Liebe Community ich befinde mich gerade zwecks meinem Studium und meinem weiteren Werdegang in einem Zwiespalt.

Erstmal zu mir ich bin gelernter Industriemechaniker, der sein Fachabitur auf dem zweiten Bildungsweg (BOS) nachgeholt hat und anschließend ein Studium im Wirtschaftsingenieurwesen begonnen hat. Derzeit befinde ich mich im 6. Semester und muss noch einige Klausuren nachschreiben. Also ich werde mein Studium warscheinlich erst nach 8 Semestern abschließen.

Jetzt habe ich mir letztens überlegt mich auf Meisterstellen zu bewerben, da ich echt gerne wieder Vollzeit arbeiten möchte und wieder gut verdienen möchte, auch aufgrund von privaten Gründen. Ich habe auch schon eine Teamleiterstelle in der Montage angeboten bekommen bei der ich zwischen 5700 und 6100 Brutto kriegen würde.

Die Firma würde mich dann anhand meiner Berufsausbildung und Berufserfahrung einstellen und nicht auf Basis meines Studiums. Ich würde dann mein Studium nebenbei zuende machen und dann erstmal Berufserfahrung sammeln und mich dann auf eine Führungsposition bewerben, bei der ein Studium gefordert ist. Da ich ja dann gehaltstechnisch sowieso besser aufgestellt wäre wie mit jeder Einstiegsakademikerstelle im normalen Angestelltenverhältnis, stehe ich jetzt im Zwiespalt. Ich fände diese Tätigkeit auch sehr interessant. Nun stelle ich mir aber einige Fragen, da ich Angst habe mir durch diese Tätigkeit mein Studium zu entwerten.

1. Haltet ihr dies für eine sinnvolle Idee oder würdet ihr noch 1 Jahr warten und das Studium fertig machen und euch dann auf eine Akademikerstelle bewerben, in der Hoffnung dort mal zur Führungskraft aufzusteigen?

2. Denkt ihr ich würde durch diese Stelle meine Akademikerlaufbahn behindern oder denkt ihr diese Stelle wäre ein Sprungbrett um Karriere zu machen?

3. Ist eine frühe Führungserfahrung (Nichtakademiker) oder eine frühe Spezialistenlaufbahn (Akademiker) das bessere Sprungbrett um aufzusteigen?

4. Was wäre denn wenn ich irgendwann doch merke dass ich eher im stark akademischen Bereich arbeiten möchte (z.b Entwicklung), wäre dies mir dann aufgrund meiner nichtakademischen Berufserfahrung verwehrt, obwohl ich ein Studium abgeschlossen habe?

Ich freue mich auf euere Hilfe, ich bin momentan echt im Zwiespalt was die bessere Idee ist.

Jetzt bist du im Stoff und Lernen noch besser drin. Mach das Studium unbedingt fertig. Später nebenher wird nur eine jahrelange Quälerei. Die Jobangebote laufen dir nicht weg und mit Studienabschluss bekommst du eher noch mehr und vermutlich noch bessere Angebote.

Aber wenn du unbedingt willst, ist der andere Weg auch sehr gut nur vielleicht der härtere.

Ich würde die Stelle nehmen

Das sind also 70k € pro Jahr.
Mit einem Bachelor als Wing wirst du die nächsten 10 Jahre auch nicht recht viel mehr verdienen.
Nimm die Stelle und mach dein Studium nebenbei.

Beende das Studium, nehme vielleicht eine werksstudentenstelle nebenbei. es parallel zu einer vollzeitstelle zu beenden ist für die allermeisten eine krasse quälerei. Ist auch die Frage, ob du das überhaupt darfst, darf man nämlich nicht immer, der studentenstatus in Deutschland ist speziell. Deine Ausbildung (und vorherige Berufserfahrung?) werden dir nicht im Weg stehen, viele finden es gut, wenn Leute vorher Praxiserfahrungen sammeln konnten und nicht nur Schule und Uni kennen. Langfristig sind die Chancen, die dir das Studium gibt besser.

Die 5700 bis 6100 brutto, was ja eventuell mit Weihnachts- und Urlaubsgeld, schon über 80.000 brutto Jahresgehalt wären, sind auch als "Akademiker" praktisch nicht sofort, sondern nur nach Jahren zu erzielen. Das Angebot ist ein Glückstreffer und wenn du jetzt einsteigst, nimmst du in der Regel noch Tariferhöhungen mit.

Bedenke auch etwas anderes. Bis du mit dem Studium fertig bist, wird sich die wirtschaftliche Lage weiter verschärft haben, denn ein Abschwung ist unvermeidlich. Ob du überhaupt gute Angebot bekommen wirst, ist sehr fraglich und so ein gutes halte ich für unwahrscheinlich. Ich glaube du überschätzt die Gehälter von Akademikern massiv.

Überhaupt gibt es keine "Akademikerarbeitsplätze". sondern nur Arbeitsplätze. Im Jahr 2022 sind nämlich alle Akademiker. 55% der Menschen zwischen 26 und 35 haben ein akademisches Studium. Es studieren inzwischen knapp 60% eines Jahrgangs und all diese Menschen verdienen im Schnitt nicht mehr als ein normaler Facharbeiter. Und landen wirklich 55% der Bevölkerung auf "Akademikerarbeitsplätzen?"

Ich denke, du hast sehr veraltete Vorstellungen eines Akademikerstatus- und gehaltes. 80% der Akademiker träumen von dem Gehalt, das du heute schon bekommen kannst. Und zwar als Endgehalt nach 30 Jahren BE, nicht als Einstiegsgehalt. Bitte auch nicht vergessen, dass wir ziemlich sicher in einer Wirtschaftskrise kommen werden und die Industrie dann Leute frei- oder in Kurzarbeit setzen muss. Besser jetzt was haben, als nächstes oder übernächstes Jahr was suchen müssen. Dann könnte es auch für Spezialisten schwer werden.