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Sound-CheckKid Alex

Sound-Check: Kid Alex - »Colorz«

Stilvielfalt und Altes im neuen Gewand.

Ein Plattenspieler.

 

Kid Alex - »Colorz«Island Zeitgeist (Universal)
Veröffentlichungsdatum: 19. Januar 2004

 


1. Intro
2. Fame
3. My way
4. Wake up!
5. Young love (Topless)
6. Stereo
7. SMS-skit
8. Material junkie
9. I care
10. St. Tropez
11. Discoteca
12. Remember me
13. My tape skit
14. Emergency
15. Outro

Wertung: *****

CD booklets und die Inspiration
Rubriken wie »Thanks for inspiration:...« oder »XY grüßt:...« sind außer den persönlichen Grüßen einzelner Mitglieder einer Formation weit verbreitet für die Gestaltung und Verzierung eines CD booklets. So liest man immer wieder zweitklassige Regionalcombos Weltstars grüßen. Und das weniger, um den Größen tatsächlich einen sie ohnehin nie erreichenden Gruß zukommen zu lassen, als vielmehr der kleinen eingeschworenen Fangemeinde und den Kritikern die Idole sowie den musikalischen Horizont zu berichten. Und wie ist das mit der Inspiration? Ist das nur die elegantere Variante des stupiden Grüßens mit selbigem Hintergrund, oder geht das tiefer? Hat das Verinnerlichen des Handwerks und der Stilmittel von Vorbildern möglicherweise wirklich manchmal seine Spuren hinterlassen, oder ist auch da der Wunsch Vater des Gedanken?

Aaliya bis Zepplin
Alex Ridha, Hamburger Produzent und Jungstar DJ und Andreas Meid, unter anderem Mixer bei Samy Deluxe, Ferris MC und Fettes Brot sind Kid Alex. »Colorz« ist ihr Debütalbum und beide ließen sich laut booklet umfangreich inspirieren. Von der Rebellion Guns `n` Roses, dem Groove Armand van Heldens, der Rauheit Rick Rubins, von der Verrücktheit der Chili Peppers, der Theatralik David Bowies, der Psychedelik Pink Floyds, der Leichtigkeit Bob Marleys, von Prince Soul, der Anarchie der Sex Pistols, der Gradlinigkeit von The Exploited, dem Pop Nenas, der Elektronik Depeche Modes, den Gitarren Biohazards, dem Proll von Oasis und der Wut Nirvanas, um nur einige der dort aufgeführten zu nennen. Hört man sich vor diesem Hintergrund das Album an, gibt es eigentlich nur eins zu bemängeln: Nein, nicht dass von all dem wenig zu finden wäre, ganz im Gegenteil. Man könnte lediglich bemängeln, dass die beiden schlampig gearbeitet haben - zumindest beim »Thanks for inspiration« - und nicht auch noch The Prodigy stellvertretend für Kraft und Kraftwerk repräsentativ für Minimalismus aufgeführt haben, von denen sie hörbar auch beeinflusst wurden.

Wilde Kombinationen
Würde man sich jetzt mit allen einzelnen Stücken dieses Albums beschäftigen, käme man zwangsweise immer wieder zu Kombinationen des bereits Aufgeführtem zurück. Gut, versuchen wir es einmal. »Material junkie« ist stimmlich früher Bowie, Retrosound mit Synthie Pop, Punk und stampfender Beat. Wer sich fragt, wie das gehen soll, dem sei folgendes Aufschlussreiche gesagt: Es geht. Fast alle songs dieses Albums sind auf ihre Weise Knaller, wenige Ausnahmen wirken vielleicht ein wenig unausgereift, höre »Wake up!«, ein soulig ruhiges Stück, welches gesanglich etwas unprofessionell klingt. »Discoteca« erinnert stark an The Prodigy gekreuzt mit minimalistischem 80er Disco. Kürzlich erst erwähnter DJ Tiga wird beim Hören dieses Stücks in Embryonalstellung gehen. Gleiches gilt für »St. Tropez«, Kraftwerk zu ihren besten Zeiten. Zum Schluss noch das grandiose »Emergency«. Da fehlen die Worte.


Fleißig geschraubt
Man ist völlig hin- und hergerissen beim Genuss dieses Albums. Soll man es jetzt einfach nur genial finden mit all seinem groove und seiner Kraft, der Abgedrehtheit, fast Frechheit, Unbeschwertheit, der Vielfältigkeit und dem Größenwahn? Oder soll man das als pubertäre Blähungen eines 18-jährigen Rotzlöffels werten, der keinen eigenen Stil gefunden hat. Der die Großen und Legenden der neuzeitlichen Musikgeschichte wie Mercedes und Rolls Royce mittels eines Werkzeugkastens auseinander geschraubt und dann den Ferrarimotor wieder in den Bentley eingebaut hat. Klar ist: Im Grunde gibt es nichts neues auf diesem Album. Alle Stilmittel sind - böse ausgedrückt - geklaut, alles kommt einem bekannt und bereits in anderer Form lange vorher gehört vor. Normalerweise ist diese Feststellung ein gewaltiger Tiefschlag für einen Interpreten. Bei Kid Alex kommt dieses »alte« Zeugs jedoch so cool und frisch rüber, man muss es mögen. Und, liebe Bands, versucht es einmal, schreibt »Thanks for Inspiration« anstelle von »Greetings to...«