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Studienstart & StudiumStudien-Tipps

Fit fürs Studium

Dr. Rüdiger Dahlke ist Arzt, Autor zahlreicher Fachbücher und Unternehmensberater. Martin Hellwig sprach mit ihm über die Voraussetzungen geistiger und körperlicher Fitness im Studium.

Wie lassen sich Lernprozesse durch Bewegung optimieren?

Das Gymnasium war früher eine Turnhalle, das darf man nicht vergessen. Dort wurde früher gehend gelernt. Lateinische unregelmäßige Vokabeln haben wir selber im Gehen gelernt, weil es dann eben leichter ist. Die Durchblutung ist besser. Wenn ich still sitze, sinkt mein Blut ab. Wenn ich hingegen in Bewegung bin, bin ich bis zum Hirn gut durchblutet. Und zum Denken braucht man einfach mehr Blut. Mein Tipp für Studierende lautet: Immer mal wieder aufstehen und sich gezielt bewegen.

Studierende bleiben dennoch häufig am Schreibtisch kleben.

Das ist es eben. Die Leute denken, dass sie keine Zeit für Übungen haben. Die Erfahrung zeigt aber, dass man damit eher Zeit gewinnt.

Zu welchen Sportarten würden Sie Studierenden raten?

Das Einfachste ist natürlich das Joggen. Und wichtig ist, dass man sich nicht erschöpft, da man sonst müde wird. Man sollte also nicht hechelnd, sondern im Sauerstoffgleichgewicht unterwegs sein. So, dass man noch ruhig und gut durch die Nase atmen kann, es einem gut dabei geht und man genug Sauerstoff tankt. Sie können natürlich genauso Rad fahren. Da ist es ein bisschen schwieriger, im Sauerstoffgleichgewicht zu bleiben, und zugleich landschaftsabhängig. Zudem empfehle ich u.a. Inlineskaten, Rudern, Aerobic und Jazztanz.

Welche Tipps können Sie Bildschirm-Arbeitern geben?

Bei der Arbeit am Bildschirm haben wir immer die gleiche Brechung der Linse. Das führt natürlich zu einer Verkrampfung. Es wäre gut, wenn man einfach mal in die Ferne schaut. Jetzt sitzt der Student ja in seiner Bude und hat gar nicht die Möglichkeit dazu. Da sollte er mal ans Fenster gehen und in die Ferne schauen. Das ist für die Augen wirklich eine Wohltat und entspannend. Das kann man natürlich mit der Zeit auch im Zimmer machen. Das ist auf jeden Fall eine Sache, die den Augen wirklich gut tut.

Immer mehr Studien belegen, dass Studierende unter Kopfschmerzen leiden. Ist eine falsche Ernährung die Ursache?

Das kann überall herrühren. Das kann von einer Fehlhaltung kommen, von der Halswirbelsäule, es kann hormonell sein. Sicherlich ist es gut, wenn man bei Kopfschmerzen einfach die Arbeit mal unterbricht und sich nicht zwingt weiterzumachen. Wer sich den Kopf zerbricht, dem tut der Kopf eben weh.

Sie sprechen in Ihren Büchern auch von Ernährungs-Todsünden. Welche sind das?

Eine schwere Sünde ist erst einmal die falsche Zusammensetzung unserer Nahrung: Zu viel Fett- und Eiweißkalorien und zu wenig Kohlenhydrate.
Die Todsünde überhaupt sind raffinierte Kohlenhydrate. Dabei kann man sich leicht vollwertige Kohlenhydrate besorgen: vollwertiges Öl zum Beispiel.

Haben Vollwertprodukte nicht ein erhebliches Imageproblem?

Ja, das ist tatsächlich so. Nur etwa acht Prozent der Deutschen ernähren sich auf diese Weise. Das liegt natürlich auch an diesen ganzen „Gesund-Lebe-Typen“, die zur Gesundheitsmesse gehen, diese verhärmten, blassen Typen. Die sind natürlich keine Reklame für die Sache. Es wird ja mit den Qualitätssiegeln daran gearbeitet. In der österreichischen Ski-Nationalmannschaft gibt es überhaupt niemanden mehr, der nicht vollwertig ist. Weil die einfach kapiert haben, wenn wir gewinnen wollen, dann geht´’s nicht anders.

Die Botschaft lautet also Erfolg durch gesunde vollwertige Ernährung?

Gar keine Frage. Ich rede schneller als mein Umfeld, ich schreibe schneller und denke schneller. Das hat sicherlich auch damit zu tun, dass ich mich sinnvoll bewege, ernähre, entspanne.

Können Sie unseren Lesern weitere Tipps in punkto Ernährung geben?

Bienenprodukte sind sehr gut für Geistesakrobaten. Eine gute Sache ist - aber nicht kurzfristig - das Fasten, weil es einfach alles säubert, auch das Hirn, und es ist ganz erstaunlich, wie klar Sie denken können - das hängt natürlich davon ab, wie verdreckt Ihr Körper vorher ist. Wenn Sie schon oft gefastet haben, ist das ein Genuss. Wenn Sie vorher noch nie gefastet haben, kann es sein, dass Sie eine Euphorie verspüren. Es kann aber auch sein, dass es Ihnen zunächst einmal schlecht geht. Wenn Sie in den letzten fünf Jahren nur von Hamburgern gelebt haben, geht es Ihnen nicht so gut. Aber insgesamt ist es völlig verblüffend, wie klar der Kopf wird.

Die meisten Bücher, die ich geschrieben habe, habe ich „nüchtern“ geschrieben. Also während des Fastens. Oder morgens von sechs bis zwölf. Ich esse mittags das erste Mal. Und dann bin ich halt nüchtern am Vormittag. Das Trinken ist ein wichtiger Punkt. Man sollte genug gutes Wasser trinken, besonders Gehirnakrobaten. Sie können mit Sauerstoff angereichertes Wasser trinken. Ich merke das selber - auch bei der österreichischen Ski-Nationalmannschaft, bei Leistungssportlern. Unser normales Leitungswasser hat nicht mehr diesen Sauerstoffgehalt. Sie sind - wenn Sie angereichertes Wasser trinken - energetischer, wacher.

Wie sollte man vor Prüfungen und in der Examenszeit frühstücken?

Ich würde auf jeden Fall Kohlenhydrate zu mir nehmen, die den Blutzucker nicht so schnell ansteigen lassen. Nach dem Verzehr von raffinierten Kohlenhydraten gerät man schnell in eine Unterzuckerung. Unterzucker ist in seiner Wirkung furchtbar. Man ist unkonzentriert, weil das Gehirn schlecht durchblutet wird. Das ist der Grund, warum eine Stunde nach dem Essen laut einer ADAC-Studie statistisch die meisten Unfälle geschehen. Nachdem Sie sich diese ganzen Mars-Riegel „reingeschoben“ haben, fühlen Sie sich zunächst eine Stunde topfit, dann gibt es einen rapiden Energieabfall.

Dieser Umstand ist ganz leicht zu erklären. Der Körper war während der Evolution nie einen so schnellen Anstieg des Blutzuckers gewohnt, weil er keine raffinierten Kohlenhydrate bekommen hat. Der Körper kapiert das nicht. Er denkt, wenn der Blutzucker so rasch ansteigt, dass es ganz viel gibt, und schüttet dann ganz viel Insulin aus. Dann haben Sie zunehmend Unterzucker, und die Folge sind Unfälle oder auch Prüfungs-Blackouts.

Zum Thema Entspannung vor Prüfungen. Viele Leute schrecken davor zurück, wenn sie von irgendwelchen Meditations-Techniken hören. Was kann man da machen? Wie kann man sich entspannen und die Hürde überwinden?

Walkman und ein Entspannungsprogramm rein. Ganz einfach. Am besten liegend. Wenn Sie dann schöne Musik im Hintergrund haben und eine angenehme Stimme - es muss ja nicht meine sein - dann sind Sie danach wieder voller Energie.

Sie benutzen in Ihrem Buch »Die Säulen der Gesundheit« den Slogan »Zeitqualität des Morgens«. Es gibt ja gerade bei Studierenden viele, die sehr gut abends oder gar nachts arbeiten können. Wie sind diese verschieden Typen in ihrer Arbeits- bzw. Lerneffizienz zu beurteilen, und gibt es überhaupt diese verschiedenen Typen?

Die Morgenmuffel - ich glaube nicht, dass dies angeboren ist. Künstler können vielleicht sehr gut nachts arbeiten. Die Leistungsfähigkeit ist objektiv morgens am besten. Mittags ist das wieder regenerierbar. Dann müssen Sie aber wirklich einen Mittagsschlaf machen oder entspannen. Wenn Sie nichts machen mittags, haben Sie danach eine äußerst bescheidene Leistungskurve.

Da gibt es Untersuchungen aus Amerika, da bauen Firmen Schlafsäle. Wenn amerikanische Firmen so etwas machen - die machen ja nichts Altruistisches - da geht´’s nur um Kohle. Und wenn sie dennoch Schlafsäle bauen, dann deswegen, weil sie diese Untersuchungen gelesen haben. Eine halbe Stunde Schlaf reicht, länger muss gar nicht sein. Der richtige Schlaf ist das Ideale. In der größten Not, wenn der Student jetzt wirklich keine Zeit mehr hat, dann ist immer noch der Sekundenschlaf gar nicht schlecht.

 

Nach dem Motto: Hinsetzen, Schlüssel in die Hand und wenn er runterfällt, ist man wieder fit?

Ich fahre immer nachts Auto. Wenn ich müde werde, das riskiere ich ja nicht, dann fahre ich auf einen Parkplatz, nehme den Schlüssel in die Hand, nach drei Minuten fällt der runter und ich fahre weiter. Und nach einer Stunde mache ich das wieder.

Und in diesem Moment setzt bereits die Entspannung ein?

In diesem Moment, wo Sie einschlafen, haben Sie ein eigenartiges Phänomen, das kennen sie bestimmt, der Schreck, wenn man am Steuer einschläft. Aber es ist mehr als der Schreck. Es ist dieser Moment des Einschlafens, der bringt eine ganze Menge Energie rein. Das ist so ein Notprinzip. Es ist natürlich besser, man macht einen Mittagsschlaf.

Die Erfolge der Medizin sind unbestritten. Doch der absolute Krankheitsbestand bleibt statistisch ziemlich konstant. Wie können die Menschen zu einer Veränderung ihres Verhaltens angeregt werden?

Wenn ein Student sich vernünftig anfängt zu bewegen, zu ernähren und zu entspannen, dann wird er nach kurzer Zeit - und mit kurzer Zeit meine ich ein Vierteljahr ungefähr - erstens mal die Figur haben, die zu ihm passt, die ihm gefällt und auch Spaß macht und auch dem Freund oder der Freundin gefällt. Ich nehme an Grippewellen seit vielen Jahren schon nicht mehr teil, ich schlafe viel weniger als die meisten, bin aber viel frischer.

Wir machen auch Unternehmensberatungen. Manager werden seit Jahren zu uns geschickt. Wenn die Industrie ihre obersten Leute zu uns schickt, dann machen die das auch nicht aus Nächstenliebe - die machen das aus Kalkül. Bezeichnenderweise machen sie diese aufwendigen Trainings nur für die Obersten, da lohnt es sich. Aber im Endeffekt würde es sich natürlich auch für die Arbeiter lohnen, die die VWs auch zusammenbauen.

Auch im Sinne der Produktivitätssteigerung.

In vieler Hinsicht. Nehmen Sie die Verwaltungsbeamten. Diese Leute müssen gerettet werden aus der Unterforderung. Ich meine das gar nicht böse. Ich bin nicht der Meinung, dass Beamte faul sind. Es ist beleidigend für ein menschliches Gehirn, den ganzen Tag mit Formularen und diesen banalen Geschichten beschäftigt zu werden. Den Leuten würde es ja viel besser gehen, wenn sie gefordert und damit auch gefördert würden. Das gilt - glaube ich - ganz generell.