Lounge Gast schrieb:
ernsthaft der Meinung, das sei für mich das Richtige (meine
Freundin war da schon eher skeptisch).
Weshalb war Deine Freundin skeptisch?
Die Promotion und Beschäftigung am Lehrstuhl
startete nahtlos und nach 2-3 Wochen kam es dann über mich.
Ich wurde totunglücklich, habe einen Sinn gesucht und nach
und nach an allem gezweifelt, was ich bin, kann und will.
Business as usual soweit.
Sinnsuche ist klar. Wenn man 12 Semester erzählt bekommen hat "so isses" und dann plötzlich die Welt des "mhh schwierig, also A meint X, B meint Y und C meint, dass das gar nicht zu beantworten sei...bestenfalls kommt es drauf an" betritt, dann fragt man sich, was das ganze eigentlich soll. Es geht doch drum die Wahrheit zu finden, Wissenschaft und so.
An allem zu zweifeln was man kann: normal. Das ist so als würdest Du einen Grundschüler in die 6. Klasse setzen. Okay schlechtes Beispiel. Der Punkt ist einfach: Du bist plötzlich von Leuten umgeben, die mega-spezialisiert sind und auf einem winzigen Fachgebiet sich extrem, absurd, unglaublich gut auszukennen scheinen und auf einem Niveau miteinander reden, wo man sich kaum noch traut eine Frage zu stellen.
Jetzt sind insgesamt 6 Wochen vergangen, ohne, dass sich
meine Laune gebessert hat.
6 Wochen schlechte Laune? Reden wir nach 3-6 Monaten noch mal drüber.
Ich überlege, die Promotion
abzubrechen, lieber zu früh als zu spät, weiß aber auch
darauf nicht, was ich stattdessen gerne tun möchte. Alle
BWL-Jobs die mir so einfallen oder die ich so finde
erscheinen mir oberflächlich und sinnfrei.
Das liegt daran, dass das zutreffend ist. Nein Spaß. Was erscheint Dir denn nicht sinnfrei? Also was findest Du sinnvoll?
Gleichzeitig bin
ich auch der einzige Doktorand ohne Projekt, was mich in
meinen Augen isoliert und mir großen Druck macht, endlich zu
starten.
Es gibt kein "Starten" im Sinne von "Der Anfang. 9 Uhr morgens, am 17.11". Ich vergleiche Forschung immer damit, dass sich halt Gedanken macht. Viele Gedanken. Und jeder Gedanke ist ein Punkt auf einem Blatt Papier. Gedanken um irgendwas. Das Wetter. Makroökonomie. Controlling. Wo bekomm ich ein Bier her? Und wenn man sich lange genug Gedanken um Themen macht, die irgendwie idealerweise mit dem groben Forschungsgebiet zusammenhängen, dann entsteht da so eine Punktwolke. Und sie wird dichter. Und dichter. Einfach weil man Interessen nachgeht.
Und irgendwann merkt man, dass wenn man jetzt von Punkt X aus ein Problem betrachtet, man nicht mehr zu dem vor 4 Wochen gesetzten Punkt Y kommen kann, ohne an Z vorbeizukommen und Punkt A für falsch zu halten. Und dann findet man einen Autor, der das gleiche Problem betrachtet, zu Y kommt, aber A für wahr hält. Und man fragt sich so "hä?". Und unvermittelt fallen einem etliche "Punkte" ein, die für das eine und gegen das andere sprechen und man sieht die Notwendigkeit diese Punktwolke mal zu ordnen, zu systematisieren, sie in Beziehung zueinander zu setzen.
Wenn man damit fertig ist, schreibt man noch ein nettes Vorwort und fertig ist die Laube. Aber einen im eigentlichen Sinne Anfang gibts nicht. Das wäre ja so, als würde man zuerst die Einleitung einer Dissertation schreiben und am Ende den Schlussteil... absurde Vorstellung :)
Ich hoffe das kam irgendwie an :)
Was den Druck angeht: Druck machst Du Dir und sonst erst mal keiner.
Okay okay, es kommt enorm auf den Charakter des Drvaters an. Wenn es aber ein älterer Herr ist und kein überambitionierter Jungforscher, dann weiß er nur zu gut, dass Orientierungslosigkeit systematisch Teil des Prozesses und absolut wünschenswert ist. Er wird aber auch ein Auge drauf haben, ob Du diese Orientierungslosigkeit nutzt und als Chance begreifst oder in Lethargie verinkst. Anders gesagt: Setzt Du unentwegt irgendwo Punkte hin oder hast Du den Stift weg gelegt, weils Dir vollkommen sinnfrei vorkommt planlos Punkte auf ein Papier zu tupfen?
Ich habe keine Ahnung, was genau ich erforschen will
und wie ich das angehe. Meiner Meinung nach ein klares
Anzeichen, dass ich aus den falschen Gründen promoviere.
Das ist nur ein Anzeichen, dass Du Wiwi studiert hast (hab ich auch, ich weiß wovon ich rede). Woher sollst Du es auch nach einem typischen Wiwi-Studium wissen?! (Kenne auch andere Studiengänge und die hätten mich auf die Wiwi-Promotion besser vorbereitet).
Wiwi ist ja berufsvorbereitend und bereitet nicht auf die Wissenschaft vor. Bringt dem DAX30 wenig im Controlling zu sagen: Mh also ja ich weiß, diese Kennzahl wird überall verwendet...aber ich muss erst noch mal 2 Jahre drüber nachdenken, ob das so überhaupt einen Sinn ergibt." Oder "joa Optionen werden nach Black-Scholes gepreist... aber, Jungs, ich machs mal anders."
Disclaimer: Das mag all denen, die nur Datensätze durch irgenwelche Modelle jagen anders vorkommen. Aber es gibt ja auch noch so was wie "Theorie". Das ist das, wonach die Modelle gebastelt werden.
Vermutlich habe ich nicht das Durchhaltevermögen, wenn ich
schon jetzt so zweifele.
Problematisch ist nur, wenn Du den Zweifel nicht aushälst. Das scheint bei Dir vllt. der Fall zu sein. Weiß ich nicht.
Es ist ein seltsames Gefühl, die Leere und gefühlte
Hoffnungslosigkeit nach einem bisher doch in sich logischen
und sehr guten Werdegang. Zum Einen habe ich das Gefühl, das
Beste aus meinen Vorleistungen rausholen zu müssen (z.B. per
Promotion), zum Anderen suche ich einen Job, der mir dennoch
ein erfüllendes Privatleben ermöglicht und mich zufrieden
statt reich macht. Ich suche schon und bewerbe mich auch
verschiedene Stellen, ohne aber zu wissen, ob das was für
mich ist. Aber auch hier die zweifelnden Fragen. Was, wenn
ich nix finde?
Mach dir mal keine Sorgen
Was, wenn der Job schlecht ist? Was, wenn ich
nicht gut genug bin? ...
Du bist gut genug! Es kochen alle nur mit Wasser. Ausnahmslos alle. Bis auf Unternehmensberater, die garen mit heißer Luft ;)
Meine Freundin, Familie und Freunde unterstützen mich sehr,
Das würde mich persönlich tierisch ankotzen, weil es mich unter Druck setzen würde. Ist aber ganz schwer den Leuten das zu vermitteln und man muss da sehr vorsichtig sein. Gerade bei Leuten, die vor einer Promotion so einen heiden Respekt haben und meinen nur die schlausten kriegen das hin und es wäre die ganz große Hexerei. Ganz schlecht. Wenn sie dagegen selbst promoviert haben, gibt es bei ganz vielen Sachen meist so ein mutual understanding und man findet intuitiv ein Gleichgewicht zwischen "interessiert nachfragen" und "keinen druck machen" verbunden damit, dass das Gegenüber weiß, dass das alles nur halb so hochtrabend ist, wie es wirkt. Jedenfalls war die Erfahrung in meinem Lehrsuhl und Uni-Umfeld, dass die Partnerschaften deutlich entspannter waren, in denen es dieses Verständnis gab.
nichtsdestotrotz geht es mir jeden Tag etwas schlechter. Ich
bringe nichts Produktives mehr zustande und werde so immer
panischer.
Da musst Du in der Tat raus. Für so etwas gibt es Hilfe an Unis, wie auch schon jemand geschrieben hat.
In mancher Ohr wird das vielleicht nach einem Luxusproblem
klingen oder Leute mich belächeln lassen, wie naiv ich war,
wie verblendet und vermessen ich meine Zukunft als
selbstverständlich wahrgenommen habe. Mir geht es allerdings
derzeit wirklich sehr schlecht, selbst verschuldet natürlich,
aber nicht mehr veränderbar.
Alles ist änderbar. Wenn man nur erst mal für sich beschlossen hat, was man will und gegenüber sozialen Kontakten dazu steht.
Ich habe panische, lähmende
Zukunftsangst und rutsche immer weiter ab. Mir fallen einfach
keine Alternativen ein, die einen Kompromiss aus Karriere und
Erfüllung darstellen könnten.
Okay, das ist jetzt die ganz große Kiste. Kommt Zeit kommt Rat. Dieses Durchplanen ist eh Illussion. Es wird sich alles einfach ergeben. Keep cool.
Ich würde mich über hilfreiche Kommentare eurerseits freuen!
Was sagt ihr zum Promotionsabbruch? Ist das verständlich,
Wenn Du es für richtig hälst, ist es auch verständlich. Sonst würdest Du es nicht tun. Unverständlich wäre, wenn Du es für richtig hälst, es aber nicht tust.
muss ich mich rechtfertigen, usw.?
Nö.
Wie komme ich aus der
depressiven Phase raus? Wo finde ich meinen Sinn? Wo finde
ich meinen Selbstwert wieder?
Das ist mir jetzt zu weitreichend.
Ich würde Dir den Rat geben im doktorandenforum.de mal herumzustöbern. Dann wirst Du merken, dass das eine ganz eigene Welt mit ganz eigenen Problemen ist. Dass diese Probleme oft nicht von Leuten verstanden werden können, die da nicht drin sind oder mal drin waren und dass Deine Probleme nicht "läppisch" sind, sondern es verdammt vielen genau so geht. Plus: Es ist zwar weniger frequentiert, aber deutlich weniger infantil als wiwi-treff. Dafür halt auch weniger spaßig :)
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