei meinem
Gespräch
noch stellen wollte. Zum vereinbarten Termin saß ich
dann in
einem fast leeren Büro, vor einem billigen Schreibtisch,
der
aussah, als würde er alten Stasi-Beständen entstammen,
hinter
dem ein gekünstelt lockerer Kettenraucher saß, der, ohne
es
zu merken, seine Redewendungen und Sprüche stets
wiederholte,
und mir dabei erklärte, bei der zu vergebenden Arbeit
handele
es sich um das Werben von Mitgliedern für einen relativ
unbekannten Rettungsverein, die nach Leistung bezahlt
werden
würde. Damit war schon mal die Frage nach Festanstellung
geklärt, doch auch mit Honorar-basierter Bezahlung
konnte ich
mich abfinden, immerhin würde ich den Leuten nicht
Staubsauger oder Versicherungen aufquatschen, sondern
Rettungsdienste für den Notfall, was ich zu dem Zeitpunkt
moralisch nicht verwerflich fand. Ich erkundigte mich
dann,
wer denn nun der Fahrer sei, den ich zu unterstützen
hatte,
was denn seine Aufgabe war, und was genau meine Rolle
dabei
sein sollte. Mir wurde mitgeteilt, daß besagter Fahrer
gleichzeitig auch mein Chef sei, den ich für zwei oder
drei
Tage begleiten würde, und dann, unabhängig von ihm,
selber in
ausgewählten Ortschaften, heute nicht mehr in ganz
Deutschland, sondern nur noch speziell in Sachsen und
Brandenburg, Mitglieder werben würde. Die erste Unterkunft
würde eine Jugendherberge sein, mit extra Haushälterin,
die
sich um alles kümmern würde. Auch damit war ich
einverstanden, zwar war aus ganz Deutschland nur noch ein
Gebiet im Osten, und aus dem Hotel eine gemietete Herberge
geworden, aber ich sah die Option, neue Städte zu sehen,
vielleicht neue Leute zu treffen, und meinem kleinen
Hobby,
der Fotografie, sicherlich gut nachgehen zu können. Nach
dem
Lesen und Unterschreiben diverser Erklärungen und
Belehrungen, in denen ich mich unter anderem auch bereit
erklären mußte, mein Rückfahrticket für den Fall, daß
ich vor
Ablauf der zweiwöchigen Probezeit nach Hause fahren
wollte,
selbst zu bezahlen. Dies stellte ich mir nicht als Problem
vor, selbst wenn es mir nicht gefiel, die vierzehn Tage
könnte ich trotzdem dort bleiben, das Geld einstreichen
und
dann wieder mit gesponserter Karte nach Hause fahren. Nun
sollte ich auf die Rückseite eins der Zettel eine
handschriftliche Erklärung schreiben, in der ich
zusammenfassen sollte, was meine Aufgabe sein würde. Doch
statt selbst etwas zu dichten, wurde mir ein Satz
diktiert:
Ich gehe von Haus zu Haus, werbe Mitglieder für XYZ und
werde
nach Leistung bezahlt. Daß mir beim vorangegangen
Telefongespräch nach Anfrage eifrigst erklärt wurde, ich
müßte nicht "Klinken putzen" gehen, nahm ich
zähneknirschend
hin, ich brauchte nun einmal Geld, und dies sah so aus,
als
käme man mit einer fairen Sache schnell an viel davon. Als
die Formalitäten geklärt waren, wurde ich ins Nebenzimmer
geleitet, wo auch schon mein zukünftiger Chef zusammen mit
einer anderen, soeben gemachten, weiblichen Rekrutierung
auf
mich wartete. Er erklärte mir nochmal dasselbe, was mir
der
Geschäftsführer der Firma, in deren Räumen ich mich
befand,
Minuten zuvor dargelegt hatte, fragte mich, ob ich
wirklich
dabei sein wolle, bei seinem tollen "Team",
man wolle sich
nämlich keine Mitarbeiter leisten, die schon nach zwei
Tagen
wieder nach Hause wollten, und ich sprach das Jawort. Wir
nahmen unsere Taschen und stiegen zu dritt in einen
Gruppenwagen, fuhren los, aus der Stadt heraus in Richtung
irgendeines sächsischen Kaffs, in dem, wie sich später
herausstellte, das "Team" bereits befand. Auf
dem Wege
befragte ich Herrn Fahrer ein wenig zu der Firma, aus
der wir
gerade gekommen waren, beziehungsweise ihrer Verbindung zu
der Organisation, in die ich mich bald eingliedern
würde. Er
erklärte mir, daß es sich um eine reine
Personalvermittlung
handelte, die dem Chef der Agentur, unter dessen Obhut ich
mich nun offenbar befand, die Arbeitskräfte zuspielte, und
dafür Geld kassierte. Deshalb wollten also diese Leute
nicht,
daß man die Probezeit freiwillig verkürzte. Neben mir
lag die
Bild-Zeitung.
Einige Minuten, nachdem wir in dem brandenburgischen
Städtchen angekommen waren, kamen zwei Jungs und ein
Mädchen,
alle nicht älter als 22, in auffälligen, roten Westen
auf uns
zugeschlendert. Wir stellten uns vor, und als die
Sprache auf
das Viertel kam, in dem ich wohnte, fragte schon der erste
"Viele Ausländer, oder?", was ich nicht so
ganz beantworten
konnte, weil ich nie besonders darauf geachtet hatte. Mir
wurde dann mitgeteilt, daß derjenige, dem ich "über
die
Schulter schauen" dürfe, aus eben demselben
Stadtteil stamme,
und er in aller Kürze eintreffen müßte. Wenig später fuhr
dann auch schon der gleiche Kastenwagen vor, mit dem wir
an
diesen Ort kutschiert worden waren, und ein stämmiger Kerl
sprang heraus, der mit markigen Sprüchen sofort geradezu
um
sich warf. Nach einer Runde Small Talk stieg jeder in
eines
der beiden Autos und fuhr in eine abgesprochene
Richtung. Ich
saß allein mit dem Schwätzer in einem Wagen, und während
wir
noch nicht einmal ausgeparkt hatten, begann er bereits,
von
seinen Millionen Liebschaften mit den verschiedensten
Frauen
zu erzählen. Unter anderem faselte er von 60-jährigen, von
stundenlangen Orgien, und wie scharf er doch erst wurde,
wenn
sie nicht mehr wollte, usw. usf.. Nie hatte ich jemanden
derart übertrieben prahlen gehört.
Wir passierten zwei Mädchen, mein Chauffeur drehte um, und
scheiterte beim Versuch, ihre Nummer zu ergattern, dann
rasten wir weiter durch das Dorf, hin zu einem neuen
"Werber", dessen auffälige Weste schon auf
einen Kilometer
Entfernung zu erkennen gab, um wen es sich handelte,
blieben
in einer Hofeinfahrt stehen und tratschten erneut. Der
Neue,
recht vertölpelt aussehende Kollege hatte sich in einem
Garten in der Nähe Birnen gepflückt, die wir nun zusammen
verputzten, während unsere Konversation ausschließlich von
Frauen, ihren Brüsten, und wieviel, wann, wo, wer
handelte.
Jedesmal, wenn eine Person weiblichen Geschlechts
vorbeilief,
wurde laut gegröhlt und grell gepfiffen, und immer, wenn
es
gerade kein mehr oder minder hübsches Mädchen war, daß
passierte, wurde Hass versprüht und böse Worte genuschelt.
Als wir beendet hatten, machte sich das Großmaul auf den
Weg
gen irgendwo, und ich durfte statt ihm, dem soeben
kennengelernten Mitarbeiter bei der Arbeit zu sehen, bekam
noch eine der lächerlichen Westen verliehen, und fand mich
alsbald vor der ersten Haustür wieder. Hier wollte er mir
erstmal zeigen, wie man mit alten Leuten redet, doch als
dann
gerade der Sohn der alten Dame im Hause war, die eine oder
andere Frage stellte, fing er alsbald an zu stammeln,
und als
er endlich begriff, daß aus diesem Haushalt kein Schein zu
holen war, ging er einfach, ohne sich zu verabschieden,
und
ich musste folgen. Während wir so von Tür zu Tür zogen,
sah
und hörte ich eine Menge Absonderliches. Der Tagesablauf
dieser Lusche, mit der ich mich abgeben musste, bestand im
Wesentlichen darin, auf die Straße zu spucken, Hasstiraden
auf diejenigen loszulassen, die nicht auf seine
dillettantischen Werbeversuche hereinfielen, und andauernd
über Sex zu faseln und zu phantasieren. Der Begriff
"Frau"
war in seinem Wortschatz durch "Fotze"
ersetzt, sein
Lieblingsspruch war "Andere gehen in den Puff, wir
gehen an
die Tür", und in die wahre Bedeutung der drei
Buchstaben auf
seinem Rücken weihte er mich auch ein: "Ich ficke
alle". Mir
wurde immer schlechter. Und beim Gedanken an die
vorhergesagte Abendunterhaltung wurde mir speiübel: Einen
Splatterfilm würde man sich anschauen, mit richtig viel
Blut
und so.
Ich konnte mir wahrlich Besseres vorstellen, als mit einem
Pack hirnverbrannter Versager in einem Zimmer zu hocken,
und
mir einen, dem Niveau entsprechenden Horrorstreifen
anzusehen. Wo war ich hier hineingeraten? Die Abgründe
menschlichen Schwachsinns zeigten sich mir in jedem
Wort, daß
dieser Typ von sich gab. Er prollte, prahlte, und wollte
allgemein hart und stark wirken, doch wenn er einmal
abweisende Einwände, oder gar geistreiche Fragen von den
Anwohnern gestellt bekam, wurde er auf lümmelhafte Weise
pampig und frech, quengelte vor sich hin, und wenn die Tür
wieder einmal berechtigterweise vor seiner Nase zurück ins
Schloß fiel, zeigte er den Mittelfinger verließ leise
motzend
das Haus. Es war zum Heulen. Nicht genug, daß ich mich auf
eine triebgestörte Horde faschistoider Herdentiere
eingelassen hatte, denen der Begriff
"Humanität" in ihrem
begrenzten Denken ein Fremdwort war, und damit meine
romantische Vorstellung, den Leuten mit dieser Arbeit
etwas
"Gutes" tun zu können, ausradiert worden,
sondern noch dazu
wollten sie meinen gesamten Tagesablauf bestimmen, vom
Frühstück bis zur Freizeitgestaltung am Abend sollte alles
von anderen geregelt sein, war schon vorher festgelegt und
unabdingbar. Sie nannten es WG-Leben, ich nannte es
Auslöschung des Individuums. Meinen Plan, vielleicht
noch ein
paar Fotos zu schiessen, begrub ich schonmal.
Wenn diese Leute wenigstens umgänglicher wären, wenn sie
etwas hätten, was sie auf irgendeine Weise auszeichnete,
aber
es gab da gar nichts, was sie vor meiner Verurteilung zu
Bauerntrampeln bewahrt hätte. Die Krönung war noch
gewesen,
daß der Possenreisser vorhin, bevor er weggefahren war,
noch
eine SMS hatte tippen wollen, und mich allen Ernstes
gefragt
hatte, wie denn das Wort "stören" geschrieben
würde: mit oder
ohne "H". Ich sagte: "Ohne",
woraufhin er kurz überlegte, und
dann sagte: "Nein, mit", und ich schwieg.
Der andere Typ, mit dem ich nun unterwegs war, hatte es
nicht
genau gewusst, aber auch eher für ein
"stöhren" plädiert.
Kurz vor Feierabend hatte er in meinem Beisein einer
jungen
Frau, unter Zuhilfenahme seines ärmlichen Charmes und
unter
Ausnützung ihrer kleinlauten Persönlichkeit, noch einen
"Schein" andrehen können. Als wir danach
wieder auf der
Straße standen, gab er vor mir feierlich zu, ihm würde an
diesem Job vor allem seine Autorität gefallen, man war
eine
Respektsperson, jemand, vor dem die Leute Angst hatten.
Aha.
Eine Minute später standen wir vor der nächsten Haustür,
in
unseren billigen Westen, vor einem Herrn um die vierzig
Jahre, der uns mit intelligenten Augen gutmütig
musterte, und
dann, als mein Kollege seinen Text herunterstotterte,
denselben Witz zum Millionsten Mal sprach, sich
verhaspelte,
nochmal anfing, dabei unentwegt den Boden anstarrte,
während
seine Finger hinter seinem Rücken nervös miteinander
spielten, stieg ein Schmunzeln in seine Gesichtszüge,
daß er
nur schwerlich zu verdecken vermochte. Es sah wirklich so
aus, als würde er gleich losprusten müssen, und auch ich
konnte, köstlichst amüsiert, mein Lachen nur mit äußester
Anstrengung unterdrücken, musste mich gar zur Seite drehen
und auf den Bürgersteig starren, um mich nicht auf dem
Boden
zu kugeln. Autorität? Respekt? Angst? Hier war das genaue
Gegenteil. Die großen Töne, die er in meiner alleinigen
Gegenwart gespuckt hatte, versackten dieser Gurke nun im
Halse, und heraus kam ein unverständliches Kauderwelsch,
daß
immer leiser wurde, je hoffnungsloser sich das Gespräch
entwickelte. Es war weder autoritär noch respekt- oder gar
angsteinflößend, es war einfach nur abschäumigste Armut,
die
sich mein Partner hier leistete. Als der Mann sich für das
Gespräch bedankte und einfach die Tür schloß, war ich ein
wenig erleichtert, denn nun wußte ich wenigstens, daß es
in
dieser Stadt doch noch normale Menschen gab, die unser
Treiben sofort durchschauen, uns leise auslachen und ohne
Gezeter loswerden konnten. Als der Werbetag zu Ende ging,
liefen wir zum Treffpunkt und wurden vom Prahlhannes
aufgelesen. Nun gabelten wir noch insgesamt vier andere
Kollegen aus der unmittelbaren Umgebung auf, hefteten
uns an
die Rücklichter des vorherfahrenden, ebenfalls vollen
Transporters, und fuhren gen "Heimat". Während
der Tour durch
Brandenburg und Sachsen wurde im Wagen entweder über Sex,
"Fotzen", oder geworbene und nicht geworbene
Mitglieder
gesprochen, während man vorbeilaufenden Frauen
hinterherhupte, -brüllte und -pfiff, und alle anderen
Menschen aus dem Fenster heraus wüst und dreist beschimpft
wurden (unter anderem ist mir ein Satz in Erinnerung
geblieben, den das Großmaul einer gebrechlichen alten
Dame im
Vorbeifahren zurief: "Mensch Oma, wird Zeit das du
stirbst,
dann gehts dir besser"). Inmitten dieses Albtraums
saß ich,
und machte mir bereits Gedanken, wie ich dieser Hölle am
bequemsten entfliehen konnte, während ich gezwungenermaßen
meinen Mund zu einem Lächeln verzog, wenn wieder mal ein
platter Witz fiel. Mir fiel nichts Besseres ein, als
einfach
direkt nach dem Aussteigen meine Koffer zu greifen, nach
dem
Bahnhof zu fragen, und mich, ohne auf irgendwelches Gerede
einzugehen, dorthin zu begeben. Nach anderthalb Stunden
Fahrt
erreichten wir ein Dorf im sächsischen Hinterland, etwa
zwanzig Kilometer entfernt von Dresden, und hielten an
einer
Gaststätte. Niemand hatte mir gesagt, daß wir vor der
Heimkehr erstmal essen wollten, und so stieg ich aus, sah
kein Jugendherbergs-ähnliches Gebäude um mich herum,
keiner
machte Anstalten, in irgendeine Richtung zu gehen, und so
wurde ich verunsichert, wollte dennoch zu meinen
Taschen, die
noch im Kofferaum des anderen Transporters lagen, fragte
den
Fahrer, ob ich denn meine Sachen nehmen könnte, doch er
antwortete nur unwirsch mit einem kurzen "Nein,
jetzt wird
gegessen". Ich traute mich angesichts der
anfeindenden
Antwort nicht weiter zu fragen, und wartete stattdessen
darauf, daß sich irgendetwas tat. Als die beiden
Anführer/Fahrer ein paar Telefongespräche und SMS-Versände
getätigt hatten, gingen allemann nacheinander in das
langweilige Lokal, setzten sich an reservierte Tische, und
bestellten - alle das Gleiche. Nur die Getränke waren
frei zu
wählen. Ich saß wieder neben dem Labermaul, und er
erklärte
mir, daß für die nächsten zwei Wochen, der Probezeit, die
Mahlzeiten auf Kosten des Hauses gehen würden, danach aber
selbst gezahlt werden müsste. Das Essen wurde serviert:
Nudeln mit Gulasch. Nicht unbedingt der größte
Gaumenschmaus,
aber ich konnte mir Schlimmeres vorstellen. Als sich dann
herausstellte, daß die Tagesmenüs dieses Restaurants aus
ganzen drei verschiedenen Mahlzeiten bestanden, graute mir
schon davor, alle drei Tage dasselbe essen zu müssen. Mit
einem flauen Gefühl im Magen schluckte ich die Bissen,
schmeckte kaum etwas, und überlegte weiter, wie ich dem
Ganzen am Besten entrinnen könnte, zumal die
Geschmacklosigkeit dieser Leute nicht mal vor der locker
fünfzigjährigen Bedienung halt machte. Sie wurde Ziel
endloser platter Witze und plumper Andeutungen, und
allgemein
rotierte bei Tisch das Thema nur wieder um Sex, außer das
zwischendurch immer mal wieder einer der anderen Neulinge,
der seit zwei Tagen zum "Team" gehörte, zum
Objekt
homophobischer Komik wurde. Alles lachte, und mir wurde
schlechter. Ich saß da auf meinem Stühlchen und wünschte
mich
ganz weit weg, am besten in die normale Welt. Als das
Abendessen beendet war, verliessen alle wie auf Knopfdruck
die Lokalität, zwengten sich wieder in die Transporter,
und
wir fuhren in den letzten Sonnenstrahlen des Tages
dorthin,
was unsere Basis genannt wurde, von der aus, jeden Morgen
aufs Neue, gestartet werden sollte. Ihr Standort hatte
sich,
entgegen meinen Information von immer wechselnden
Übernachtungsstellen, seit zwei Jahren, also seit Existenz
der Firma(?), nicht verändert. Wir hielten vor einem
dreistöckigen Fachwerkhaus an, ich fasste all meinen Mut
zusammen, stieg aus, wollte hinüber zu meinen Taschen
gehen
und abhauen, doch zu meiner Entmutigung sah ich den Fahrer
des Wagens Rucksack und Reisetasche schon zur Eingangstür
tragen, und meine Sicherheit schwand dahin, mein wackliger
Plan zerbrach, bevor ich in ausgeführt hatte. Natürlich
hätte
ich ihm einfach meine Sachen entreissen können und auf die
Wegbeschreibung zum Bahnhof beharren können, doch ich
wollte
mich dem Gerede und der Weichklopferei dieser Leute nicht
aussetzen, zumal hier die ganze Mannschaft versammelt war,
und ich ihnen nicht einfach sagen konnte, daß ein Umgang
mit
ihrer Art Mensch für mich eigentlich unerträglich war, daß
ich zwar in meiner finanziellen Not sogar bereit wäre, im
Namen einer fadenscheinigen Organisation die Menschen von
ihrem Allgemeinwohl zu überzeugen, nicht aber dazu, meine
Zeit pausenlos mit einem Haufen Schwachmaten verbringen zu
müssen. So blieb ich still, prüfte, während einer der
Anführer drei Schlösser der Eingangstür öffnete und wir
daneben warteten, die Fenster im Erdgeschoss auf
Fluchttauglichkeit, und mich schauderte. Sämtliche Klinken
waren entfernt worden, keines würde zu öffnen sein. Doch
selbst wenn die Fensteröffner noch vorhanden gewesen sein
wären; als wir eintraten, stand ich in einem langgezogenen
Gang, der in einem Treppenaufgang mündete, und die
Zugänge zu
den angrenzenden Räumen waren mit Holzplatten
verbarrikadiert, genauso wie die Hintertür zum Hof. Hier
zogen alle ihre Schuhe aus, die Haustür wurde wieder
abgeschlossen, und wir gingen die einzige Richtung, die
man
einschlagen konnte, nämlich hin zur Treppe, hoch in den
ersten Stock. Oben wälzte sich auf dem durchtretenen
Teppich
ein Schäferhund, der, wie mir nebenbei erzählt wurde,
bis vor
kurzem noch Läuse gehabt hatte. Angenehm. Napf und Decke
des
Köters lagen direkt vor mir. Auf diesem Stockwerk befanden
sich Unterkünfte und Küche. Mein Zimmer wurde mir
gezeigt; es
war etwa 10qm groß, links an der Wand ein Schrank, mit dem
Poster einer (wie sollte es auch anders sein) nackten Frau
daran geheftet, ein Tisch davor, dahinter bis zur
Zimmerwand
ein Doppelbett, demgegenüber ein Einzelbett, davor ein
Schrank, der zwischen Bett und Tür stand, und an den
Wänden
hingen Plaketten und Schilder im Stil von "Nüchtern
siehst du
scheisse aus". Mir wurde der untere Teil des
Doppelbettes
zugeteilt. Ich stellte meine Taschen vor mein
Schlafgemach,
und begab mich nach oben in den zweiten Stock, hier sollte
"Papierkram" erledigt werden. Nach Ende der
Treppe stand ich
in einem Vorraum, der durch zwei Türen von angrenzendem
Flur
und Räumen getrennt wurde. Vor mir standen sich zwei
durchgesessene Sofas schräg gegenüber, in der Mitte ein
Tisch
mit leeren Bierflaschen und einem überfüllten Aschenbecher
darauf, hinter der linken Couch befand sich ein
verriegeltes
Fenster mit vertrockneten Topfpflanzen auf seinem Brett.
An
den Türen zu meiner Rechten hingen Zettel, auf die in
billigstem Tintenstrahl das Firmenlogo gedruckt war;
eine Art
Doppelkreis mit einem Punkt in der Mitte, der Name des
höchsten Chefs darüber, und untendrunter in der gleichen,
jeglicher Ästhetik entbehrenden Schriftart das Wort
"Werbeagentur". Aha. So sah also eine Agentur
für Werbung im
sächsischen Land aus. Eine gemietete, veraltete
Jugendherberge, ein verlauster Köter, verriegelte und
verschlagene Türen und Fenster, Gestank von Katzenkot, und
eine Ansammlung gescheiterter Versager, die sich von zwei
proletenhaften Schwätzern wie Sklaven herumkommandieren
liessen. Mittendrin war ich. Ich fragte mich, warum sie
überhaupt sagten, man könne jederzeit gehen. Warum war die
Tür verriegelt, warum nahmen sie allen die Handys weg,
wenn
man ausfuhr, warum war das Erdgeschoß bis auf den
Durchgang
zur Treppe unbegehbar? Doch wenn ich danach fragen würde,
hätten sie sicher irgendeine passende Antwort dazu
parat, die
vielleicht auch zutreffen könnte, doch den Nebeneffekt,
wenn
nicht sogar den Hauptzweck, den würden sie verschweigen.
Jedenfalls ließen wir uns nun nieder, der Prahlhannes, das
Mädchen, daß mit mir zusammen hier rein gerutscht war, und
ich, wir saßen nun im Treppenhaus auf den gammeligen
Sperrmüll-Sofas, und fingen an, uns ein wenig zu
unterhalten.
Gewohnt niveaulos driftete das Gespräch von flachen
Scherzen,
über schmarotzende Asylbewerber, über kranke
Homosexualität,
bis hin zu Schlägereien und weiblichen Formen, bis mir
mitgeteilt wurde, daß gleich jemand mit den vielen Zetteln
erscheinen würde, die auszufüllen waren. Mir war ganz
und gar
nicht wohl dabei. Bisher hatten sie nur meinen Namen,
nichts
anderes, und ich hatte nicht vor, diesen Primaten auch nur
eine Zahl meiner Telefonnummer oder auch nur einen
Buchstaben
meiner Adresse zu verraten, also merkte ich beiläufig
an, daß
ich mir gar noch nicht so sicher sei, ob ich diese Arbeit
überhaupt noch machen wolle. Sofort verfinsterte sich die
Miene des Proleten. Mit kalter Stimme und versteinertem
Gesicht fragte er mich langsam, wie er daß denn verstehen
solle, ich hätte doch genau gewusst, was mich erwarten
würde,
als ich losgefahren war, hätte doch zugesagt, zumindest
zwei
Wochen zu bleiben, und warum zu Teufel wollte ich jetzt
schon
den Schwanz einziehen? Ich nuschelte ein wenig herum,
und er
rief seinen Partner dazu. Mit ebenso feindlicher Stimmlage
forderte er mich auf, den Satz zu wiederholen, den ich auf
die Rückseite des Bogens bei der Personalvermittlung
geschrieben hatte. Ich betete ihn herunter, revidierte
dann
meine vorher getane Andeutung, ja, ja, die zwei Wochen
würde
ich machen, klar, und entschied mich, nicht noch einmal
meinen Unwillen gegenüber dieser Situation, dieser
dreckigen
Unterkunft, und vor allem gegenüber diesen Menschen
anzudeuten. Ich konnte diesen Leuten nunmal nicht
einfach ins
Gesicht sagen, daß ich sie grenzenlos verbohrt und
kurzsichtig fand, und mich jedes einzelne ihrer Worte
bis zum
Letzten aneekelte. Nein, es musste einen anderen Weg
geben,
irgendwie musste ich eine geeignete Lösung finden. Aber
aus
diesem Haus gab es kein Entrinnen. Wenn ich hinaus gehen
wollte, hatte ich die Chefs um Erlaubnis zu fragen, und
wenn
sie dann meine Taschen sehen würden... nein, diesen
quälenden
Wortgefechten wollte ich mich nicht aussetzen, zumal ich
sehr
wahrscheinlich sowieso weichgeklopft werden würde, und
dann
doch wieder in diesem Loch versacken würde. So schossen
meine
Gedanken hektisch umher, auf der Suche nach einem gesunden
Aus- und Abgang, während der Proll neben mir schon wieder
angefangen hatte, seine Sprüche zu machen, und ein
Mädchen,
daß sich mittlerweile neben mich gesetzt hatte, mit
falschem
Charme ergebnislos versuchte zu betören. Als irgendwann
alle
auszufüllenden Papiere herangebracht worden waren, begaben
wir uns ins Wohnzimmer des "Geschäftsführers"
dieser
"Werbeagentur". Hier lief ein Fernseher, der
ungefähr meiner
Körpergröße entsprach, daneben standen zwei Decoder, eine
riesige Anlage die mit Surround-Boxen schallte, und aus
dem
Nebenzimmer ertönte das Rauschen einer
Amateurfunkeranlage.
Zwei Kätzchen strichen zwischen dem massiven
Wohnzimmertisch
und dem Ledersofa umher. Wir setzten uns auf das dicke
Ecksofa, und zuerst wurde mir eine Seite Text diktiert,
die
der sogenannte "Grundspruch" sein sollte. Es
handelte sich
dabei um den vorgefertigten Text, den man bei jeder
Haustüre
aufsagen sollte, und der das inhaltlich wichtigste kompakt
aussagte, um den Gegenüber so schnell wie möglich zur
Unterschrift zu bringen. Diesen Spruch sollte ich am Abend
auswendig lernen, damit ich ihn am nächsten Tag schon
einmal
selbst anwenden könne. Als ich den Zettel beschrieben und
eingesteckt hatte, mußte ich den Personalausweis
rausrücken,
und zum zweiten Mal an diesem Tag wurde meine Adresse,
Telefonnummer, Geburtsdatum, Ausweisnummer usw. penibel
genau
abgeschrieben. Dazu wurde ich noch nach Namen, Nummer und
Anschrift meiner Eltern gefragt, zwecks Benachrichtigung,
falls mir etwas zustieße. Ich gab falsche Daten an. Dann
musste ich noch einige Zettel unterschreiben, unter
anderem
auch eine Bestätigung, daß ich für die nächsten zwei
Wochen
schon einen Vorschuß im Werte von 216 Euros in bar
erhalten
hatte, und daß ich ab sofort freier Handelsvertreter im
Auftrage der Rettungsfirma sein würde. Es war der reinste
Hohn: Ich war das Gegenteil von frei, und für die
Unterkunft
in diesem dreckigen Loch musste man sogar noch 20 Steine
pro
Tag an den Oberboss entrichten.
Als die Schreibarbeiten erledigt waren, begaben wir uns in
den Aufenthaltsraum, wo sich drei der Mitartbeiter
aufhielten, die dann rüde dazu aufgefordert wurden, den
Raum
zu verlassen, und von denen einer zur Strafe, weil er zu
lange fürs Verlassen brauchte, die nächste Woche zum
Kloputzen eingeteilt wurde. Dann wurde uns ein
zehnminütiger
Werbefilm der Rettungsfirma gezeigt, in dem noch einmal
eingehend alle Argumente, mit denen man auf die Menschen
zugehen sollte, auf billigste Art und Weise breit getreten
wurde. Als der Streifen zuende war, fragte ich aus einer
instinktiven Ahnung heraus nach der Toilette. Soe würde
mir
in Bälde gezeigt werden, jetzt wäre sowieso schon bald
Schlafenszeit, und wir könnten uns ab sofort beschäftigen,
mit was wir wollten.
Wir gingen wieder hinunter in den ersten Stock, wo zwei
kleine, mit PVC verkleidete Räume waren, die jeweils eine
Kloschüssel, ein Waschbecken und einen Lichtschalter
hatten.
In einem der beiden verschwand ich, um zu pissen. Hier kam
mir dann die Idee, mal auf den Klodeckel zu steigen, und
aus
dem Fenster zu schauen, ob sich hier nicht eventuell eine
Fluchtmöglichkeit bot. Ich steckte meinen Kopf durch das
winzige Loch in der Wand, und entdeckte zu meiner
Erleichterung links unter mir eine Art Schuppen, der ein
Flachdach hatte, von dem aus man im Notfall recht
einfach die
Straße erreichen müßte. Dies behielt ich als letzten
Ausweg
im Hinterkopf, dann suchte ich das Zimmer auf, in dem ich
schlafen sollte. Als ich in das Kämmerchen trat, befanden
sich schon fünf andere darin. Ich setzte mich hin,
blickte um
mich, sah ein paar Bierdosen, und begriff, was sie hier
taten. Sie führten doch tatsächlich gerade eine Art
Rollenspiel durch. Einer war der Vertreter, der andere
potentielles Mitglied, und Ersterer mußte den anderen mit
schlagkräftigen Argumenten zur Einwilligung und
Unterschrift
bewegen, welcher aber mit allen möglichen Zweifeln und
Einwänden konterte. Sie trainierten hier tatsächlich ihr
Verkaufsgespräch, und hatten nichts besseres zu tun, als
nebenher noch Bier zu trinken. Den ganzen Abend klopfte
jemand an die Türe, bat den Vertreter hereinzukommen, und
löcherte ihn mit Fragen, die der tolle Rettungsmann nach
bestem Können beantwortete, während alle anderen drumherum
standen, und sich das Ganze anhörten, immer mal wieder
über
diesen und jenen Versprecher, oder diese und jene Dummheit
lachend.
Ich sah dem Schauspiel eine Weile zu, und auf einmal
bemerkte
ich mit Entsetzen, daß ich langsam die Distanz zu ihnen
verlor, daß ich anfing, mitzulachen, daß ich begann, auf
ihr
Niveau abzusinken. Was mir am Nachmittag und nach der
Ankunft
noch wie von einem anderen Stern vorgekommen war, wurde
mittlerweile zur Normalität, zum Alltag. Zu meinem Alltag.
Als ich das begriff, als ich sah, daß meine Distanz zu
diesen
engstirnigen, verbohrten Affen langsam schwand, da
schrillten
in meinem Hirn sämtliche Alarmglocken.
Nicht eine Sekunde länger durfte ich mit diesen Leuten
zusammen sein, schon gar nicht ganze zwei Wochen, ich
müsste
noch in der selben Nacht flüchten, und wenn mir nichts
anderes blieb, auch gern durchs Klofenster. Das Flachdach
links darunter wurde Gegenstand meiner Überlegung. Noch
war
ich mir nicht sicher, ob ich es wirklich machen sollte,
doch
als ich alle Möglichkeiten, die sich mir boten, eingehend
prüfte, erschien mir die stille Flucht durch die Toilette
noch am Gesündesten, vor allem für mich. Ich hätte auch
bis
zum nächsten Morgen schlafen können, dann den beiden
Bossen
Bescheid geben können, ich wolle aufhören und das Haus
sofort
verlassen, doch ich konnte mir nur allzu gut vorstellen,
wie
schwierig sich das gestalten würde. Zuersteinmal hätte ich
einen geeigneten Zeitpunkt dafür finden müssen. Allenmann
wurden morgens um halb sechs geweckt, mussten sich bis
halb
sieben fertig gemacht und geduscht haben, dann würde es
Frühstück geben, und dann würden allemann schon wieder
in den
beiden Transportern sitzen, und wieder in irgendein
brandenburgisches Kaff fahren. In diesem straff
organisierten
Zeitplan erschien kein Moment dazu günstig, mein
Anliegen zu
unterbreiten. Und selbst wenn ich einen solchen fand, ich
konnte mir nur allzu gut vorstellen, wie er in kurzen
Zwischengesprächen und lauter anderen Kleinigkeiten
soweit in
die Länge gezogen und zerschmolzen werden würde, bis er
nicht
mehr so geeignet war, und ich sah mich schon dort stehen,
schwitzend, während meinem Wunsch keine Aufmerksamkeit
geschenkt werden würde, bis er schließlich weichgekocht
sein
würde, und dann die beiden Chefs in der gleichen,
autoritär-drohenden Manier mich bearbeiten würden, bis
mein
Wille entgültig zersetzt wäre. Ihre psychische Folter
bis zum
Ende durchzustehen würde enorme Willensstärke erforden,
und
ich hatte keine Lust, mich all dem auszusetzen. Und wer
weiß,
vielleicht würden sie es wirklich schaffen, mich
dazubehalten, keine Ahnung, was sie noch für Geschütze
auffahren würden und was ihre weiteren Methoden waren, ich
jedenfalls wollte es nicht herausfinden. Stattdessen
wollte
ich lieber still und heimlich abhauen, und entschied
mich so
auch endgültig dafür. ich dachte noch ein wenig darüber
nach,
während im Zimmer das dämliche Rollenspiel die ganze Zeit
weitergeführt wurde, und allmählich kam meine Flucht in
meinem Geiste zur Form. Ich müßte mich in Kleidern
schlafen
legen, wachbleiben, bis allemann schliefen, dann einfach
meine Taschen greifen und durchs Klofenster in die
Freiheit
entschlüpfen. Dabei fiel mir ein, daß meine Schuhe ja noch
unten am Eingang standen, und ich konnte mich nicht mehr
genau daran erinnern, ob nicht zwischen Treppenhaus und
Durchgang noch eine Trennwand war, die meine Latschen
von mir
trennen könnte. Wenn das der Fall wäre, könnte ich meine
Pläne direkt begraben, und wenn nicht, der Umstand, daß
sie
dort unten standen, und nicht direkt bei mir, machte die
Sache schwieriger, als ich es zuerst gedacht hatte. Zuerst
müsste ich mich davon vergewissern, daß der Zugang zu den
Schuhen nicht versperrt war. Zu diesem Zwecke öffnete ich
meine Reisetasche, entnahm ein Handtuch, schlenderte
hinaus
auf den Gang, ins Treppenhaus, und als sich keiner in der
Nähe befand, schlich ich die Treppe zum Erdgeschoss
hinunter.
Zu meinem Glück war nichts zwischen mir und den Schuhen,
ich
könnte sie also später holen.
Ich lief die Treppe zurück hinauf, weiter in den zweiten
Stock, erkundigte mich bei einem der Luschen die dort
saßen
nach der Dusche, musste davor noch 15 Minuten warten, und
trat dann hinein. Ich befand mich in einem langen,
schmalen
Räumchen, dessen Wände gekachelt waren, und aus nichts
weiter
bestand als einer alten Badewann in der linken Mitte, an
deren Rand ein paar Handtücher trockneten, aber erblickte
keinen Duschraum, oder wenigstens einen Duschkopf. Ich
verschloß erstmal die Tür, schritt dann auf dem nassen
Boden
weiter in den Raum, zog dann die Strümpfe aus, und schaute
mich um. Am hinteren Ende dieses schmalen Etwas, daß diese
Leute Bad nannten, befand sich ein Loch, daß sich bei
näherer
Betrachtung als Abflusswanne aus Beton herausstellte, und
etwa zwei Meter darüber schaute ein kleines metallenes
Ding
aus der Wand. Dies war also Dusche und Duschkopf. Dann
erkannte ich auch den Hahn, der zu meiner Erleichterung
sogar
die Möglichkeit bot, die Wassertemperatur zu regulieren.
Schnell zog ich mich aus, stand für ein paar Minuten
regungslos unter dem wärmenden Strahl, drehte dann das
Wasser
ab, zog mich wieder an, und ging nach unten. Hier hatte
sich
nichts geändert. Nach wie vor saß man, mit Bierdosen in
den
Händen herum, und sah zu, wie einer, der wohl erst seit
zwei
Tagen dabei war, seinem Gegenüber unverständliches Zeug
entgegennuschelte. Das nasse Handtuch hängte ich über die
Bettkante, dann aber, als ich mal wieder für ein paar
Minuten
Zigarettenpause allein gelassen wurde, stopfte ich es
eiligst
wieder in die Tasche, verschloß sie gründlich und
abfahrbereit, und stellte sie hinter den rechten Schrank,
damit sie von dem Einzelbett aus nicht gesehen werden
konnte.
Nun prüfte ich, wie laut das Bett war, wenn ich mich
bewegte;
wand ich mich zur Seite, blieb es halbwegs ruhig, doch
wenn
ich aufstand, egal wie ich es auch anstellte, knarzte und
knackte meine Stätte schlimmer als jeder Wecker. Das war
natürlich nicht so gut, doch es musste auch so gehen, mir
würde nichts anderes übrig bleiben. Ich legte mich
zurück auf
die Matratze, zog die Decke über meine Hosenbeine und
spielte
den Ermüdeten. Bald kamen meine Zimmergenossen zurück, und
nach ein bisschen Konversation über Sinn und Unsinn der
Polizei, die doch sowieso immer zu kommen würde, nur
weil sie
immer erstmal ihren Kaffee austrinken würden bevor sie
ausrückten, wurde das Licht ausgeknipst, und man sagte
sich
gute Nacht. Nun war Ruhe, und ich fing an, mir meinen Plan
soweit zusammenschmieden, daß ich kaum Gefahr lief, bei
meinem Ausbruch aus diesem Knast aufzufallen. Er sah
folgendes vor: Zuerst würde ich, wenn beide meiner
Zimmerkollegen eingeschlafen waren, aufstehen, meinen
Rucksack von seiner Stellung hinter meinem Bett greifen,
dann
den Raum zu verlassen, ein Stockwerk tiefer meine Schuhe
zu
holen, zurück ins Zimmer zu gehen, und wieder auf
schlafend
zu machen, damit, falls mich jemand bei meinem Treiben
bemerkt hatte, dieser keinen Verdacht schöpfte. Eine Weile
würde ich so warten, dann wieder aufstehen, die dicke
Tasche
zu schnappen, und nur noch durchs Fenster zu entkommen.
Auch
eventuelle Überraschungen kalkulierte ich mit ein; wenn
einer
der beiden Schlafenden aufwachen und mich fragen würde,
wohin
ich denn mit dem Rucksack wolle, würde ich sagen, ich
wolle
ins Bad, könne nicht schlafen und würde mich waschen
wollen,
und in dem Rucksack wäre die benötigte Seife, und so
weiter.
Wenn mich jemand dabei überraschen würde, wie ich die
Treppe
hinab zum Ausgang ging, könnte ich sagen, ich wolle nur
mal
raus an die frische Luft, Zigaretten zu holen, und in dem
Fall könnte ich dann sogar enttäuscht/erbost darüber
zurückkehren, daß ich die Tür verschlossen vorgefunden
hatte.
In dem Falle hätte ich auch ein weiteres Argument für den
Fall, daß irgendwas schiefginge, und ich mich am nächsten
Morgen doch irgendwie rausboxen müßte. Andere Situationen
erschienen mir dagegen sehr heikel, und ich konnte noch
nicht
einschätzen, wie ich reagieren müßte. Wenn mich jemand im
Flur mit den Schuhen antreffen würde, oder schlimmer noch,
wenn ich dabei überrascht werden würde, wie ich mit beiden
Taschen und angezogenen Schuhen schon im Flur stand. Bei
den
Schuhen könnte ich immer noch sagen, daß ich nur mal eben
raus wollte, aber in zweitem Falle würde mir
wahrscheinlich
nichts anderes übrig bleiben, als an der Person vorbei auf
die Toilette zu rennen, sie abzuschließen, und so
schnell wie
möglich erst durchs Fenster das Haus zu verlassen, und
dann
über Schleichwege auch das Dorf hinter mir zu lassen. Aber
dies waren alles Momente, in denen ich mich erst bei ihrem
Eintreten für die geeignetste Reaktion entscheiden müßte,
wobei ich aber sehnlichst hoffte, mich nicht mit
derartigem
auseinandersetzen zu müssen. So lag ich wach, und das
Läuten
der Kirchturmglocken direkt gegenüber teilte mir jede
Viertelstunde die aktuelle Uhrzeit mit. Ich brannte
darauf,
die Minuten vorüberziehen zu hören, damit ich endlich
starten
konnte, und jede Sekunde Wartezeit machte die Spannung
unerträglicher. Dieser Plan könnte klappen, soviel wußte
ich,
und ich wollte ihn durchsetzen, solange ich noch den Mut
und
die Kraft dazu spürte. Während ich so dalag, schaute ich
beunruhigt auf die nervösen Bewegungen meines Gegenübers.
Irgendetwas schien ihm vom Schlafe abzuhalten, jedenfalls
drehte und wendete er sich immer wieder ungeduldig in
seiner
Decke, und immer wenn ich vermutete, nun sei er
eingeschlafen, fing er doch wieder an, sich mit den
Fingern
im Gesicht rumzufummeln und sich unruhig hin- und her zu
wälzen. Aus dem Dunkel heraus sah ich ihm unentwegt
dabei zu,
und versuchte dabei, meine eigene Atmung lang und
gleichmäßig
zu halten, auf daß er annehmen müßte, ich würde längst
schlafen. Und dann schlug die Uhr die zweite Stunde. Nun
mußte es geschehen, auch wenn der Kerl gegenüber immer
noch
keine richtige Ruhe gab. Kurz wartete ich noch ab, zog
dann
die Decke zur Seite, und streckte mein Bein aus. Das Bett
knackte und knirschte, und bevor ich überhaupt auf dem
Boden
stand, fuhr mein Gegenüber herum, und starrte mich im
Dunkeln
an. Ich ignorierte ihn, machte auf schlaftrunken,
taumelte in
Richtung Tür, drehte mich zur Seite, nahm den Rucksack
in die
Hand, und trat hinaus auf den Flur. Ich hatte Glück; diese
Leute hatten ihre dreckige Kleidung zum Waschen vor die
Türen
gelegt, und so konnte ich meinen Rucksack unter ein paar
miefenden Wäschestücken. Nun ging ich den Gang entlang zum
Treppenhaus. Ein Licht sprang an, doch keine Hand, sondern
nur ein Bewegungsmelder hatte es angeschaltet. Das
passte zu
allem anderen in diesem Gefängnis; man konnte nicht mal
entscheiden, ob man im Dunkeln oder im Hellen latschen
wollte.
Ich schritt die Treppen hinab, und noch bevor ich ihren
Absatz erreicht hatte, vernahm ich ein bedrohliches
Knurren.
Dann stand ich ihm Gang und blickte zur Türe. Der
verlauste
Schäferhund starrte mich wachsam und mit aufgesperrten
Ohren
an, und er knurrte umso lauter, je näher ich ihm kam.
Glücklicherweise standen meine Schuhe einige Meter von dem
Köter entfernt, so daß ich sie, nachdem ich mich unter
leisem, beruhigendem Flüstern an sie herangeschlichen
hatte,
aufnehmen konnte, und langsam wieder zur Treppe schritt.
Zu
meiner Erleichterung bellte er nicht, oder schlug sonstwie
Alarm, doch selbst wenn, meine Ausrede, Zigaretten holen
zu
wollen, hätte immer noch gepasst. So ging ich
unbeschadet und
unentdeckt wieder nach oben, stopfte die Schuhe zum dem
Rucksack unter dem Wäscheberg, trat wieder ins Zimmer,
wo der
nervöse Typ im Einzelbett mich sofort wieder anglotzte,
legte
mich auf meine Stätte, drehte mich um, und er tat
dasselbe.
Nun lag ich wieder hier, Teil eins meiner Mission war
erfüllt, Teil zwei würde bald starten. Teil drei, der
vorsehen sollte, wie ich vorgehen würde, wenn ich erstmal
draussen war, hatte ich noch nicht bedacht. Die Uhr schlug
halb drei, und ich hielt den Zeitpunkt für gekommen, den
endgültigen Ausbruch nun zu wagen. Erneut stand ich auf,
wieder begleitet vom unvermeidbaren Kreischen des
verdammten
Bettes, und sofort blickte mich Herr Hyperaktiv wieder an,
und noch dazu gähnte jetzt der Junge über mir, der sich
die
ganze Zeit über kaum geregt hatte, vor sich hin. Mir blieb
trotz allem nichts anderes über, als zur Türe zu gehen,
sie
leise zu öffnen, und mich in den Flur zu stellen. Ich
drehte
mich um, beobachtete den, der über mir geschlafen hatte,
bei
seinen Streckübungen, wußte, daß er mich, so auf dem
Rücken
liegend, nicht sehen konnte, daß auch der andere dazu
nicht
in der Lage war, denn es stand ein leer Schrank zwischen
ihm
und mir, und direkt vor mir war meine Reisetasche, die ich
nun sanft und geräuschlos aufhob und in den Flur stellen
konnte. Leise schloß ich die Tür, kramte die Schuhe
hervor,
zog sie an, schnappte Rucksack und Tasche, ging schnellen
Schrittes in Richtung Klos, sah die unvermeidbare Lampe
mir
entgegenstrahlen, verschwand im linken Raum, zog die Tür
zu
doch schloß sie nicht ab, denn niemand hatte mich gesehen,
und auch wenn die beiden Gurken irgendwann bemerken
würden,
daß ich nicht mehr zurückkehrte, - ich wäre längst über
alle
Berge.
Und so warf ich die Taschen, auf der Kloschüssel
stehend, aus
dem engen Fensterchen hinüber auf das Schuppendach,
zwängte
mich selbst hinterher, verlor fast das Gleichgewicht und
sah
mich schon auf den Boden zurasen, sprang dann aber im
letzten
Moment nach links zu meinen Taschen, und landete
unversehrt
auf der Dachpappe. Sofort legte ich den Rucksack an,
schwang
den Riemen der Reisetasche quer über meine Brust, lief zur
Kante dieses Daches, und wollte nicht fassen, was ich sah.
Hier war kein Ausweg, hier war keine Straße, hier war
nichts,
auf daß ich mal eben hätte springen können; vor mir floß
ein
Bach, der gerade Hochwasser führte, und deshalb eher ein
reißender Strom war, und der übergangslos mit Haus- und
Schuppenwand abschloß. Ich blickte mich um, doch gegenüber
war ein weiteres Gebäuse, neben mir der Knast, und schräg
hinter floß das Wasser, unter mir ein Innenhof, der
weder Tür
noch Tor besaß. Entlang des Wasserlaufs verlief eine hohe
Mauer, die das Bachbett vom Innenhof trennte, und deren
Höhe
ich auf etwa drei Meter schätzte. Sie fing direkt am
Ende des
Schuppens an, und war maximal 40 Zentimeter breit. Ich
sah zu
ihrem Ende, doch konnte in dem dortigen Dunkel nicht
erkennen, ob ich wenigstens dort irgendwie abhauen konnte.
Ich fing schon an zu verzweifeln. Nicht genug, daß man
unter
Einsatz seiner Gesundheit überhaupt erst nach draussen
kam,
nein, selbst wenn man es geschafft hatte, schaute man
meterweit in die Tiefe, und war wiederum nur gefangen.
Sollte
ich umkehren? Lieber noch wollte ich es riskieren. Trotz
der
glitschigen Mauer und trotz der Tiefe, in die ich
hinabstürzen konnte, musste ich doch einen Blick ans
andere
Seite dieses Innenhofes werfen, damit ich immerhin nicht
sagen konnte, ich hätte nicht alles versucht. Also
balancierte ich zitternd auf der brüchigen Mauerkante
entlang, und legte so Meter um Meter zurück. Ich konnte
mich
nicht entscheiden, in welche Richtung ich lieber fallen
würde, wenn ich tatsächlich das Gleichgewicht verlieren
sollte. Zu meiner Linken ging es hinab in Sturzfluten, in
denen ich entweder erfroren oder ersoffen wäre, zu meiner
Rechten ging es hinunter auf gepflasterten Steinboden,
wo ich
mir wahrscheinlich alle Knochen gebrochen hätte. Aber mir
passierte nichts, die 30 oder 40 Meter legte ich
unbeschadet
zurück, und mit Freude sah ich am Ende der Mauer eine
kleine
Gasse, die ich leicht hinabspringen konnte, und die mich
auf
die nächste Straße führen würde, von wo aus ich wenigstens
irgendwo hin, Hauptsache weg von hier, rennen könnte. Ein
letztes Mal blickte ich zurück, schaute auf das
friedliche,
dunkle Haus, daß mir in diesem Moment eher wie ein
schwarzer
Moloch vorkam, und sprang dann beherzt hinunter in das
Gässchen, rannte auf die anliegende Straße, weiter
geradeaus
auf eine Anhöhe hinauf, vorbei an gelbglühenden Lampen,
immer
weiter, wollte weg vom Licht, in Angst, daß mir doch
jemand
folgen würde, und erreichte bald, erschöpft, aber
glücklich,
einen Feldweg, dessen Lauf ich ersteinmal folgte.
Mich fröstelte ein wenig, also zog ich meine Jacke aus der
dicken Tasche, und streifte sie über. Wie sollte ich
weitermachen? An der Himmelsrichtung brauchte ich mich
nicht
zu orientieren, wenn ich es auf die Weise probieren würde,
wäre ich in einer Woche eine verhungerte Leiche in
irgendeinem vergessenen Stück Mischwald. Der Bahnhof
erschien
mir da ein besseres Ziel. Am Nachmittag hatte ich mich
bereits erkundigt, ob in diesem Dort irgendwo eine Station
existierte, damit ich auch all die Bekanntschaften, die
ich
an den Haustüren kennenlernen würde, auch mal besuchen
könne.
Es war bejaht worden, und jetzt wollte ich dorthin. Der
Feldweg verlief parallel zu einer langen Häuserreihe,
und als
die Häuser endeten, sah ich eine Fabrik, eine
Produktionshalle, in der noch Licht brannte. Dorthin ging
ich, rief durch ein offenes Tür einen Arbeiter zu mir, und
fragte nach dem Weg zum Bahnhof. Natürlich war er in
entgegengesetzter Richtung, circa einen Kilometer
entfernt.
Ich bedankte mich höflichst, und ging die breite Straße
durch
das winzige Industriegebiet zurück zu den Wohnhäusern,
wo ich
in die erste Seitenstraße einbog, so daß ich, für den
Fall,
daß man mich doch noch suchte, noch schnell in einen
Vorgarten hechten konnte, falls ein Auto vorbeifahren
würde.
Ein paar Minuten lief ich so, sah dann zwei Rücklichter in
einer Hauseinfahrt abgeschaltet werden, blieb stehen,
wartete
auf den, der ausstieg, und fragte ihn ebenfalls nach dem
Bahnhof. Nach Auskunft bedankte ich mich wieder artig,
lief
weiter, und nach einigen Metern fuhr der junge Mann hinter
mir her, blieb neben mir stehen, und schon fand ich mich
im
Auto zur Bahnstation wieder. Ich erzählte ihm von meinem
Erlebnis, brauchte dafür die ganze Fahrt, gab ihm noch den
Hinweis mit, nie in seinem ganzen Leben mit irgendwelchen
fremden Leuten, die um irgendwelches Geld für irgendetwas
betteln, Geschäfte zu machen.
So stand ich dann, um Punkt drei Uhr, am Bahnsteig dieses
Kaffs und ging zum Abfahrtsplan. Der erste Zug würde
erst in
anderthalb Stunden fahren. Da ich auf keinen Fall an
dieser
Station bleiben und auf ihn warten wollte, fing ich an,
die
Bahnlinie entlang zu laufen um zum nächsten Bahnhof zu
gelangen. Auf dem Weg ereilte mich zweimal, inmitten des
tiefsten, dunkelsten Waldes die Wahnvorstellung, von
wilden
Tieren umringt zu werden, und in meiner Angst schrie ich
dann
wie am Spieß, nur um dann zu bemerken, daß ich doch wieder
nur gegen einen schwarzen Busch angebrüllt hatte. Hier
schoß
ich auch die ersten Fotos meiner mißratenen Reise. Als ich
das nächste Dorf erreicht hatte, wanderte ich wieder auf
festen Straßen, streckte den paar vorbeifahrenden Autos
den
Daumen entgegen, keines nahm mich mit, und so fragte ich
eine
Zeitungszustellerin nach dem Weg zum Bahnhof.
Ich folgte der Beschreibung, versuchte auf dem Weg
dorthin,
einem Bäcker frische Backware zu stibitzen, was leider
mißlang, und stand dann, nach knapp anderthalb Stunden
Fußmarsch, am Bahnsteig. Nun hatte ich ein kleines
Problem:
Fünf Minuten später würde der Zug kommen, und ich besaß
kein
Geld, und bis ich mal eine Bank finden würde, wäre der Zug
schon längst abgefahren, und ich müsste eine weitere
Stunde
in dieser Kälte verbringen. Ich blieb also wo ich war, und
stieg einfach ein. Eigentlich hatte ich beim Einsteigen
den
Schaffner fragen wollen, ob er mich nicht bis Dresden (der
nächsten, größeren Stadt) würde mitfahren lassen, da ich
mir
ab dort sowieso ein Ticket lösen würde, doch als der Zug
angehalten hatte, war niemand ausgestiegen und hatte mit
seinem Pfeifchen geträllert, und so saß ich nun im Wagon,
ohne Karte, dafür aber mit Heizung um die Füße. Nach einer
Viertelstunde kam dann die Schaffnerin, die ich nur
fragte,
ob sie nicht ein Auge zudrücken könnte, da ich nicht
mehr die
Zeit gehabt hatte, zur Bank zu laufen usw., doch sie wurde
nur schnippisch, schüttelte den Kopf, und keifte mir so
unfreundlich wie nur möglich ins Gesicht, ich möge doch
bitte
sofort nachlösen oder die nächste Station aussteigen. Also
stieg ich aus. Mit den 50 Cent, die ich noch besaß, war
eine
Fahrkarte nicht bezahlt, und so stand ich nun,
mittlerweile
schon halb sechs Uhr morgens irgendwo kurz vor Dresden,
und
entschied mich, eine Bank zu suchen. Ich fragte mich
durch,
hob Geld ab, kaufte mir noch drei trockene Brötchen, schoß
ein paar Fotos von der aufgehenden Morgensonne, und
latschte
zurück zum Bahnhof. Wieder holte ich mir keine
Fahrkarte, und
fuhr so unbehelligt bis in die Dresdner Innenstadt, wo ich
noch einen kurzen Aufenthalt hatte, dann mein Zug einfuhr,
ich einstieg, und beseelt frohlockte, als ich merkte,
wie er
sich in Bewegung setzte. Es war mittlerweile kurz vor
sieben, die Sonne blinzelte mir hinter den Wolken zu,
und ich
empfand so, als ob ich jahrelang kein Licht gesehen hätte,
und jetzt erst wieder, staunend wie ein Kind, zum ersten
Mal
wieder Zeuge der Welt sein durfte. Ich saß allein im
Abteil,
unendlich müde zwar, aber an Schlaf war nicht zu denken.
Lieber holte ich die Kamera hervor, und hielt diesen
wunderbaren Morgen aus dem Zugfenster heraus fest. Ich sah
schöne Altbauten an mir vorbeiziehen, überflutete Felder,
lange Baumreihen, und gönnte mir noch einen Becher Kaffee,
der mir von einer Dame gereicht wurde, die ich innerlich
für
ihren festen, geregelten Job, mit festem Gehalt am Ende
des
Monats auf ihrem Konto beglückwünschte, und sie für ihre
trainierte Gutmütigkeit, für ihren gemäßigten Alltag,
für all
ihre Normalität fast schon liebte, jetzt, da ich der
Hölle,
die ich durchlebt hatte, entkommen war. Den Rest der Fahrt
schrieb ich in das Büchlein, daß ich mir eigentlich zur
Niederschrift meiner Reiseberichte aus deutschen Städten
zugelegt hatte, diese Geschichte, und als ich kurz vor
zehn
in meine Wohnung trat, ließ ich mich noch kurz von meiner
schönsten Musik umspülen, legte mich dann glücklich auf
meine
wohlige Matratze, zog die wärmende Decke über mich, und
schlief ein.

Wenn ich es heute betrachte, war dies etwas, daß man
Grenzerfahrung nennt. Es hat mich geformt, meinen Willen
gestärkt, und schlußendlich meine Persönlichkeit zu ihrer
vollen Entfaltung gebracht. Ich musste mich erst in den
Flammen des Hasses winden, um den wahren Wert der Liebe in
Vollem zu erkennen. Wenn heute in der Zeitung irgendwelche
Anzeigen stehen, in denen mit wenig Arbeit für viel Geld
geworben wird, weiß ich, was dahinter steckt, und blättere
weiter. Wenn heute jemand an meiner Tür klopft, der auf
irgendeine Weise mein Geld haben will, ich schicke ihn zum
Teufel; mag sein Anliegen noch so moralisch klingen, und
mag
sein Geschwätz noch so tugendhaft erscheinen - es geht ihm
doch nur ums Geld, um nichts anderes als daß, und solchen
Leuten schenke ich heute nur noch meine Verachtung.

antworten
WiWi Gast

Re: Arbeitslosigkeit->Ausweg Drückerkolone

6 Jahre war das hier beschriebene mein Leben von 16 bis 22, ich kenne all die Orte die hier beschrieben werden und noch einige mehr, Die Drei Buchstaben die die Organisation beschreiben, den Namen sowie die Adresse der Werbeagentur die in einer kleinen Stadt in einer gepflegten Einfamilenhaussiedlung im Leipziger Umland ihr Domizil hat. Kurz gesagt ich wurde nach 3 gescheiterten Ausbruchsversuchen wovon einer bei mir zuhause endete, da mich mein Chef (der Namensgeber der heutigen ?Agentur)? da schon erwartete. Ich wurde dann mit der Zeit auch zu einen von den hier beschriebenen gebrochenen, hirnlosen, funktionierenden Wesen. Mit 22 lernte ich dann auch die andere Seite kennen und konnte selber herumkommandieren, Repressalien verteilen und das vermeintlich große Geld machen dabei rutschte ich immer tiefer getrieben von Macht und Geld in diesen Moloch. Etliche Gerichtsverhandlungen die aufgrund meines Geldes immer für mich gut ausgingen waren an der Tagesordnung. Ich verlor immer mehr den Bezug zur Realität sogar zu meiner Familie. Selbst eine Bewährungsstrafe die ich für ein nächtliches Martyrium in einen Wald an einen Menschen erhielt der dann verständlicherweise auch noch Angst hatte zur Verhandlung zu erscheinen konnte mich nicht bremsen. Im Gegenteil durch diese Sache wurde ich mehr und mehr in dieser Szene geachtet. Mit 30 schaffte ich durch unvorhergesehener Ereignisse die den Anfang in einer Diagnose eines Arztes fanden den Ausweg. Wenn es einen Gott gibt hat mich dieser an diesen Tag in die Realität zurückgeholt. Geschlagen durch das Leben und der Diagnose die mein Leben nun so oder so ein schnelleres Ende setzen wird verschwanden Rolex, Dupont, S Klasse Geld und Macht, aber ich habe etwas viel wichtigeres gefunden Wirkliche Freunde und Freude am Leben. Ich muss damit Leben das man mir nicht verzeihen kann was andere durch mich erleiden mussten, bin aber froh nun nach etlichen Jahren auch im Kopf mit dieser Sache abschließen zu können. Ich habe zwar auch jetzt wieder ein hohes überdurchschnittliches Einkommen welches mir erlaubt gewisse Freiheiten zu genießen, aber ich habe etwas viel wichtigeres gefunden, Etwas was viel mehr Wert ist als aller Reichtum dieser Welt. Nämlich auch ohne diese ganzen Materiellen Sachen haben zu müssen, endlich zufrieden zu sein. Es war ein langer Weg und ich habe dafür bar bezahlt mit dem höchsten Preis den man bezahlen kann, MIT MEINEM LEBEN!

antworten
WiWi Gast

Re: Arbeitslosigkeit-> Ausweg Drückerkolonne

Danke das du mich so gerade vor diesem Grauen bewahrt hast. Ich hatte das ganze schon in Planung und so jung wie ich bin wäre ich natürlich so naiv gewesen und war kurz davor hinzufahren (Ich hatte das Ticket bereits Zuhause).

Ich habe mir das ganze durchgelesen und das Ticket seits der Firma zurückbuchen gelassen.

Ich danke dir für diese Zeilen, ein Glück hat sich ein Freund schlau gemacht und ich bin nicht auf diese unseriöse Angebot eingegangen.

antworten
WiWi Gast

Re: Arbeitslosigkeit-> Ausweg Drückerkolonne

Die Methoden die bei Drueckerkolonnen angewendet werden, werden nicht ohne Spuren das Leben der Leute praegen.
Ich war ein kleines Kind und durfte einen sehr grossen Teil davon mitbekommen, da ich aus einer Familie komme, die mit harten Geschuetzen solche Kolonnen fuehrte. Es ist 30 Jahre her und nicht nur, dass die schwachen und labilen Menschen psychisch manipuliert und fertig gemacht wurden, nein sie wurden systematisch zerstoert und ich konnte oft mit ansehen, wie sie taeglich verbruegelt wurden. Es wurden Methoden angewendet, die man nicht einfach in wenigen Worten beschreiben kann und damals als Kind mir auch gar nicht bewusst waren, sondern diese Dinge mir erst heute klar werden. Unbeschreiblich wieviele Menschen zerstoert wurden auf ganz unglaubliche Weise.

Die heutigen Methoden moegen jetzt vielleicht mehr auf die psychische zerstoerung gehen und verbruegelt werden vielleicht die Leute nicht mehr, ich weiss es nicht aber Finger weg von Drueckerkolonnen, denn es ist unbeschreiblich, was mit Leuten gemacht wird, die sich darauf einlassen.

Wenn ich die Muse finde, werde ich mal ein Buch darueber veroeffentlichen, denn nur als Tochter einer solchen Drueckerfamilie mit all den gesehen Erlebnissen habe Schwierigkeiten das zu verarbeiten, geschweige wie mag es den Menschen gehen die als Druecker darin arbeiteten.

antworten
WiWi Gast

Re: Arbeitslosigkeit-> Ausweg Drückerkolonne

Einer der schlimmsten Jobs die es in der heutigen westlichen Welt gibt, Zielgruppe sind Menschen ohne Bindungen, leicht manipulierbar, schwaches Selbstwertgefühl, geringe Bildung mit naiver Sicht der Dinge.

Gehirnwäsche sowie psychische teils auch physische Gewaltanwendung und Einschüchterung steht an der Tagesordnung, eine Art moderner Sklavenhaltung, Sektenähnlich. Schwer vorstellbar für Menschen die damit keine persönliche Erfahrungen hatten.

Ich war vor 20 Jahren naiv und fiel auf so ein Stellenangebot rein, wusste damals gar nicht, dass es soetwas wie Drückerkolonen gibt, wir waren in einer Herberge mitten auf irgendeiner Landstrasse, mir wurde der genaue Aufenthaltsort verschwiegen, es gab damals leider weder Handys noch Internet, ich bin erst nach etwa 10Tagen davongekommen, bzw geflüchtet, es kreisten Geschichten dass man niedergeschlagen und am Strassenrand zurückgelassen wird, wenn man aussteigen will, die "Untergebenen" mit denen ich mich besser verstand, haben mit geraten dass ich auf keinen Fall sagen soll, wenn ich aufhören will und einfach heimich verschwinden soll wenn es so ist, habe mit eigenen Augen gesehen, wie Leute ins Gesicht geschlagen wurden weil sie gewisse Auflagen nicht erfüllt haben.

Der Schreiber des Romans hat völlig richtig gehandelt. Nun ausser auf den Gleisen ;D bei mir handelte es sich jedoch um Zeitungsabos.

Der Beitrag über mir ist erschaudernd aber er trifft genau ins schwarze und ich fühle mit dieser Person mit und möchte ihr meinen Respekt für ihrer Sicht der Dinge aussprechen, ich hoffe Sie schreiben ein Buch darüber, ich fände es gut, wenn Sie darin den psychologischenn Aspekt unter die Lupe nehmen, denn viele Menschen wissen nicht was psychische Folter wirklich ausmacht.

Ich rate jedem, der eine Seele besitzt, soetwas ja nicht anzufangen.

PS
Generell ist es so, dass es keine Arbeit auf der Welt gibt, die einerseits perfekt klingt bei der man aber gleichzeitig keine Referenzen aufweisen muss. Solche Jobangebote haben immer einen Haken und meist einen gewaltigen, so wie in diesem Fall.

antworten
WiWi Gast

Re: Arbeitslosigkeit-> Ausweg Drückerkolonne

Es gibt einen sehenswerten Münchner Tatort, der das Thema aufgegriffen hat.

antworten

Artikel zu Zeitarbeit

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Der Ausschnitt von einem Wecker.

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Beschäftigungszuwachs 2010 zu großen Teilen von Zeitarbeit getragen

Eine Lichterkette mit kleinen Lämpchen hängt in mehreren Schnüren von der Decke herab.

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Broschüre »Aktuelle Entwicklungen in der Zeitarbeit 2009«

Die Broschüre der Bundesagentur für Arbeit informiert über aktuelle Entwicklungen bei der Zeitarbeit im Jahr 2009. Sie umfasst 20 Seiten.

Neue Beschäftigungsformen prägen Arbeitsmarktentwicklung

Ein Neubau mit Gerüst und Kränen und einem Vogelschwarm, der darüber hinweg fliegt.

Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) im Rahmen eines Pressegesprächs in Frankfurt am Main mitteilte, hat die Zunahme neuer Beschäftigungsformen die Beschäftigungsentwicklung der vergangenen zehn Jahre in Deutschland maßgeblich geprägt.

Zeitarbeit boomt - Rekordwert von fast 600.000 Zeitarbeitern in 2006

Teure Armbanduhr auf einem Nachtschränkchen.

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Der Ausschnitt von einem Wecker.

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Ein Arm mit einer Uhr und einer zweiten Hand, die die Zeit verstellt.

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Die Flexibilisierung der Arbeitnehmerüberlassung wird durchweg positiv aufgenommen, die Minijob-Reform hat zu einem deutlichen Anstieg der geringfügigen Beschäftigung geführt. Midijobs werden weniger stark genutzt.

Bain-Karriereprogramm »Red Carpet« für Berufseinsteiger

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Berufsstart: Ein Vogel landet im Getümmel.

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Wie gelingt der Start in den Beruf am besten? Hilfestellung leistet die Broschüre »Startklar«, die vom Informationszentrum der deutschen Versicherer ZUKUNFT klipp + klar neu aufgelegt wurde. Uni-Absolventen finden dort nützliche Tipps, wie sie ihrem Traumjob näher kommen.

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