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Studienort: Uni/FH-WahlStudiengebühren

FiBS-Gutachten zum Studiengebühren-Entwurf in Niedersachsen

Der niedersächsische Gesetzentwurf zu Studiengebühren zeigt, wie schwierig es ist, ein gutes Studiengebührengesetz zu verfassen. So droht vielen Studierenden während der Rückzahlung ein niedriges Einkommen.

Ein roter Briefschlitz an einer roten Tür.

FiBS-Gutachten zum Studiengebühren-Entwurf in Niedersachsen
Köln, 14.12.2005 (fibs) - In einem Gutachten analysiert Dr. Dieter Dohmen, Leiter des Forschungsinstituts für Bildungs- und Sozialökonomie (FiBS) und langjähriger Experte für Studien- und Hochschulfinanzierung, den Entwurf der niedersächsischen Landesregierung zur Einführung von Studiengebühren. Der Kölner Bildungsökonom sieht in bundesweit und fächerübergreifend einheitlichen Studiengebühren ein durchaus sinnvolles Instrument der Hochschulfinanzierung, das die Studienbedingungen verbessern kann. Der Entwurf jedoch zeigt im Detail einige handwerkliche Schwächen. So bleiben nicht nur zentrale Regelungen für den Ausfallfonds oder die Rückzahlung offen, sondern es lassen sich auch erhebliche Risiken für Studierende und Hochschulen identifizieren. Die Ergebnisse des Gutachtens, das als FiBS-Forum Nr. 30 erscheint, werden nachfolgend dargestellt.

1. Das Gutachten begrüßt die Tatsache, dass die Gebühren eine für alle Hochschulen einheitliche Höhe von EUR 500 haben sollen. Dies erscheint sowohl aus ökonomischen wie aus regionalpolitischen Gründen vorteilhaft. Auch wenn der Landesrechnungshof die unterschiedliche Bedeutung der Gebühreneinnahmen für die einzelnen Hochschulen hervorhebt, wäre nicht auszuschließen, dass differenzierte Gebühren zu noch größeren Verwerfungen führen würden. Da zudem die großen Hochschulen Standort- und fächerstrukturelle Vorteile haben, wären sie besser gestellt als andere Hochschulen, ohne a priori qualitativ besser sein zu müssen.

2. Für die Studierenden hängen die Höhe des Studiendarlehens und die daraus folgende Belastung bei der Rückzahlung von der Studiendauer und dem jeweiligen Zinssatz ab. Die gebührenbedingte Kreditaufnahme steigt von EUR 3.400 für ein sechssemestriges Bachelorstudium auf EUR 6.000 für ein zehnsemestriges Bachelor- und Masterstudium an. Geht man von der derzeitigen durchschnittlichen Studiendauer von zwölf Semestern aus, sind es schnell EUR 7.500. Bis zum Rückzahlungsbeginn zwei Jahre nach Studienende erhöht sich die Kreditbelastung bei einem Zinssatz von sieben Prozent auf EUR 3.900, EUR 7.000 bzw. EUR 8.700.

3. Wenn Studierende gleichzeitig ein BAföG-Darlehen aufnehmen müssen, steigt die Darlehensschuld gerade für Studierende aus einkommensschwachen Familien häufig auf über EUR 15.000 an. Es ist davon auszugehen, dass dies bis zu drei Viertel aller BAföG-geförderten Studierenden im Land betrifft.

4. Auch wenn der Gesetzentwurf vorsieht, dass darüber hinausgehende Kreditbelastungen durch den Ausfallfonds getragen werden sollen, kann dies insbesondere bei Alleinerziehenden, Teilzeit-Erwerbstätigen oder Arbeitslosen zu einer kaum zu finanzierenden Belastung werden. Deutlich wird dabei auch, dass insbesondere Alleinerziehenden unverhältnismäßig wenig Einkommen verbleibt.

5. Dies gilt insbesondere dann, wenn die vorgesehenen Einkommensgrenzen sich tatsächlich an den BAföG-Freibeträgen orientieren sollten, ohne dessen Einkommensanrechnung zu übernehmen. In diesem Fall müsste die Rückzahlung ab einem Brutto-Einkommen von EUR 1.060 erfolgen. Zieht man davon nur Sozialabgaben und Steuern sowie Miete und Lebenshaltung ab, dann bleibt kaum noch Geld übrig, um das Darlehen zu tilgen. Der Gesetzentwurf klärt bedauerlicherweise nicht, ob darüber hinaus auch die Anrechnungsvorschriften des BAföG angewendet werden sollen. Dies würde einerseits ein akzeptableres, wenn auch kein hohes Einkommensniveau ermöglichen, andererseits aber den Ausfallfonds stärker belasten.

6. Der Ausfallfonds soll zunächst die über EUR 15.000 hinausgehenden Kreditlasten durch BAföG und Studienkredit übernehmen. Eine realistische Berechnung zeigt, dass allein durch die Ablösung dieser Beträge mit Ausfällen in einer Größenordnung von EUR 15 bis 19 Mio. pro Jahr bzw. 13 bis 16 Prozent der gesamten Gebühreneinnahmen zu rechnen ist - vorausgesetzt, die Zinsen bleiben auf dem derzeitigen niedrigen Niveau. Sollen zudem auch die Raten abgelöst werden, die aufgrund eines geringen Einkommens nicht gezahlt werden können, dann erhöht sich die Belastung um weitere fünf Prozentpunkte. Der Gesetzentwurf bleibt diesbezüglich allerdings unklar. Ist dies nicht vorgesehen, droht bei längerer Zahlungsunfähigkeit eine Überschuldung.

7. Die Ausfallrisiken gehen zu Lasten der Hochschulen, deren Nettoeinnahmen sich durch den hohen administrativen und juristischen Aufwand, der sich aus zu erwartenden Rechtsstreitigkeiten ergeben wird, weiter verringert.

8. Die mit dem Studiengebühren-Entwurf angestrebte Verbesserung der Studienbedingungen kann angesichts der verfassungsrechtlichen Unvereinbarkeit von zusätzlichen Personaleinstellungen für die Verbesserung der Lehre mit dem Kapazitätsrecht nur begrenzt umgesetzt werden. Die politische Gestaltungsfähigkeit scheint hier im Netz rechtlicher Vorschriften verfangen zu sein.

9. Die unterschiedlichen Regelungen in den vier Bundesländern, die Gebühren erheben wollen, führen zu einer erheblichen Intransparenz, wer wo welche Gebühren zahlen muss oder welche Darlehenskonditionen und Ausnahmeregelungen gelten. Auch wenn man dies Wettbewerbsföderalismus nennen könnte, stellt sich schon die Frage, ob dies nicht eher die Mobilität von Studierenden behindert. So sind die Regelungen bezüglich Kindererziehung oder Höchstverschuldung sehr unterschiedlich und es bleibt bei einem Studium in mehreren Bundesländern fraglich, ob nicht alle Kredite gleichzeitig zurückgezahlt werden müssten. Hier sollte dringend eine bundesweit einheitliche Regelung durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) angestrebt werden. Dies könnte auch niedrigere Zinssätze ermöglichen.

»Studiengebühren können durchaus einen Beitrag zur Verbesserung des Hochschulsystems leisten, wenn sie sorgfältig durchdacht und konstruiert werden«, so der Leiter des FiBS, Dr. Dieter Dohmen. »Der niedersächsische Gesetzentwurf zeigt allerdings sehr deutlich, dass dies keine einfache Aufgabe ist. So werden die Ausfallrisiken bisher deutlich unterschätzt und während der Rückzahlung droht vielen AkademikerInnen ein Leben in Armut, wenn die Einkommensanrechnungsvorschriften des BAföG nicht übernommen werden. In diesem Fall wären aber Ausfälle von zwanzig Prozent und mehr zu erwarten, insbesondere wenn die Zinsen weiter steigen. Fraglich ist insbesondere, inwieweit sich die Studienbedingungen wirklich verbessern werden, wenn kein zusätzliches Lehrpersonal eingestellt werden kann. Zwar versucht der Gesetzentwurf diesen Mangel zu beheben, doch wirft er damit verfassungsrechtliche Fragen auf und zeigt, wie eng die rechtlichen Freiräume sind.«

Das FiBS-Forum Nr. 30 steht auf der Homepage des FiBS als pdf-Datei zum Herunterladen zur Verfügung.

http://www.fibs-koeln.de