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Sound-CheckDido

Sound-Check: Dido, Life For Rent

Traurig gut und gefährlich.

Ein Plattenspieler.

Dido, Life For Rent
Arista UK (BMG)
Veröffentlichungsdatum: 29. September 2003

  1. White Flag
  2. Stoned
  3. Life For Rent
  4. Mary´s in India
  5. See You When You´re 40
  6. Don´t Leave Home
  7. Who Makes You Feel
  8. Send in My Shoes
  9. Do You Have a Little Time
  10. This Land Is Mine
  11. See the Sun

Wertung: *****

Dido und die dunkle Jahreszeit
Die Winterdepression ist eine saisonal abhängige Depression, die jährlich wiederkommend in der dunklen Jahreszeit auftritt. In dieser Zeit klagen die Betroffenen über Energielosigkeit und übermäßige Traurigkeit. Schwerere Varianten führen zu den gefährlichen Symptomen einer »normalen« Depression. Bis zu 10 Prozent der Bevölkerung in Deutschland leidet unter dieser Art der Depression.

Wie entsteht nun eine Winterdepression? Der Mangel an natürlichem Tageslicht, die verminderte Lichtintensität, kurz: die fehlenden in das Auge einfallenden Lux und die abfallenden Temperaturen gelten als Auslöser. Es ist sehr wahrscheinlich, dass der durch dem Lichtmangel verringerte Neurotransmitter Serotonin an diesem Mechanismus beteiligt ist. Auch die Funktion der Zirbeldrüse (Epiphyse) kann durch den Tageslichtmangel gestört sein, so dass es zu einer Irritation des Melatoninhaushalts kommt. Das Hormon Melatonin ist unter anderem für die Aufrechterhaltung des Schlaf-Wach-Rhythmus verantwortlich. Begünstigt werden kann diese Krankheit zudem auch durch weitere Faktoren. Fraglich ist noch, ob auch traurige Musik einer dieser Faktoren sein kann. Wenn dem so wäre, sei gefährdeten oder bereits erkrankten Personen dringend davon abzuraten, sich das pünktlich zu dieser Zeit erschienene zweite Dido-Album Life For Rent zuzulegen.

Beim zweiten Mal ist alles einfacher
Als die aus Nordlondon stammende Dido Armstrong im Sommer 1999 ihr erstes Album No Angel veröffentlichte, interessierten sich nicht wirklich Massen dafür. Obwohl, immerhin eine Million Mal wurde es dann nach kräftigem Pushen verkauft. Dann jedoch kam der Kindern-ihr-Geld-aus-der-Tasche-Zieher Eminem (musikalisch unumstritten) und bediente sich an Didos Thank You für sein Stan. Und - bumms - No Angel verkaufte sich in der Folgezeit weltweit über 12 Millionen Mal. Wofür ein Eminem doch auch gut sein kann.

Produziert wurde das neue traurige Werk Life For Rent wieder von Rick Nowels. Es trägt mehr als zuvor die Handschrift von Didos Bruders Rollo, seines Zeichens Songwriter bei Faithless. Entstanden ist eine konsequente und sehr nahe Anlehnung an das erste Album mit etwas mehr synthetischem Einschlag. Eingängige Melodien insbesondere in den Refrains, Pop-Schemata, Folk, selten Tanzbares, down beat, die unverwechselbare Note der überspringenden Stimme und eben besagte Traurigkeit vereinen sich gewohnt gekonnt. Für dieses Album wird ein Eminem als Promoter nicht mehr nötig sein.

Unverschämtes Hauchen
Die Single White Flag ist ein Repräsentant dieses nahtlosen Übergangs und erinnert sehr an Here With Me. Als dem ebenso verwandt erweisen sich auch Don´t Leave Home und das Titelstück, welches in der zweiten Hälfte mit einer durch gewaltigen Hall versehenen bridge seinen Weg zum point of no return findet. Bei Stoned könnte einzig der Beat vielleicht etwas Fröhlicheres vermuten lassen; dieses wird jedoch durch die düsteren Massive Attack ähnlichen Klänge zu Beginn und natürlich durch den Gesang schnell zunichte gemacht. Das Stück ist was für Elektronikfans.

Mary´s in India ist ein zurückhaltender, fast schüchterner Song. Wie einst Pink Floyds Wish You Were Here, wenig vergleichbar eigentlich, wäre da nicht dieser verblüffend ähnlich melancholische Stimmabfall am Ende des Refrains. Do You Have a Little Time klingt wie eine Symbiose aus Morcheeba und Portishead. Von ersteren der down beat, von letzteren die orchestrale Theatralik. Ähnliches gilt auch für Who Makes You Feel. Da haucht uns Frau Armstrong fast unverschämt seicht in die Ohren. Nach dem elften gibt´s übrigens noch einen hidden track dazu.


See the Sun
Das Album ist wenig weiterentwickelt. Dido hat aber eine Nische gefunden, die ihr so auf den Leib geschneidert ist und kongenial zu ihrer Stimme passt, dass sie sich in ihr ruhig ein wenig austoben soll. Es bedarf keines Eminems, Echos, Grammys oder Brit- und World-Music-Awards, um zu erkennen, dass England durch Dido wieder einmal beachtliche Musik hervorgebracht hat. Traurig und schön, schön und traurig.

Hissen wir wehmütig die weiße Fahne und geben uns der Depression für diesen Winter geschlagen. Denn Dido singt: »I promise you, you´ll see the sun again.« Na dann.
 
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