BWL oder nicht - Einzelhandelskauffrau sucht Rat
Liebe Wiwis,
ich heiße Tanja, bin gelernte Einzelhandelskauffrau und habe die Fachhochschulreife.
Ich stehe gerade vor einer sehr schweren Entscheidung und hoffe, dass ich hier ein wenig Rat bekommen kann.
Natürlich soll und kann mir niemand meine Entscheidung abnehmen, aber ich gehe im Moment viele Wege, die mir bei meiner Entscheidung helfen könnten. So möglicherweise auch Eure Eindrücke. Ich habe mich schon viel informiert und hoffe, hier neue Eindrücke, Ratschläge und Meinungen zu erhalten.
Nach einem Karriereknick im letzten Jahr entschloss ich mich die Möglichkeiten meiner Fachhochschulreife zu nutzen und mit damals 27 Jahren nochmal ein Studium aufzunehmen zwecks Weiterbildung.
Nachdem ich mir in meiner ehemaligen Firma fast 2 Jahre regelrecht den A. für den Job aufgerissen und mich teils sogar über meine Grenzen hinaus für den Job aufgeopfert hatte, bewarb ich mich, wie viele andere Kollegen, um eine der regelmäßig ausgeschriebenen Stellen zur Beförderung. Trotz Befähigung wurde ich abgewiesen mit der Begründung, ich sei zu "nett". Dabei hatte ich bereits mehrfach bewiesen, dass ich auch Führungsaufgaben übernehmen kann.
Dies war ein Wendepunkt, da ich nicht mehr bereit war mich für ein Unternehmen geradezu aufzuopfern, das meine Leistungen nicht würdigte und mich zudem auch noch trotz Ausbildung und Berufserfahrung zu schlecht bezahlte. Allen Unannehmlichkeiten, die der Job mit sich brachte (u.a. auch das tägliche Pendeln von insgesamt 4 Stunden und dadurch erhebliche Einschnitte in mein Privatleben) trotzte ich und hielt ihnen stand - immer der Annahme, dass sich meine harte Arbeit bald auszahlen würde in Form einer Beförderung. Wie erwähnt, passierte dies nicht.
So sah ich mich nach alternativen Möglichkeiten um.
Bereits damals erwog ich ein BWL-Studium, stellte es aber aufgrund größerer Lücken auf dem Gebiet der Mathematik wieder zurück. Hatte ich schließlich in der 3jährigen Ausbildung, sowie in den letzten 3 Jahren meiner Berufspraxis nie mehr wie die vier Grundrechenarten benötigt. Zudem riet mir eine damalige Schulfreundin eindringlich von BWL ab, da sie es selbst nur im Nebenfach hat und trotz 13 Punkte in Mathe im mündlichen Abi durch zwei Klausuren gefallen sei, die ihr eigentlich thematisch hätten vertraut sein müssen. Außerdem kenne sie viele, die bereits damals Probleme in Mathe gehabt hätten und BWL aufgrunddessen wieder verworfen hätten.
So entschied ich mich, nach langem hin und her, für ein geisteswissenschaftliches Studium. Hier in Hessen ist das Studieren jedes Bachelors auch mit Fachhochschulreife möglich (außer Uni Frankfurt), also nutzte ich die Möglichkeit.
Aufgrund meiner Affinität zu Sprache und dem Rat meiner ehemaligen Schulfreundin, dass etwas geisteswissenschaftliches zu mir passen würde, entschied ich mich für den Studiengang.
Eine Mischung aus Germanistik, Linguistik, Anglistik und Romanische Philologie.
Meine Motivation war gut, doch immer mehr häuften sich innerlich die Zweifel, was ich mit diesem Studiengang überhaupt einmal anfangen könnte. Mehrere Gespräche mit ehemaligen Absolventinnen, die dem Studiengang eine sehr schlechte Aussicht auf dem Arbeitsmarkt und eine sehr berufsferne Orientierung bescheinigten, versetzten meiner Motivation den Todesstoß. Bestätigten diese Aussagen doch voll und ganz meine Zweifel und gaben mir auch keine Antwort darauf, was ich mit diesem praxisfernen Studium einmal beruflich machen könnte.
Immer mehr kristallisierte sich bis jetzt heraus: Der Studiengang ist nichts halbes und nichts ganzes. Und gedanklich habe ich mich mehr und mehr bereits davon verabschiedet.
Für mich wurde mehr und mehr klar: Eine andere Weiterbildung muss her. Da das vor einem Jahr verworfene BWL für mich aufgrund meiner Ausbildung immer noch die von allen am sinnvollsten erscheinende Lösung war, begann ich den Stier bei den Hörnern zu packen. Seit Ende Februar arbeite ich konsequent den erfolgreich verdrängten Mathematik-Stoff seit der Mittelstufe mit Hilfe von Mathebüchern und Lernvideos durch. Natürlich sind das alles erst die Grundlagen. Aber da ich in meinem Beruf nie mehr als die vier Grundrechenarten gebraucht habe, ist der Rest mangels Anwendung leider fast vollständig vergessen. Hinzu kommt, dass ich schon damals kein Mathe-Freund war, was aber eher an eigener Faulheit und der fehlenden Bezugsmöglichkeit lag.
Mindern kann das das Risiko natürlich nicht, dass, sofern ich zum Wintersemester 2012/2013 doch mit BWL beginne, das Studium aufgrund meiner Mathekenntnisse in die Hose geht.
Meine Einschätzung, dass ich viele Lücken auf dem Gebiet der Mathematik habe, wurden heute von einem psychologischen Eignungstest der Berufsberatung der Agentur für Arbeit bestätigt.
Das Ergebnis dieses Tests war eindeutig:
Die geistigen Fähigkeiten wäre da, aber dem gegenüber stehen meine nicht ganz unerheblichen Lücken auf dem Gebiet der Mathematik - prophezeit wurde mir ein steiniger Weg und ein nicht ganz unerhebliches Risiko, dass das mit BWL in die Hose gehen könnte, sofern ich nicht richtig reinhaue was Mathe angeht. Deckt sich durchaus mit meinen Eindrücken. Immerhin reichen meine Lücken von der Mittelstufe bis hin zum Wissen aus der Oberstufe.
Ich weiß zwar nicht wieviel Bedeutung man solchen Tests schenken und wie stark man das Ergebnis eines solchen Tests bewerten sollte, mein Manko war auch, dass bei diesem Test kein Taschenrechner erlaubt war und ich ohnehin nicht die beste Kopfrechnerin bin. Zudem wurden aber auch Gebiete der Mathematik abgefragt, die ich bereits aus der Schulzeit mangels Anwendung erfolgreich verdrängt hatte.
So manch einer wird sich sicherlich fragen, wieso ich überhaupt ein BWL-Studium erwäge.
1.) Flexiblere Einsatzmöglichkeiten hinterher:
Eine Fortbildung wie der "Handelsfachwirt" z.B. spezialisieren sich nur auf den Handel. Nach einem BWL-Studium wäre ich beispielsweise nicht nur auf den Handel festgelegt
2.) Ich bekäme eher einen Studienplatz als einen Ausbildungsplatz zur Handelsfachwirtin
Durch meine Berufspraxis habe ich mittlerweile (bis Oktober 2011 - ab da zählt es aufgrund meiner Immatrikulation ja nicht weiter) 6 Wartesemester, also bekäme ich eher einen Platz für ein Studium. Für Ausbildungsplätze muss man sich jedoch bei Unternehmen bewerben. Solche Plätze sind aber nicht so häufig und wenn man nichts bekommt, hat man Pech gehabt - wie bei einer normalen Lehrstelle auch. Dem stehen viele mögliche Unis und FHs gegenüber, wo ich studieren könnte und wie gesagt aufgrund von Wartesemestern eher rein käme.
3.) Ich merke ich kann mehr
Bereits in meinem alten Job habe ich gemerkt, dass ich mehr kann. Doch durch die regelrecht willkürliche Besetzung dieser Beförderungsstellen in meiner alten Firma wurde ich übergangen.
Stattdessen verbleibe ich immer in meiner alten Position.
4.) Mein gelernter Job ist monoton und ohne Perspektive
Ich habe auch keine Lust ein Leben lang in einem Beruf zu arbeiten wo ich mir bei einem Hungerlohn den A. aufreiße ohne die Aussicht, dass es jemals besser wird. Oder ohne die Aussicht auf ein Fortkommen. Theoretisch gab es diese Aussicht in meiner alten Firma - dort hatte ich trotz harter Arbeit jedoch das Nachsehen.
Deshalb muss jetzt echt was passieren bei mir. Oder ich gammele ein Leben lang für nen Schrottlohn in nem Supermarkt an der Kasse rum oder schleppe schwere Kisten für schlechte Bezahlung. Ein körperlich fordernder Job, der mit der Zeit sehr monoton wird. Das ist wirklich nicht meine Welt.
Und ich möchte schon einen Job haben, bei dem ich nicht so viel verdiene, dass ich grade so über die Runden komme.
5.) Gewisse Nähe zum gelernten Beruf
Auch wenn man meine Ausbildung sicher nicht mit einem BWL-Studium vergleichen kann, so könnte ich vom Stoff her zumindest noch eher Brücken zum erlernten Beruf im Handel schlagen, als mit dem Studium was ich jetzt mache (und welches für mich ohne eine mögliche Berufstätigkeit enden würde).
6.) Außerbetriebliche Weiterbildungen (z.B. Handelsfachwirt) kosten Geld
Selbst wenn ich doch kein BWL-Studium mache und mich doch für die Weiterbildung zur Handelsfachwirtin entscheide, so stünde ich für den Fall, dass ich keine Ausbildungsstelle erhalte, vor der Alternative, einen außerbetrieblichen Lehrgang einer Bildungseinrichtung zu belegen, der einen zur Handelsfachwirtin ausbildet. Diese Lehrgänge sind jedoch meist mit recht hohen Kosten verbunden - Kosten, die ich nicht aufbringen kann.
Sicher habe ich noch mehr Gründe, die für ein BWL-Studium sprechen würden - die fallen mir nur grade nicht ein :)
Ich weiß, ihr Lieben, das war sehr viel Text zum Lesen :D
Aber jetzt habt ihr einen Einblick in meine Situation und könnt mir vielleicht einen Rat geben.
Ich bin in jedem Fall über wohlwollende Hilfe und Ratschläge sehr dankbar, die mir bei meiner Entscheidung helfen könnten :)
Viele liebe Grüße :)
Tanja