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Sound-CheckKeren Ann

Sound-Check: Keren Ann - Not going anywhere

Kompositionen voller Feingefühl

Ein Plattenspieler.

Keren Ann - »Not going anywhere«
Capitol/EMI
Veröffentlichungsdatum: 15. März 2004

1. Not going anywhere
2. Polly
3. Road bin
4. End of may
5. Sailor & widow
6. Sit in the sun
7. Right now & right here
8. Seventeen
9. Spanish song bird
10. By the cathedral
11. Ending song

Wertung: *****

Umstrittene Filme
Wenn das französische Kino in den letzten Jahren Aufsehen erregt hat, dann weniger aufgrund hoher Zuschauerzahlen, als vielmehr wegen seiner Umstrittenheit. Für die einen sind die Filme »Baise moi« (2000), »Intimacy« (2001) und »Irreversibel« (2003) künstlerische Grenzgänger mit höchster Emotionalität; für andere ist die Grenze des guten Geschmacks hierbei weit überschritten. »Intimacy«, die Geschichte einer anfangs rein körperlichen Beziehung, zeit eindeutige Pornografie. »Irreversibel« handelt von einer Vergewaltigung und derer Rache, wobei beide Handlungen mit extremer Brutalität dargestellt werden. »Baise moi« ist die Steigerung vorgenannter Filme, weshalb dieser Film in Deutschland auf den Index geriet und nicht mehr frei verkäuflich ist. Er erzählt die Geschichte zweier gedemütigter Frauen, die sich durch die französische Provinz morden und dabei jede Menge Männer verschlingen. Französische Musik wird hierzulande oft noch weniger wahrgenommen, obwohl sie meist wesentlich weniger umstritten ist.

Englisch mit französischen Untertiteln
Rein französisch ist die Musik von Keren Ann allerdings auch nicht. Zumindest nicht, wenn man ihre Herkunft betrachtet. Keren Ann Zeidel wurde in Israel als Tochter eines russischstämmigen Israeli und einer Niederländerin geboren. Sie verlebte den einen Teil ihrer Kindheit in Israel, den anderen in den Niederlanden. Mit elf Jahren kam Keren Ann nach Paris und studierte zwischenzeitlich in den USA. Früh traf sie den Allround-Produzenten und Partner Benjamin Biolay, der in Deutschland entdeckt wurde und sich als Reformer des französischen Chansons sieht. Mit Biolay nahm Keren Ann ihre ersten beiden französischsprachigen Alben »La biographie de Luka Philipsen« und »La disparition« auf. »Luka« im Titel des ersten Albums bezieht sich eindeutig auf den gleichnamigen Hit Suzanne Vegas, die als Vorbild Keren Anns zu sehen ist. Auf ihrem dritten Album »Not going anywhere« singt Keren Ann Zeidel nun erstmals englisch und ließ sich außer von Biolay auch von dem Isländer Bardi Johannsson co-produzieren.

Sommerbrisen und Sirenen
Betrachtet man die Lieder der Reihe nach, hört sich schon das Titelstück »Not going anywhere« an wie eine laue Sommerbrise, die durch die aufgeheizten Straßen eines kleines Dorfes auf dem Land weht. Ruhig, einfach strukturiert, basierend auf Akustikgitarre und gezielt eingesetzte Streicher. Trotzdem höchst anspruchsvoll. Ähnlich wie die Streicher beim Titelstück wird bei »Polly« zielsicher die Trompete eingesetzt. »Road bin« hört sich musikalisch an wie Tito & Tarantula auf Valium, bluesig, dominiert jedoch von Keren Anns zarten, lieblichen Stimme. »End of may« ist ein bezauberndes Stück. Der Chor klingt wie Sirenen, göttliche Wesen, Mädchen in Vogelleibern, Totenseelen, die Ahnungslose anlocken und verzaubern. Ähnlich zu hören auch bei »Right now & right here«, ein aufwendig arrangiertes Stück. Und so geht es weiter. Es folgen Kompositionen voller Feingefühl. Allesamt nach einer leichten Eingewöhnungsphase unvergesslich.


Unumstritten
Auch wenn oben genannte Filme in einem Atemzug mit dieser Musik erwähnt werden; die Lieder Keren Anns sind zart, ruhig, warm und lieblich. Und friedlich. Trotz Keren Anns Aufwachsen in Israel und Studium in den USA. Und die Musik ist unumstritten. Sie kann somit anders als französische Filme nicht durch Umstrittenheit auffallen. Seit diesem Album singt Keren Ann englisch. Einerseits schade, da etwas Charme verloren geht, andererseits besteht dadurch die Chance, ein größeres Publikum zu erreichen. Das wünschen wir Keren Ann. Ganz unumstritten.