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SelbstmanagementSpam

Urteil: Tägliche Kontrolle im Spam-Ordner geschäftlicher E-Mails ist Pflicht

Der Kontoinhaber eines geschäftlichen E-Mail-Accounts mit aktiviertem Spam-Filter ist verpflichtet, seinen Spam-Ordner täglich durchzusehen. Das Landgericht Bonn veruteilte einen Rechtsanwalt zu 90.000 Euro Schadensersatz, weil er das im Spam-Filter gelandete Vergleichsangebot der Gegenseite nicht an seine Mandantin weiterleitete.

Ein mit gelber Kreide auf den Straßenbelag aufgemalter Fußabdruck von zwei Füßen in Schrittstellung.

Tatbestand
Die Klägerin macht gegen den Beklagten Schadensersatzansprüche aus einem Anwaltsvertrag geltend. In einem Urteil des Landgerichts wurde die Klägerin verurteilt, an ihren damaligen Prozessgegner – die E GmbH – einen Betrag in Höhe von 264.554,03 Euro zu zahlen. Da die Klägerin ihre Erfolgsaussichten im Berufungsverfahren als gering einschätzte, beauftragte sie den Beklagten im März 2011, mit dem gegnerischen Rechtsanwalt Vergleichsgespräche zu führen. Dieser signalisierte zunächst Interesse, lehnte gegenüber dem Beklagten jedoch schließlich Vergleichsgespräche ab. Daraufhin legte der Beklagte im Auftrag der Klägerin Berufung ein.

Der Geschäftsführer der Klägerin nahm danach Kontakt zu den Gegnern des Berufungsverfahrens auf, um eigenständig Vergleichsmöglichkeiten zu ermitteln. Im Rahmen dieser Gespräche gab der Prozessbevollmächtigte der E GmbH, zu verstehen, dass diese sich zur Vermeidung der Berufungsinstanz eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits bei Zahlung eines Betrages von € 190.000 vorstellen könnte. Der Justiziar der Klägerin, besprach diese Vergleichslösung mit dem Beklagten. Der Prozessbevollmächtigte der Gegner erklärte sich am Telefon mit dem Vergleich ebenfalls einverstanden und schrieb dem Beklagten eine E-Mail mit den Eckpunkten für den Vollstreckungsvergleich. Für den Vergleichsvorschlag galt eine Annahmefrist bis zum 31. Mai 2011 per Erhalt der Vergleichssumme. Der Beklagte unterrichtete die Klägerin von dieser Email nicht, weil diese angeblich nicht in seinem Email-Postfach einging, sondern durch den Spam-Filter aussortiert wurde. Später musste die Klägerin an die E GmbH einen Betrag in Höhe von 264.554,03 Euro und weitere Gerichtskosten und Zinsen zahlen.

Die Klägerin ist der Ansicht, der Beklagte habe dadurch, dass er der Klägerin nicht noch vor dem 31.05.2011 den Vergleichsvorschlag der Gegenseite mitteilte, und dadurch, dass er die Berufung nicht innerhalb der gesetzten Frist begründete, seine anwaltlichen Pflichten verletzt und den geltend gemachten Schaden verursacht. Die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an sie € 90.786,89 nebst Zinsen zu zahlen.

Entscheidung
Die Klage ist zulässig und ganz überwiegend begründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch in Höhe von € 90.096,45 aus §§ 280 Abs. 1, 675 Abs. 1, 611 BGB. Der Beklagte hat im Rahmen seines Mandatsverhältnisses mehrfach seine anwaltlichen Pflichten verletzt. Indem der Beklagte den Vergleichsvorschlag der Gegenseite in der E-Mail vom 23.05.2011 erst nach dem 31.05.2011 an seine Mandantin weiterleitete, hat er seine anwaltlichen Pflichten verletzt. Der Beklagte war verpflichtet, im Rahmen seines Auftrages seinem Mandanten das Vergleichsangebot so rechtzeitig zu übermitteln, dass ihm keine Nachteile entstehen.

Der Beklagte kann sich nicht damit entlasten, dass die Email vom 23.05.2011 angeblich nicht in seinem Email-Postfach einging, sondern durch den Spam-Filter aussortiert wurde. Der Beklagte hat die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nicht beachtet, weil er seinen Spam-Filter nicht täglich kontrolliert hat. Die Emailadresse führt der Beklagte auf seinem Briefkopf auf und stellt sie dadurch als Kontaktmöglichkeit zur Verfügung. Es liegt im Verantwortungsbereich des Beklagten, wenn er eine Emailadresse zum Empfang von Emails zur Verfügung stellt, dass ihn die ihm zugesandten Emails erreichen. Bei der Unterhaltung eines geschäftlichen Email-Kontos mit aktiviertem Spam-Filter muss der Email-Kontoinhaber seinen Spam-Ordner täglich durchsehen, um versehentlich als Werbung aussortierte Emails zurück zu holen.

Durch die Pflichtverletzungen des Beklagten ist der Klägerin insgesamt ein Schaden in tenorierter Höhe entstanden. Der Beklagte ist zunächst verpflichtet, der Klägerin den Schaden zu ersetzen, der ihr entstanden ist, weil der Beklagte den Vergleichsvorschlag nicht rechtzeitig weiterleitete. Hätte der Beklagte der Klägerin das Vergleichsangebot rechtzeitig übermittelt, hätte die Klägerin den Beklagten angewiesen, das Angebot anzunehmen. Der Schaden der Klägerin besteht zunächst aus der Differenz zwischen dem, was die Klägerin an die E GmbH und an die Gerichtskasse zahlen musste und was sie bei Abschluss des Vergleiches hätte zahlen müssen.

Insgesamt leistete die Klägerin Zahlungen in Höhe von € 285.906,72 und hätte bei Abschluss des Vergleiches einen Betrag von € 196.203,90 gezahlt. Die Differenz zwischen dem Betrag, den die Klägerin bei Abschluss des Vergleiches hätte zahlen müssen (€ 196.203,90) und dem Betrag, den sie tatsächlich zahlte (€ 285.906,72) abzüglich eines Nutzungsvorteils (€ 1.953,42), mithin € 87.749,40, stellt den ihr insoweit entstandenen Schaden dar, den der Beklagte ihr gem. § 249 BGB ersetzen muss. Zusätzlich ist der Klägerin ein Schaden in Höhe der gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten für die Rechtsbeschwerde entstanden. Diese Kosten in Höhe von € 2.347,05 sind entstanden, weil der Beklagte schuldhaft die Berufungsbegründungsfrist verstreichen ließ, ohne eine Berufungsbegründung einzureichen. Diese Kosten hat der Beklagte im Rahmen seiner Schadensersatzpflicht gem. § 249 BGB zu übernehmen. Der Streitwert wird auf € 90.786,89 festgesetzt.

Tenor des Urteils
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 90.096,45 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus € 84.428,31 seit dem 13.10.2012 und aus weiteren € 5.668,14 seit dem 16.04.2013 zu zahlen. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

Landgericht Bonn, 15 O 189/13
Datum:10.01.2014
Gericht:Landgericht Bonn
Spruchkörper:15. Zivilkammer des Landgerichts
Entscheidungsart:Urteil
Aktenzeichen:15 O 189/13