Fenster schließen

Druckansicht http://www.wiwi-treff.de/Sound-Check/Sound-Check-The-Prodigy-Always-outnumbered-never-outgunned/Artikel-1870/drucken

Sound-CheckProdigy

Sound-Check: The Prodigy »Always outnumbered, never outgunned«

Liam Howlett reanimiert The Prodigy

Ein Plattenspieler.

The Prodigy
»Always outnumbered, never outgunned«
XL Recordings/Beggars Group/Indigo
Veröffentlichungsdatum: 23. August 2004

  1. Spitfire
  2. Girls
  3. Memphis Bells
  4. Get Up Get Off
  5. Hot Ride
  6. Wake Up Call
  7. Action Radar
  8. Medusa`s Path
  9. Phoenix
  10. You`ll Be Under My Wheels
  11. The Way It Is
  12. Shoot Down

Wertung: *****

Blühende Landschaften
Blühende Landschaften im Osten der Republik versprach Altbundeskanzler Kohl den Menschen kurz nach der Wiedervereinigung. Jeder erinnert sich an diese Worte. Jeder weiß, die Realität sieht heute anders aus. Jede Menge marode Industriehallen und Schornsteine ehemaliger volkseigener Betriebe, rostende Bahngleise, eingeschmissene Fensterscheiben und wucherndes Unkraut. Freilich, liebe Ossis, hier der Trost: Im Westen nicht anders. 10.000e Firmenpleiten Jahr für Jahr. Alles verkommt. Hat aber auch seinen Reiz. Diese Kulissen wären hervorragend geeignet für zünftige Prodigy Konzerte. Schnell fallen einem diverse Orte ein, an denen Prodigys verpunkte Flecks- und Eisenstangenelektronik am besten rüberkommen würde. Und währenddessen besaufen. Danach ein zünftige Party feiern. Am besten zusammen mit Keith Flint.

Pyromanen feuern
Einen Auftritt der Formation gab`s am 21. November 1997 in der Music Hall Hannover, auf dem ehemaligen Hanomag Gelände. Hanomag war 1983 schon pleite. Das Ambiente dort kam dem der Pleitestaatphantasie schon recht nahe. Keith Flint war auch noch dabei. Fast sieben Jahre später bringt The Prodigy - nun noch mehr nur Liam Howlett - nach dem geschichtsträchtigen »Fat of the land« ein lang ersehntes neues Album an den Markt, ohne Flint. Man munkelt er sei gefeuert - wie amüsant, einen Pyromanen feuern - und geniesse das Leben immer häufiger an der Seite von Donatella Versace. Baby`s got a temper aus dem Jahre 2002 wurde von den Kritikern zerrissen, war auch verglichen einfallslos und deutete auf ein unschönes Ende The Prodigys hin. Howlett ließ sich weitere zwei Jahre Zeit um sich der Öffentlichkeit erneut zu stellen.

Auf dem übelsten Trip
Beim Lauschen ist man hin- und hergerissen. Warum? The Prodigy haben sich verändert. Und so wollte Howlett das auch. Die Stücke sind mannigfaltig und unterschiedlich. »Girls« etwa zeigt längst vergangene Disco Elemente. In Erwartung an den bekannten Prodigy Sound könnte man verwundert sein. Natürlich klingt alles immer noch düster aggressiv elektronisch, jedoch dreckig punkiger. Es dominieren immer deftige Beats, nach wie vor das Markenzeichen. Alles jedoch ohne die Vokals von Ungeheuer Keith Flint. Positiv daran ist - Stillstand ist bekanntermaßen Rückgang. Es musste und sollte etwas passieren. The Prodigy mussten frisch klingen, um sich nicht selbst zu parodieren. Negativ ist - ja was eigentlich? Irgendwie vermisst man doch den Flint. Die an dessen Stelle in »Shoot down« zu hörenden Vokals von Liam Gallagher sind schlicht überflüssig. Sie passen zu The Prodigy wie eine Biene auf die Knackwurst. Anders wiederum beim gewaltigen Breakbeatopener »Spitfire«. Hier singt Juliette Lewis. Sie, die im Tarantino Streifen »From dusk till dawn« das kleine unschuldige Töchterchen spielte. Und diese Lewis schreit so schmutzig und ordinär, als wäre sie auf dem übelsten Trip. Für das punkrockige »Hot Ride« schrieb sie den Text und singt auch. Superb. Klar ist - für »Memphis Bells« wird ein neuer Tanzstil erfunden werden. Laut hören, und die Beine schlackern von selbst.


Am Leben erhalten
Liam Howlett hat es tatsächlich geschafft The Prodigy zu reanimieren. »Always outnumbered, never outgunned« überzeugt bis auf wenige Ausnahmen durch Vielfalt, Abwechslung und gute Sounds. Die vielen verschieden Gastgesänge könnten nicht jedermanns Geschmack sein. Vergessen ist »Baby`s got a temper«. Es geht frisch weiter. Und so wie einige munkeln der Firestarter sei für immer und ewig fired, tuscheln andere, der Flint sei bereits auf einer Tour im Herbst wieder mit von der Partie, ebenso Maxim. Und dann trinken wir Bier und feiern mit Keith Flint.