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Sound-CheckDepeche Mode

Sound-Check: Depeche Mode »Playing the angel«

Depeche Mode kehrt düster aber nicht weltbewegend zurück.

Ein Plattenspieler.

 

Depeche Mode »Playing the angel«Mute/EMI
Veröffentlichungsdatum: 14. Oktober 2005

 

  1. A pain that I`m used to
  2. John the revelator
  3. Suffer well
  4. The sinner in me
  5. Precious
  6. Macrovision
  7. I want it all
  8. Nothing`s impossible
  9. Introspectre
  10. Damaged people
  11. Lilian
  12. The darkest star

Wertung: *****

Eine Familie
Der Begriff der Familie ist mehrdeutig. Die Soziologie versteht darunter eine engere Verwandtschaftsgruppe, sprich die Kernfamilie Vater, Mutter, Kind. Der lateinische Begriff familia meinte jedoch zunächst die Gesamtheit aller zum Hausstand gehörenden Personen, also auch der Sklaven und Bediensteten. Die Funktionen der Familie sind vielseitig. Ob die biologische Funktion der Fortpflanzung einer Familie bedarf, ist die Frage. Basis für Familie ist jedoch, Frau muss gebären können, Mann muss zeugen können, mindestens zwei Generationen müssen zusammenleben und die extreme Dauerpflege der Säuglinge. Soziale Funktionen sind die rechtliche, politische, religiöse, wirtschaftliche und erzieherische. Und, die Familie kann Leben retten. Ob man im Falle von Dave Gahan soweit gehen kann, bleibt dahingestellt. Fakt ist jedoch, seine Familie gibt ihm nicht unerheblichen Halt nach einem fast beendeten Leben.
 

Kurz vor dem Ruin
1990 veröffentlichen Depeche Mode »Violator« und mit dem Song »Personal Jesus« wird letztendlich auch die USA und wiederum die ganze Welt erobert. Dave Gahan sieht sich plötzlich in einer aufkeimenden Rockstarrolle, welche in den folgenden Jahren weiter ausgebaut wird und mit massivem Drogenkonsum seinerseits einhergeht. Im Jahre 1993, nach der Veröffentlichung von »Songs of faith and devotion« inklusive der bestechenden Single »I feel you«, geht es mit der neuen Rolle vollends identifiziert auf eine gigantische weit über ein Jahr dauernde Welttournee. Es werden 174 Konzerte auf der ganzen Welt gespielt. Während dieser Zeit kommt es zu einer starken Verfremdung der Bandmitglieder untereinander - Alan Wilder verlässt die Band 1995 - sowie der physischen und psychischen Überbelastung Dave Gahans. Diese gipfelt in einem Selbstmordversuch mithilfe einer Überdosis Heroin und zwei Minuten klinischem Tod. Die Band steht kurz vor dem Ruin. Das Erscheinen von »Ultra« im Jahre 1997 verblüfft ob der kurz vorher geschehenen Ereignisse. Die Band scheint wieder zu minimalistischeren Elektroniksound zurückzukehren und berappelt sich.
 

Tote leben länger
Nach Beleuchten der wohl bewegtesten Phase der mittlerweile 25-jährigen Bandgeschichte geht es jetzt um das nunmehr 11. Studioalbum »Playing the angel«. Und dieses ist düsterer den je, was die eher schwache erste Single »Precious« nicht vermuten ließ. Das Dunkle soll wohl schon in den leicht lächerlich wirkenden Songtiteln angedeutet werden. Weniger liegt es an der Beteiligung Dave Gahans am Songwriting, welches unter anderem Voraussetzung für das Weiterbestehen der Band gewesen sein soll und sicherlich auch eine Herausforderung für Martin Gore war. »Suffer well« entstammt neben »I want is all« und »Nothing`s impossible« Gahans Feder. Insbesondere ersteres gehört eher zum soliden Fundament des Albums, besticht durch abwechslungsreiche Instrumentalisierung über einer einfachen Rhythmusstruktur. »I want it all« ist ruhig, atmosphärisch, schön. Auffallend sind ansonsten der Opener, ein kräftiges forderndes Industrialstück, das abgefahrene, andersartige »Marcovision«, welches teilweise von Gore gesungen wird. Herausragend ist »John the revelator«, düster, gewaltig, toller Gesang, eine Single, definitiv. Insbesondere die schwarze Gemeinde wird zu diesem clubtauglichen Stück Trauertänze zelebrieren.


Kurz zusammengekommen
Auch bei Depeche Mode hat es stärkere Zeiten und stärkere Songs gegeben. Im Zusammenhang des Gesamtwerkes der Band ist »Playing the angel« etwas zu düster ausgefallen und es fehlt ein Song wie »Master and Servant«, »Stripped«, »Personal Jesus« oder »I feel you«, welcher noch einmal hätte Musikgeschichte schreiben können. Das Album ist keinesfalls schlecht, eher solide und anspruchsvoll. Aber ehrlich, mehr ist auch nicht zu erwarten. Die Herren, welche weit entfernt voneinander in London, New York und Kalifornien leben sind für lediglich fünf Wochen zusammengekommen, um dieses neues Album zu schreiben und einzuspielen. Es gibt eben auch andere Dinge im Leben. Abgesehen von den anstehenden Konzerten Anfang nächsten Jahres lassen wir die Herren Gore, Gahan und Fletcher sicher in den Armen ihrer Familien. Für die drei ist das gesünder und wir können gut mit dem leben, was trotzdem dabei herauskommt.

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