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Sound-CheckMassive Attack

Sound-Check: Massive Attack, 100th window

Virgin, Erscheinungsdatum: 10. Februar 2003

Ein Plattenspieler.

 

Massive Attack, 100th Window
Label: Virgin
Erscheinungsdatum: 10. Februar 2003

 

  1. Future Proof
  2. What Your Soul Sings
  3. Everywhen
  4. Special Cases
  5. Butterfly Caught
  6. A Prayer for England
  7. Small Time Shot Away
  8. Name Taken
  9. Antistar

Wertung: *****

Januar 1999 in London: An jeder Säule, in jedem Underground hing das Plakat mit dem bedrohlich wirkenden Insekt, welches anzugreifen drohte, sollte Mezzanine, Massive Attacks drittes Studioalbum, nicht den Brit Award für das beste Album des Jahres erhalten. Viele waren überzeugt, das Trio würde mindestens den Award für Teardrop bekommen, diese langsam schleichende, zärtlich melancholische Gänsehautsingle, große Musik und werbeagenturtauglich zugleich.


Sinead O´Connor singt
Es sollte anders kommen - aber widmen wir uns der Gegenwart. Soeben ist mit 100th Window Massive Attacks viertes Studioalbum erschienen. Bei Massive Attack als Band, sofern man sie noch als solche bezeichnen kann, hat sich einiges getan, musikalisch dagegen weniger. Robert del Naja alias 3D ist mittlerweile als Ein-Mann-Projekt allein auf weiter Flur, Grant Marshall alias Daddy G. und Adrian Vowles alias Mushroom haben die Band verlassen, wenn auch in Daddy G.s Fall angeblich nur zeitweilig wegen Familienglücks. Die Voraussetzungen waren also erschwert, dennoch hat 3D sein Bestes gegeben und Leute wie Neil Davidge hinzugezogen, der schon Mezzanine produzierte und sich diesmal am Songwriting beteiligte.

Thematisch bezieht sich 100th Window auf ein Buch namens Dictionary of Now von Charles Jennings und Lori Fener. Inhalt ist die Durchschaubarkeit und Kontrolle des einzelnen im Computerzeitalter. Auch die derzeitige politische Situation hat das Album maßgeblich beeinflusst. So hat 3D zusammen mit Damon Albarn von Blur die Anzeigenaktion »No war on Iraq« gestartet.

Gesanglich unterstützt wurde 3D bei drei Titeln von Sinead O´Connor. Diese versuchte sich ja schon auf dem jüngst erschienene Meilenstein 18 von Moby in Harbour und überzeugte damit alle Kritiker - zu Unrecht: Harbour ist das bescheidenste Stück auf diesem ansonsten überragendem Album.


Berauschender Trip
Da kommt Sinead bei Massive Attack schon besser rüber, besonders bei dem sehr gefühlvollen und melodischen, zum Schluss träumerisch dahinschwebenden What Your Soul Sings. Bei A Prayer for England hätte man sich allerdings eher Alanis Morissette als Gastsängerin gewünscht. Dieses Stück hat eine unterschwellige treibende Kraft, die mit Sinead ansatzweise zum Ausdruck kommt - vielleicht wäre sie es mit Alanis gänzlich. Special cases mit Frau O´Connor ist dagegen Massive Attack pur: mysteriös, psychedelisch verspielt und dubbig.

Wenn man das Album das erste Mal anlaufen läßt und die Töne des Openers Future Proof erklingen, könnte man meinen, diese Scheibe sei doch elektronischer als seine Vorgänger ausgefallen. Diese sprudelnden Elektroklänge ziehen sich zwar durch den ganzen Song, gehen aber in der beklemmenden Gesamtatmosphäre unter.

Small time shot away ist ein berauschender Trip, der von den Vocals 3Ds lebt. Diesen Song bitte vor dem nächsten Zahnarztbesuch hören, und alles wird gut. Horace Andy, der auch schon auf Blue Lines zu hören war, verleiht Everywhen und Name Taken , einem transparenten, aber unheimlichen Song mit seiner markanten Stimme eine eigene Identität.


Etwas weniger als meisterhaft
Alles in allem bleibt es beim düsterem Trip Hop und Dub, gepaart mit elektronischen Klängen und nicht zu vergessen den großzügig gesäten orientalischen Streichern, mit denen auch schon auf Protection experimentiert wurde. Kein Album für die nächste Party, eher was für alle Nichtpsychologiestudenten, die schon mal einen Gedanken daran verschwendet haben, hierauf umzusteigen.

1999 erhielten Massive Attack bedauerlicherweise keinen einzigen Brit Award, das wird sich wohl auch 2003 nicht ändern, dafür ist 100th Window Mezzanine zu ähnlich - etwas weniger als meisterhaft, mehr nicht, denn dafür wäre eine Steigerung nötig gewesen. Auch in der Musik ist Stillstand Rückgang. Aber wenigstens bedroht uns diesmal kein großes schwarzes Insekt.

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