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Studentenjob & Finanzen

Bundespräsident fordert mehr Geld für Hochschulen

Zum 600-jährigen Bestehen der Universität Leipzig hat Bundespräsident Horst Köhler eine bessere finanzielle Ausstattung der Hochschulen eingefordert.

HHL Leipzig Graduate School of Management

Bundespräsident fordert mehr Geld für Hochschulen
Leipzig  09.12.2009 (ulp) - Zum 600-jährigen Bestehen der Universität Leipzig hat Bundespräsident Horst Köhler eine bessere finanzielle Ausstattung der Hochschulen eingefordert. »Deutschlands Aufwendungen für den Hochschulbereich sind seit Jahren unterdurchschnittlich, die chronische Unterfinanzierung wird in schlechten Betreuungsquoten, maroden Gebäuden und mangelnder Infrastruktur für Forschung und Lehre sichtbar«, sagte Köhler beim Festakt der Universität Leipzig am Mittwoch im Paulinum vor rund 800 Gästen aus fast 20 Nationen. »Die Frage, wie wir unsere Hochschulen weiterentwickeln, ist auch ein Lackmus-Test dafür, wie ernst wir es wirklich meinen mit dem Ziel: der Zukunftsfähigkeit unseres Landes.« Die Universität Leipzig ist die zweitälteste deutsche Universität und wurde vor exakt 600 Jahren, am 2. Dezember 1409, gegründet.

Köhler reagierte auch auf die Studentenproteste der vergangenen Wochen an der so genannten Bologna-Reform: »Das deutsche Hochschulsystem befindet sich im Umbau. Die Notwendigkeit dieses Umbaus ist unbestritten: zu lange Studienzeiten, zu viele Abbrecher, zu schlechte Studienbedingungen, zu wenig Unterstützungsangebote, zu wenig Chancengerechtigkeit.« Gleichzeitig appellierte er: »Wir brauchen endlich eine Exzellenzinitiative für die Lehre. Ich wünsche mir Hochschulen, für deren Selbstbild exzellente Studienbedingungen denselben Rang haben wie exzellente Forschungsergebnisse. Erst wer beides zusammen erreicht, kann wirklich Vorbild sein.«

»Hier im Paulinum wie in unserem Hochschulwesen insgesamt muss noch einiges auf- und umgebaut werden, aber ich bin zuversichtlich, dass wir einen Geist und eine Struktur schaffen können, die in die Zukunft tragen«, schloss Köhler. Der Festakt fand in dem im Bau befindlichen Paulinum statt, einem Aula-Kirche-Bau, errichtet auf dem Terrain der 1968 gesprengten Universitätskirche St. Pauli. Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich bekannte sich zu einem offenen Bildungszugang für alle: »Studiengebühren gibt es deshalb in Sachsen nicht - und wird es auch in Zukunft nicht geben.« Die Hochschulen seien jedoch aufgerufen, Bachelor und Master weiter zu optimieren. Die Politik wolle und dürfe hierbei den Fakultäten nicht hineinreden.

Rektor Prof. Dr. Franz Häuser erinnerte an die Anfänge der Alma Mater, die nicht von einem Fürsten, sondern von Magistern und Scholaren gegründet worden war. Diese besonderen Umstände wirkten bis heute, so Häuser, und würden auch im Leitmotto der Universität »Aus Tradition Grenzen überschreiten« deutlich. Als Beispiele nannte Häuser die Profilbildenden Forschungsbereiche, in denen auf zukunftsträchtigen und forschungsstark vertretenen Gebieten disziplin- und universitätsübergreifende Kooperationen mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen geführt würden, oder die Gründung der Research Academy Leipzig (RAL) zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses.

»Sie führt fakultäts- und universitätsübergreifend alle strukturierten Promotionsprogramme der Universität zusammen, darunter als Bespiele die Graduiertenschule Leipzig School of Natural Sciences - Building with Molecules and Nano-objects und drei Internationale Max Planck Research Schools», berichtete Häuser. Für den Erfolg der Einrichtung spricht nach Häusers Worten auch, dass bereits fast 30 Prozent der Doktorandinnen und Doktoranden der RAL aus dem Ausland kommen, die in Leipzig neben beispielhaften Arbeitsbedingungen ein dichtes Netz internationaler Kooperationen vorfinden.

Auch die Auseinandersetzungen und Proteste rund um den so genannten Bologna-Prozess ließ Rektor Häuser nicht unerwähnt. Der Bologna-Prozess habe zu lahmen begonnen, bevor die entscheidende Grenze überhaupt habe ins Visier geraten können, konstatierte Häuser. »Ich meine den Durchbruch zu Bachelor-Abschlüssen, die mehr sind als zertifizierte Studienabbrüche und die den Absolventen intakte Berufschancen eröffnen«, definierte er seinen eigenen Anspruch. Es sei als ob sich alle Akteure, wenn auch aus unterschiedlichen Motiven, verschworen hätten, dieses heikle Thema nicht anzurühren, kritisierte der Rektor. »Man kann den Eskapismus vielleicht sogar verstehen, denn im Zuge dieser Grenzüberschreitung könnten sich Verwerfungen ergeben, gegen die sich das momentane Tohuwabohu wie ein sanftes Plätschern ausnimmt«, warnte er. Trotzdem führe kein Weg daran vorbei, wenn man die Reise nach Bologna nicht vorzeitig abbrechen wolle.

»Leipzig braucht eine Universität, die den Geist unserer Stadt prägt, die unserer Wirtschaft Impulse verleiht und das internationale Renommee unserer Stadt befördert«, erklärte Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung. Wie Jung weiter sagte, kann niemand den Universitäten die Kunst zu denken und die kritische Befragung der eigenen Gegenwart abnehmen. Hierbei seien alle Wissenschaften gefordert. »Natürlich die Geistes- und Sozialwissenschaften, aber auch die Technik- und Naturwissenschaften stehen in keiner gesellschaftlichen Unschuld. Was heute Innovation ist, wird morgen Teil der Lösung oder Bestandteil der Probleme sein, die uns alle betreffen«, erklärte er. Die anwendungsorientierten Potenziale der Leipziger Universität seien ausbaufähig, ohne zu vergessen, dass gerade in den zukunftsträchtigen Bereichen Medizin/Biotechnologie, Medien/Informatik und Umwelt/Energie in den letzten Jahren hochmoderne Studiengänge und Forschungsprofile entstanden seien.

Der Sprecher des StudentInnenRates, Simon Schultz von Dratzig beklagte, dass die Universität im Jubiläumsjahr die Chance einer kritischen Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte vor allem zu Zeiten der NS-Diktatur und während der DDR versäumt habe. »Es ist betrüblich, dass die Möglichkeiten zur Schaffung einer reflektierenden Erinnerungskultur, die ein Jubiläum und die schon vorhandenen akademische Aufarbeitung bieten, ausgeschlagen werden«, so der StuRa-Sprecher. »Viel wichtiger wäre, erst recht unter einem wissenschaftlichen Anspruch, eine kritische und vor allem öffentliche Aufarbeitung aller Geschehnisse des vergangenen Säkulums und vor allem der eigenen Involvierung in Taten und Untaten.«